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Essen und Trinken

AutorPeter Altmann, Soham Al-Suadi
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783641165567
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Essen und Trinken sind mehr als nur »Treibstoff« für den Körper, Mahlzeiten haben auch eine hohe soziale und symbolische Bedeutung: Wenn sich Menschen um einen Tisch versammeln, entsteht Gemeinschaft, die identitätsstiftend sein kann. Eine Gastgeberin kann, indem sie bestimmte Menschen zum Mahl einlädt und andere nicht, Macht demonstrieren. Bei Opfermählern geht es um weit mehr als um die reine Nahrungsaufnahme.
Der vorliegende Band untersucht Bestandteile, Gestalten und Bedeutungsgehalte der im Alten und Neuen Testament beschriebenen Nahrungsmittel, Mahlzeiten und Mähler, stellt sie in den Kontext ihrer Umwelt und wirft Licht auf ihr politische, soziale und religiöse Symbolik.
  • Essen und Trinken: mehr als nur Nahrungsaufnahme
  • Sprache und Darstellungsweise, die kein »Spezialwissen« voraussetzen
  • Die Lebenswelten der Bibel ganz neu entdecken


Peter Altmann, geboren 1974, ist Assistent für Altes Testament am Theologischen Seminar der Universität Zürich.

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Leseprobe

TEIL I

EINLEITUNG: ESSEN UND TRINKEN IM BIBLISCHEN ZEITALTER

1. Verortung des Themas in der Bibel

Und Gott sprach: Seht, ich gebe euch alles Kraut auf der ganzen Erde, das Samen trägt, und alle Bäume, an denen samentragende Früchte sind. Das wird eure Nahrung sein.

(Gen 1,29)1

Essen und Trinken, Mähler, Speisen und Mahlzeiten, aber auch das Leiden an Nahrungsmangel finden sich von den ersten Kapiteln der Bibel bis zu ihren letzten: So werden den am sechsten Tag geschaffenen Tieren und Menschen die Pflanzen, ihre Körner und ihr Obst als Speise zugeteilt (Gen 1,29-30). Das erste Vergehen gegen Gott im Garten Eden ist die Missachtung einer Speisevorschrift: nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen (Gen 2,17; 3,6). Auch eine der ersten Strafen bezieht sich auf das Essen: In seinem Versuch, Nahrung zu erlangen, muss der Mensch nun mit Mühe arbeiten, und es wird ihm gesagt, dass er dabei Rückschläge erleiden wird (Gen 3,17-19). Am Ende der Bibel (Apk 22) kehrt der Anklang an den Garten Eden wieder zurück, aber nun tragen die Bäume des Lebens monatlich ihre Frucht (V.2), und die Einwohner dieser ewigen Stadt – des heiligen Jerusalem – dürfen die Früchte essen (V.14) und vom Wasser des Lebens (V.17) trinken (vgl. Ez 47,1-2). Drei Kapitel früher beschreibt eine weitere Darstellung der eschatologischen Freude diese als »Hochzeitsmahl des Lammes« (Apk 19,9), das sicherlich mit einem reichlich gedeckten Tisch vorzustellen ist.

Trotz der wichtigen Rolle, welche Essen und Trinken an beiden Enden der Bibel, aber auch »dazwischen« spielt, ist dieses selten ein Forschungsthema in der Bibelwissenschaft und der Theologie gewesen, wenn man von den Debatten über die Bedeutung der Einsetzungsworte »Das ist mein Leib für euch« (1Kor 11,24b) mit seinen ähnlichen Formulierungen in den synoptischen Evangelien absieht. Das Desinteresse am menschlichen Essen, das als Thema immerhin ziemlich häufig in der Bibel erscheint, kann als Ausdruck eines mangelnden Interesses der westlichen christlichen Theologie an der Materialität der Lebenswelt, die hinter den biblischen Texten steht, verstanden werden. Dies hat sich erst in den letzten Jahrzehnten mit der steigenden Beachtung der kulturellen, sozialen und politischen Bedeutung von Mählern in der Theologie und der christlichen Praxis geändert, sodass auch die Untersuchungen zu der in den biblischen Texten zum Ausdruck kommenden Materialität des Lebens der Menschen im Alten Israel zugenommen haben. Vieles dieser Materialität ist mit metaphorischen Darstellungen von Essen und Trinken verbunden; dem wird sich dieser Band widmen.

