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E-Book

Einladung zur Gestalttherapie

Eine Einführung mit Beispielen

AutorErhard Doubrawa, Stefan Blankertz
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783752845068
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Dieses Buch bietet eine leicht verständliche Einführung in die Gestalttherapie; es zeigt, wie Gestalttherapie heilt und für wen diese Therapieform gut ist. In einem erzählenden, sehr persönlichen Stil zeigen die Autoren, wie das humanistische Menschenbild der Gestalttherapie ihre Ziele bestimmt: Mündigkeit und seelisches Wachstum des Klienten. Zahlreiche Beispiele machen das Buch zu einer anschaulichen Einstiegslektüre. Ein Gestalt-Bestseller: Gesamtauflage mehr als 40.000!

Erhard Doubrawa, 1955, arbeitet seit vielen Jahren als Gestalttherapeut. Er ist Gründer und Leiter der »Gestalt-Institute Köln und Kassel (GIK)« (gestalt.de). Private Praxen in Köln und Kassel. Herausgeber der Gestalttherapie-Zeitschrift »Gestaltkritik« (gestaltkritik.de) und einer Buchreihe zu Theorie und Praxis der Gestalttherapie (gikpress.de). Buchveröffentlichung in der gikPRESS u.a.: »Die Seele berühren: Erzählte Gestalttherapie«.

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Leseprobe

ZUR GESTALTTHERAPIE

Fangen wir direkt schon mal an…

Vergessen bitte Sie alles, was Sie eventuell schon über Gestalttherapie gehört haben. Sie haben noch nichts von ihr gehört? Umso besser.

Gestalttherapie ist eine Einladung. Eine Einladung, dass Sie sich in der Welt – neu? – orientieren. Neu? Muss nicht sein. Bestimmen Sie Ihren Standort. Schauen Sie sich genau um. Nehmen Sie wahr, wie Sie sitzen oder liegen, während Sie diese Zeilen lesen? Hart oder weich? Angenehm oder unbequem? Wie ist die Luft? Genügend Sauerstoff? Zu warm oder zu kalt? Genau richtig sollte es sein. Sie brauchen jetzt nicht gleich zum Fenster zu stürzen und es zum Lüften aufzureißen. Fragen Sie sich lieber, warum Sie es gern so stickig haben! Lernen Sie, Ihre Vorlieben zu schätzen. Verändern Sie sie nicht. Und wenn Sie das erreicht haben, werden Sie merken, dass sich alles um Sie herum verändert hat – ebenso wie Sie selbst mittendrin. Das nennen die Gestalttherapeuten das Paradox der Veränderung.

»Therapie« heißt ja bekanntlich so viel wie »Heilung«. Wenn Sie Husten haben, wissen Sie genau, worin die Heilung bestünde: keinen Husten mehr haben. Bei körperlichen Beschwerden besteht das Kriterium der Heilung in einer gewissen körperlichen »Normalfunktion«. Viele psychologische Richtungen gehen ähnlich vor: Man versucht, eine psychische »Norm« zu definieren, und alles, was da abweicht, wird »wegtherapiert«. Aber wollen Sie das? Sicherlich wollen Sie, dass Ihr Körper »normal« funktioniert und Sie keine Schmerzen oder Beeinträchtigungen haben. Das könnte jedoch tief innen in Ihrer Seele ganz anders sein: Sie wollen gar kein »Normalbürger« mit statistischen Durchschnittseigenschaften und mit Durchschnittsbedürfnissen sein. Wenn das so ist, sind Sie bei der Gestalttherapie richtig: Denn der Gestalttherapeut fragt nicht danach, wie Sie vom Durchschnitt abweichen. Er fragt danach, ob Sie sich mit sich wohlfühlen. Er möchte, dass Sie sich angemessen verhalten – angemessen Ihrer tatsächlichen Umwelt gegenüber und sich selbst gegenüber, so wie Sie nun einmal sind.

