Die digitale Welt wächst mit enormer Geschwindigkeit. Informations- und Kommunikationstechnologien sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Mittlerweile nehmen diese Technologien in nahezu allen Lebensbereichen eine Schlüsselrolle ein. Denn immer mehr und mehr Informationen können heute vielfach nur noch über Neue Medien abgerufen werden (Europäische Kommission, 2008, S. 9; Initiative D21 e. V., 2011, S. 5–8). Aber nicht nur aus diesem Grund ist die Anzahl der Internetnutzerinnen und Internetnutzer in den letzten Jahren stark angestiegen. Vor allem die relativ einfache Handhabbarkeit sowie leistbare und schnelle Breitbandzugänge haben dazu beigetragen, dass die Anzahl der World Wide Web User auch weiterhin kontinuierlich anwächst und aus dem Internet bereits ein Massenphänomen geworden ist. Aber erst das Web 2.0 und die damit verbundenen Anwendungen wie Blog, Wiki, Online-Communities etc. bewirkten eine grundlegende Veränderung im Umgang mit dem Internet. So sind aus den passiven Nutzerinnen und Nutzern aktive Produzentinnen und Produzenten geworden, welche die relativ einfachen, technischen Möglichkeiten der Web 2.0 Technologien für Partizipation, Kollaboration und Kooperation sowie Interaktion und Vernetzung einsetzen (Bernhardt & Kirchner, 2007, S. 18–22; Erpenbeck & Sauter, 2007, S. 140; Frank & Welskop, 2007; Jacobsen, 2007, S. 7; Magenheim & Meister, 2010, S. 21; Renz, 2011a, 2011b).
Mittlerweile haben auch Schulen, Hochschulen, Universitäten und Weiterbildungsinstitute das Web 2.0 für sich entdeckt. Und das vor allem aufgrund der gerade im virtuellen Bildungsbereich verstärkten Ausrichtung auf lernerzentrierte, selbstorganisierte und kollaborative Lehr-/Lernformen und der zunehmenden Bedeutung informellen Lernens. So wird der Einsatz der mit diesem Begriff verbundenen Konzepte und Technologien seit einigen Jahren stark forciert, lassen sich dadurch doch auf relativ einfache Art und Weise internetgestützte Bildungsangebote entwickeln, die sich durch ein hohes Ausmaß an Kooperations-, Kommunikations- und Publikationsmöglichkeiten auszeichnen (Downes, 2005; Erpenbeck & Sauter, 2007, S. 140; Kerres & Nattland, 2007, S. 43–44; Schiefner & Kerres, 2011, S. 129–131).
Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich deshalb ausführlich mit der Thematik Web 2.0 und dessen Bedeutung für den Bildungsbereich. Um ein besseres Verständnis sowohl für den Web 2.0 Begriff selbst als auch für die weiteren, in diesem Zusammenhang auftauchenden Begrifflichkeiten zu bekommen, werden diese im ersten Abschnitt geklärt. Anschließend werden verschiedene Web 2.0 Technologien, mögliche Anwendungsszenarien und daraus resultierende Potenziale für den Bildungsbereich vorgestellt.
Eine eindeutige Definition für den Begriff Web 2.0 zu finden, erweist sich als sehr schwieriges Unterfangen. Während die einen mit dem Begriff eine Sammlung neuer, innovativer Software-Anwendungen verbinden, bedeutet Web 2.0 für die anderen eine Veränderung im Umgang mit den digitalen Medien und hier besonders mit dem Internet (Gapsky & Gräßer, 2007, S. 3; O‘Reilly, 2007, pp. 17–19; Panke, 2007, S. 3–4; Renz, 2011a; Schultz, 2010, S. 11–12). Dagegen herrscht innerhalb der Sozialwissenschaften Einigkeit darüber, dass sich durch den Einsatz von Web 2.0 Technologien neue Lehr-/Lern- und Bildungspotenziale eröffnen (Kerres & Nattland, 2007, S. 40; Schiefner & Kerres, 2011, S. 127) und diese Potenziale im Bildungsbereich auch verstärkt genutzt werden sollten.
Hierbei spielen vor allem die einfach handhabbaren und flexiblen Web 2.0 Technologien eine bedeutende Rolle. Denn gerade der Einsatz von sogenannten Social Software Anwendungen wie Weblogs, Wikis, Audio- und Video-Podcasts, E-Portfolios, RSS-Feeds, YouTube, Flickr oder Social Networking Diensten wie Xing und studiVZ zeichnet sich durch Interaktivität, Selbstorganisation, Partizipation, Kooperation und Kollaboration, Community-Orientierung und Nutzerzentrierung aus. Dadurch bieten sich neue Möglichkeiten, kooperative und kollaborative Lernprozesse sowie informelles und selbstständiges Lernen und damit die Grundlage für das lifewide learning, also das Lernen in allen Lebensbereichen, sowie das lifelong learning, also das lebenslange Lernen, zu unterstützen und zu fördern (Erpenbeck & Sauter, 2007, S. 140; Kerres & Nattland, 2007, S. 40; Langenbacher, 2008, S. 22; Magenheim & Meister, 2010, S. 38; Schiefner & Kerres, 2011, S. 127).