2. Anthropologie des Essens

»Der Mensch ist, was er ißt«2, hat Ludwig Feuerbach bekanntlich geschrieben. Vor den 1980er Jahren haben sich Studien über das menschliche Essen und Trinken hauptsächlich auf die Kalorienzufuhr und Speisegebote verschiedener Kulturen beschränkt: Es ging um das »Was« des Essens und Trinkens.3 Erst in den letzten Jahrzehnten ist eine Flut wissenschaftlicher Untersuchungen zum Essen und Trinken entstanden, die sich mit den zahlreichen sozialen, kulturellen, politischen und religiösen Aspekten des Themas auseinandersetzen.4 Neu hinzugekommen sind also neben dem »Was« das »Wie«, »Wann«, »Wo« und »Mit wem«.

Diese Verschiebung der Fragestellung ist auch an der Theologie und den Bibelwissenschaften nicht vorübergegangen, und so haben beide ein explosionsartiges Wachstum an Arbeiten zum sozialen Wesen von Mahlpraktiken erlebt5. In ihnen wird nun der Einsicht Rechnung getragen, dass Mähler und ihre Gestaltung eine hohe soziale und auch symbolische Bedeutung haben und nicht nur »Treibstoff« für den menschlichen Körper sind. So wurde die Perspektive auf die Menschen neu gewonnen, darauf, wie sie sich verstehen: ihre Selbstwahrnehmungen, Zugehörigkeiten, Affinitäten und Verknüpfungen. All dies drückt sich beispielsweise durch die Wahl von Mahlpartnerinnen und Mahlpartnern aus: Ein Mensch »ist« nicht nur, was er isst, sondern er »ist« auch, mit wem er isst (und trinkt).

Einen entscheidenden Anstoß zu dieser Neuorientierung der Forschung gab der Anthropologe J. Goody, der sich in seiner Studie »Cooking, Cuisine and Class«6 mit den tieferen Bedeutungen von Mählern jenseits des reinen Erwerbs und der Verteilung von Nahrungsmitteln beschäftigt hat. Eine entscheidende Einsicht seiner Untersuchung für die Bibelwissenschaft ist, dass Mähler auch in Kulturen ohne elitäre Küche wie dem antiken Israel als ein grundlegendes Zeichen von sozialer Differenzierung von Gruppen, aber auch zu individueller Identitätsformierung dienen.

Ein zweiter Anstoß, ebenfalls aus der Kulturanthropologie, stammt von M. Douglas, die die Überschneidung zwischen rituellen und festlichen Mählern mit alltäglichen Mahlzeiten herausgestellt hat, auch wenn bei rituellen und festlichen Mählern versucht wird, sie von alltäglichen und einfachen Mahlzeiten abzusetzen.7 Anders gesagt: Auch wenn es unterschiedliche Mahltypen gibt, weist ein »normales« Mahl in vielerlei Hinsicht eine große Ähnlichkeit mit einem festlichen Mahl auf, schon allein um die »Grammatik« eines Mahles innerhalb einer bestimmten Kultur verständlich zu machen (s.u., 11. Form und Funktion des hellenistischen Gemeinschaftsmahls).