Das Kriterium für die Heilung in der Gestalttherapie ist kein äußerer Maßstab, sondern die innere Gestalt: Fügt sich alles, was Sie sind, zu einem guten Ganzen? Oder gibt es Brüche und Widersprüche, Ungereimtheiten und Selbstbehinderungen, die Ihnen das Leben unnötig schwer machen? (Wir sagen: unnötig, denn ein leichtes Leben verspricht die Gestalttherapie nicht. Das tun nur Scharlatane). Dann können wir mit Gestalttherapie schauen, was sich machen lässt, um das zu ändern.

Das wichtigste Instrument der Gestalttherapie, um herauszubekommen, was denn nun angemessen ist, heißt Wahrnehmung. Das sei ja simpel, denken Sie. Haben Sie schon einmal festgestellt, wie wenig Sie (und, unter uns gesagt, wir alle) wirklich wahrnehmen? Zu Beginn des Kapitels haben wir Sie gefragt, in welcher konkreten Umgebung Sie dieses Buch lesen. Wir haben bei den Fragen einiges vergessen: Farben zum Beispiel und Gerüche. Versuchen Sie einmal, Ihre nächste Umgebung ganz genau zu beschreiben. Das ist gar nicht so einfach und ziemlich langwierig. Vergessen Sie sich selbst dabei nicht: Was haben Sie an? Wie atmen Sie? Schmerzen vielleicht Ihre Augen? Wie geht es Ihrem großen Zeh? (Meiner ist kalt.)

Das meiste, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen könnten, geht an uns vorüber. Das ist übrigens auch gar nicht schlimm. Es ist im Normalfall sogar ein Glück. Denn wenn wir immer alles ganz genau wahrnehmen wollten, kämen wir nie dazu, irgendetwas zu tun (außer wahrzunehmen). Die menschliche Wahrnehmung ist so angelegt, dass immer nur das Wichtige in den Vordergrund rückt. Das andere wird beiläufig als Hintergrund wahrgenommen. So nehmen Sie nicht genau wahr, wie es Ihrem Fuß geht. Aber ist er »eingeschlafen«, tritt die Wahrnehmung des Fußes in den Vordergrund und die andere Tätigkeit, etwa das Lesen dieses Buches, tritt in den Hintergrund, und Sie schütteln Ihren Fuß aus. Diesen Vorgang nennt die Gestalttherapie Figur-und-Grund-Prozess.

In den Prozess von Figur und Grund braucht durch Therapie nur dann eingegriffen zu werden, wenn er nicht mehr so abläuft, dass Sie zufrieden sind. Beispielsweise sind Sie so darauf fixiert, dieses Buch zu lesen, dass Sie vergessen, etwas zu essen. Das ist schlecht. Also sollten Sie lernen, Ihrem Bauch und dessen Bedürfnissen mehr zuzuhören. Oder umgekehrt, Sie haben eine derartige Abneigung gegen das Lesen, dass Sie, sobald Sie dies Buch aufschlagen, Durst bekommen, das Buch weglegen und erst einmal etwas zu trinken holen. Auf diese Weise kommen Sie mit dem Lesen nicht weiter. Da sollten Sie dann lernen, wahrzunehmen, was Sie wirklich in einem Moment wollen.

Die therapeutische Arbeit an der Wahrnehmung ist eher mit dem Erleben als mit dem Verstehen verbunden. Wahrnehmung stellt immer eine enge Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Umgebung (zu der auch Ihr Körper gehört) her. Sie nehmen Ihre Befindlichkeit und die Befindlichkeit Ihrer Umgebung wahr, und das meiste, was Sie wahrnehmen, hat auch einen Gefühlswert. Wahrnehmung ist nicht wertfrei. Bei vielen Gerüchen, die Sie wahrnehmen, kommen Ihnen Erinnerungen, gute oder schlechte. Auf jeden Fall wird fast jeder Geruch entweder angenehm oder unangenehm sein. Das gleiche gilt für Farben, Formen und dergleichen mehr.

In der Gestalttherapie wird darum mit Ihrem eigenen Erleben gearbeitet: Indem Sie Ihre Wahrnehmung schärfen, erleben Sie sich und Ihre Umwelt. Dadurch kommt eine Veränderung zustande, wenn es um eine solche geht. Ihnen wird nicht, wie in manchen anderen Psychotherapien »erklärt«, wie Sie in der Welt sind und wie die eventuell unheilvollen Verstrickungen zustande kommen. Nicht das Verstehen (aufgrund von Erklärung), sondern das Erleben (aufgrund von Wahrnehmung) heilt nach Ansicht von der Gestalttherapie.