Ein weiterer Begriff, der neben Social Software häufig in Zusammenhang mit Web 2.0 in Erscheinung tritt, ist das sogenannte E-Learning 2.0. Während mit E-Learning noch Lehr-/Lernszenarien gemeint sind, in denen alle Varianten von Online-Medien zum Einsatz kommen (Döring & Fellenberg, 2005, S. 135; Schmale, Gasteiner, Krameritsch, & Romberg, 2007, S. 39), weist die Erweiterung „2.0“ gezielt auf die Nutzung von Web 2.0 Technologien und hier vor allem auf den Einsatz von Social Software hin (Mayrberger, 2008, S. 2; Renz, 2011a).
Nachdem nun die grundlegenden Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Web 2.0 geklärt wurden, gibt der nächste Abschnitt einen Überblick über verschiedene Web 2.0 Technologien und zeigt anhand möglicher Anwendungsszenarien auch deren Potenziale für den Bildungsbereich auf.
Weblogs. Ein Weblog bzw. Blog ermöglicht den Nutzerinnen und Nutzern, den sogenannten Bloggern, auf einfache Art und Weise, verschiedenste Inhalte, sogenannte Postings, zu veröffentlichen. Diese Einträge, die aus Texten, Bildern, Tonaufnahmen, Animationen oder Videosequenzen bestehen, sind im Regelfall umgekehrt chronologisch geordnet, also die aktuellsten Postings immer zuerst gelistet. Üblicherweise wird ein Blog von einer Einzelperson betrieben. Dennoch gibt es aber auch Gruppenblogs, in denen mehrere Autorinnen und Autoren ihre Beiträge zu den unterschiedlichsten Themen posten. So finden sich beispielsweise Blogs, die als private Tagebücher oder als Erlebnis- und Reiseberichte genutzt werden, oder aber, um Informationen und Meinungen zu einem bestimmten Thema zu veröffentlichen. Vorteilhaft ist auch die Tatsache, dass die Blog-Inhaberinnen und Blog-Inhaber festlegen können, wer auf ihre Einträge zugreifen darf, ob diese kommentiert werden dürfen bzw. ob diese Kommentare angezeigt werden sollen. Des Weiteren lassen sich Blogs untereinander verlinken und auch gezielt Verweise auf einzelne Einträge erstellen. Die Gesamtheit aller Blogs wird dabei als sogenannte Blogosphäre bezeichnet (Renz, 2010b, 2011c; Scheibel, 2010a; Schultz, 2010, S. 14). Gerade die Kommentarfunktion ist dabei einer der Gründe, warum sich das Führen von Blogs auch optimal für den Bildungsbereich eignet. So könnten diese als Lerntagebücher eingesetzt werden, die parallel zum Studium oder während eines Schuljahres geführt werden. Denkbar wäre aber auch der Einsatz als Projekt-, Schulausflugs- oder Klassenblog. Ebenso könnten auch Kursblogs parallel zu Lehrveranstaltungen geführt werden, über welche sich dann Aufgabenstellungen und Arbeitsmaterialien veröffentlichen lassen (Abfalterer, 2007, S. 71–82; Magenheim & Meister, 2010, S. 24–26; Richardson, 2006, pp. 17–45).
Microblogging. Ähnlich wie bei Weblogs können auch auf Microblogging-Plattformen Inhalte auf einfache Art und Weise veröffentlicht werden. In diesem Fall sind aber nur relativ kurze Textnachrichten mit begrenzter Zeichenanzahl möglich. Das bedeutet, dass keine anderen Dateien oder ausführlichere Informationen eingefügt werden können. Verweise auf andere Webseiten, Weblogs etc. sind aber möglich und werden über einen integrierten Dienst in sogenannte TinyURLs, also verkürzte Webadressen, umgewandelt. Die erste und derzeit wohl auch bekannteste Plattform, die registrierten Mitgliedern das Veröffentlichen von Kurznachrichten, sogenannten Tweets, mit maximal 140 Zeichen erlaubt, ist die Microblogging-Plattform Twitter. Über Twitter können einzelne Kurznachrichten kommentiert und Nachrichten über Schlagwörter, sogenannte Hashtags, einem bestimmten Thema zugeordnet werden (Magenheim & Meister, 2010, S. 27; Renz, 2012b; Schultz, 2010, S. 14).
Audio- und Video-Podcasts. Ähnlich wie bei Weblogs geht es auch bei den Podcasts um das Publizieren von Inhalten. In diesem Fall handelt es sich aber um Audio- bzw. Videodateien, die entweder über einen, auf der Webseite integrierten Audio- bzw. Videoplayer abgespielt oder als Download bereitgestellt werden. Auch hier sind die einzelnen Audio- und Video-Podcasts in umgekehrt chronologischer Reihenfolge angeordnet und können zusätzlich mit Kommentaren versehen werden. Podcasts lassen sich aber auch mit Weblogs kombinieren, das heißt, es ist möglich, diese in einen bereits vorhandenen Blog einzubinden (Bernhardt & Kirchner, 2007, S. 71–73; Renz, 2010a; Schultz, 2010, S. 14). Analog zu Weblogs können auch Podcasts begleitend zu Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, indem z. B. aufgezeichnete Vorlesungen zum Download angeboten werden. Ebenso eignen sich Podcasts, um Lerntagebücher mit auditiven und audiovisuellen Beiträgen zu bereichern....