Dennoch gibt es Unterschiede zwischen Mählern, insbesondere zwischen alltäglichen und festlichen. Doch erst in der jüngeren anthropologischen und bibelwissenschaftlichen Forschung sind Untersuchungen dazu entstanden, wer von festlichen Mählern profitiert – und auf welche Art. So stellt sich die Frage, weshalb ein Herrscher ein Bankett veranstaltet, wenn er den Thron besteigt (zum Beispiel Salomo in 1Kön 3,15), oder warum das gemeinsame Essen Jesu mit »Zöllnern und Sündern« in Mk 2,13-18 so viele Probleme verursacht. Drei Fragen können hier weiterführen: (1) Möchte die Gastgeberin oder der Gastgeber durch das Einladen der »richtigen« Leute zu einem besonderen Mahl Sozialkapital erwerben und gesellschaftlich aufsteigen? (2) Oder versucht eine Gruppe eine andere auszuschließen, indem sie nur bestimmte Personen einlädt und andere nicht? (3) Möchte eine Gastgeberin oder ein Gastgeber seine oder ihre Position gegenüber Untergeordneten bekräftigen, indem sie / er ihnen etwas gibt (beispielsweise ein Mahl), was sie nicht »zurückzahlen« können?8 All dies kommt in den biblischen Texten über Essen und Trinken vor, und dies durchaus auch auf verschiedenen Ebenen. So kann Gott die Rolle des göttlichen Königs übernehmen, der als Patron für sein Klientel ein großzügiges Bankett gibt. Das Essen und Trinken mit einer bestimmten Gruppe (bei gleichzeitigem Ausschließen anderer) steht im Zentrum der Gebote, in denen es um das Feiern kultischer Feste ausschließlich für JHWH und ebenso ausschließlich an seinem Heiligtum und gerade nicht an anderen Heiligtümern oder zur Ehrung anderer Gottheiten geht. Schließlich kann ein Gastgeber, sei es JHWH oder ein Mensch, mit einem großen Fest seine eigene Anerkennung von Schlüsselgruppen und -figuren in der Gesellschaft zu erlangen versuchen. Beachtet man solche symbolischen Dynamiken in der Untersuchung des Essens und Trinkens in biblischen Texten, wird das Lesen reich belohnt, wie die folgenden Abschnitte aufzeigen möchten.

3. Quellen

Es freute sich der allmächtige Baal: … Er schlachtete Ochsen und Kleintiere, er schlug nieder Stiere und herrliche Mastschafe, Kälber von einem Jahr, ausgesonderte Böcklein, Zicklein. Er lud seine Brüder in sein Gebäude ein, seine Verwandten in den Palast.

(aus der Schilderung eines göttlichen Festmahls im ugaritischen Baal-Zyklus, 1.4.VI, Z. 35-36.40-45; s. Glossar)9

Da befahl der edle Keret, er erhob seine Stimme und rief: »Höre, oh Dame, Churiya! Schlachte ein Lamm, denn ich will essen, eine Köstlichkeit, denn ich will speisen!« Es gehorchte die Dame Churiya. Sie schlachtete ein Lamm und er aß, eine Köstlichkeit und er speiste.

(Ausschnitt aus dem Keret-Epos (1.16.VI.14-21), in dem der König Keret Churiya befahl, ein Festmahl für Mot, den Gott des Todes, vorzubereiten)10

Um die Küche und die kulinarischen Bräuche der biblischen Länder und ihrer Umgebung zu verstehen, steht eine Reihe von Quellen zur Verfügung. Einige davon entstammen der Bibel, andere finden sich in Texten, ikonographischen Darstellungen und archäologischen Funden aus den benachbarten Ländern.

Die bekannteste Informationsquelle ist natürlich die Bibel selbst, doch kommen in ihr weder die gesamte kulinarische Fülle noch die Vielfalt an Mahlbräuchen und Speisegewohnheiten der Menschen zum Ausdruck. Das liegt daran, dass die Beschreibung von Mahl- und Küchenpraktiken nicht im Vordergrund des Interesses der biblischen Texte steht. Obwohl das Essen und Trinken in vielen biblischen Erzählungen, Prophezeiungen, Briefen und weiteren literarischen...

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