Die Arbeit an der Wahrnehmung bringt noch ein zentrales Kennzeichen der Gestalttherapie mit sich: Die Gestalttherapie hat ihr Augenmerk auf der Gegenwart, auf, wie Gestalttherapeuten sagen, dem Hier-und-Jetzt. Wahrgenommen (und erlebt) wird immer in der Gegenwart. Natürlich kann die Wahrnehmung, zum Beispiel von Zimtduft, eine Erinnerung etwa an Weihnachten in der Kindheit wachrufen. Gleichwohl bleibt die Wahrnehmung in der Gegenwart. Es ist auch nur die Gegenwart, in der Sie handeln und eventuell etwas verändern können. Die Vergangenheit steht fest (jedenfalls von den Fakten her, nicht aber von der Beurteilung her), und die Zukunft steht noch nicht fest. Wenn Sie sich also zu stark auf die Vergangenheit fixieren, werden Sie nichts ändern können. Wenn Sie dagegen mit Ihren Gedanken stets versuchen, die Zukunft vorwegzunehmen, werden Sie immer nur daran denken, etwas zu tun, den Zeitpunkt des Handelns allerdings häufig verpassen.

Wahrnehmen heißt also auch: sich nicht durch Erinnerungen in der Vergangenheit festhalten oder durch Angst vor der Zukunft bewegungsunfähig machen zu lassen, sondern um sich zu schauen und nachzuspüren, was »wirklich Sache ist«. Auf diese Weise stärkt die genaue Wahrnehmung unsere Handlungsfähigkeit.

Wer Ihnen das alles erzählt

Wie kommen wir dazu, Ihnen das alles zu erzählen? Warum meinen wir, kompetent genug dazu zu sein, Ihnen zu sagen, was »Gestalttherapie« ist?

Erhard Doubrawa ist seit vielen Jahren als Gestalttherapeut und als Leiter des Gestalt-Instituts Köln (GIK; heute: Gestalt-Institute Köln und Kassel) tätig. Aber schon der alte Sokrates hat erfahren, dass man, wenn man einen Handwerker fragt, was er da tue, keine brauchbaren Antworten bekommt.

Stefan Blankertz ist seit vielen Jahren (unter anderem) als Autor sozialkritischer (und inzwischen auch literarischer) Bücher tätig. Eine Therapie hat er bis zum Jahr 2000, als dies Buch entstanden ist, noch nie mitgemacht. Aber der Volksmund sagt (vielleicht ja nicht ganz zu unrecht), dass man jemandem, der über etwas schreibt, das er bloß aus Büchern kennt, nicht trauen dürfe.

Also haben wir uns zusammen getan, um gemeinsam zu versuchen, was jeder für sich nicht optimal bewältigen kann: ein Buch über Gestalttherapie zu schreiben, das anschaulich ist, ohne es an Problembewusstsein mangeln zu lassen.

Zum ersten Mal begegneten wir uns Ende der 1980er Jahre. Damals war Erhard auf der Suche nach jemandem, der im Rahmen seines Instituts die theoretische, philosophische und politische Grundlegung der Gestalttherapie kompetent darzustellen vermochte. Wie kein anderer im deutschen Sprachraum hatte sich Stefan mit dem Leben und der Arbeit Paul Goodmans (1911-1972) befasst, der die politische und philosophische Dimension der Gestalttherapie von Anfang an entscheidend mitgeprägt hat. Aber Stefan war Soziologe, und Psychotherapie war für ihn vor allem ein Ärgernis und »kleinbürgerliches Vorurteil«.

Stefan hatte Erhard erklärt, dass der Mitbegründer der Gestalttherapie Paul Goodman1 Anarchist war – also das Zusammenleben unter staatlicher Herrschaft ablehnte. Stattdessen sollte das Zusammenleben von selbstbestimmten...

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