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Familien- und Geschwisterkonstellationen von hochbegabten Schülerinnen und Schülern

AutorMeike-Elisabeth Cullmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783640979288
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Sonstiges, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Sprache: Deutsch, Abstract: Es ist nicht leicht eine grobe Zusammenfassung über die Forschungsergebnisse in der Familien- und Geschwisterkonstellation bei hochbegabten Schülerinnen und Schülern zu leisten. Entstehungsjahr, Entstehungszusammenhang, Fragestellung und Durchführung, mit besonderem Blick auf die Qualität der empirischen Methodik, erschweren das. Was den Entstehungszusammenhang betrifft, so muss man die empirischen Arbeiten von der Ratgeberliteratur unterscheiden. [...] Aber ebenso durch die Vorselektion bei den Stichproben, durch die Verwendung unterschiedlicher Altersgruppen, durch mangelnde Kontrolle des Wissens der Eltern über die Hochbegabung ihrer Kinder und durch unilaterale Forschungsansätze treten Probleme auf. Zu oft werden Familienvariablen für das hochbegabte Kind untersucht, anstatt die Interaktion in den Hochbegabtenfamilien genauer zu betrachten. Letzteres stellt auch das Problem meiner wissenschaftlichen Hausarbeit dar. [...] Es fehlen jegliche Veröffentlichungen dazu, wie die einzelnen Familienmitglieder aus Familien mit hochbegabten Schülerinnen und Schüler untereinander agieren. [...] Daher entschloss ich mich dazu in meiner Arbeit zunächst einmal die Begriffe der Hochbegabung, der Familie und der Geschwisterbeziehung allgemein und mit Hochbegabten zu definieren und zu erläutern, um die theoretische Basis zu schaffen. Im Anschluss daran stelle ich im zweiten Teil dieser Arbeit meine eigene Untersuchung von 'Familien- und Geschwisterkonstellationen von hochbegabten Schülerinnen und Schülern' vor. Ich habe Interviews mit hochbegabten Schülern und ihren Müttern geführt und werde die Inhalte der Gespräche präsentieren und deuten. Welche Bedeutung hat das Thema meiner wissenschaftlichen Hausarbeit nun für mich als angehende Lehrerin? Als Lehrerin werde ich im Laufe meines Beruflebens wohl früher oder später mit einer hochbegabten Schülerin oder einem hochbegabten Schüler in Kontakt kommen. Vielleicht ist die oder der Betreffende noch gar nicht als hochbegabt identifiziert und ich muss mit den Eltern gemeinsam ein Vorgehen erarbeiten oder aber das Kind wurde schon als hochbegabt eingestuft. Als zukünftige Lehrerin bin ich zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern verpflichtet, manchmal sogar darauf angewiesen

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Leseprobe

IV Wie kann der Zusammenhang zwischen familiärer Umwelt und kognitiver Fähigkeit des Kindes bestimmt werden?

 

Die familiäre Umwelt übt Einfluss auf die kognitive Sozialisation der Kinder aus (vgl. HUBER und MANDL 1980, MARJORIBANKS 1972, PAPASTEFANOU 1989, ROST und ALBRECHT 1985, RUTTER 1987, SCHUCK und SCHUCK1979), jedoch ist es unklar, inwieweit das kognitive Entwicklungsniveau (z.B. durch den Intelligenzquotienten oder durch die Schulleistung des Kindes)im Zusammenhang mit den familiären Umweltfaktoren gemessen werden kann.

 

Zur Klärung dieses Sachverhalts erörtert Tettenborn zunächst einmal die zwei Perspektiven zum Begriff der familiären Umwelt: Die Perspektive der „Milieutheoretiker“ und die der „Anlagetheoretiker“ (vgl. TETTENBORN 1996, S. 34). Der „Milieutheoretiker“ überprüft das kognitive Anregungspotential für die Kinder, welches eine veränderbare Größe darstellt. Mit Anregungspotential meint Tettenborn Faktoren wie

 

„Größe und Ausstattung der Wohnung (Musikinstrumente, Kunstwerke), Anzahl der Bücher und abonnierten Zeitschriften, Ausmaß an kulturellem Interesse (Museen, Theaterbesuche), aber auch hohe Wertschätzung guter Schulleistungen oder etwa ein die Entwicklung verbaler Fähigkeiten stimulierender elterlicher Interaktionsstil“ (TETTENBORN, 1996, S.34).

 

Da der „Milieutheoretiker“ eine durch Motivation und Konzentration veränderbare Größe wissenschaftlich bemessen will, muss er die kognitive Entwicklung durch Schulleistungstests erfassen, deren Aufgaben keine Erfahrung des Kindes voraussetzen oder nur solche Erfahrung, die alle zu testenden Kinder bereits gemacht haben.

 

Der „Anlagetheoretiker“ hingegen untersucht die genetische Ausstattung einer Person und das Ausmaß, in dem der Genotyp Ähnlichkeit zu Familienmitgliedern aufweist. Letztere sind gering veränderbare Faktoren zu deren Messung sich Intelligenztests anbieten, da Motivation und Konzentration für den IQ nur bedingt bis gar keine Rolle spielen. Für den „Anlagetheoretiker“ ist es ebenfalls interessant, welche Auswirkungen eine frühzeitige Trennung von der familiären Umwelt auf die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes hat. D.h. es kommt die Frage auf, ob die kognitive Entwicklung eines Kindes beeinflusst wird, wenn es in eine nicht familiäre Umwelt hineingesteckt wird, wie beispielsweise eine Adoptivfamilie.

 

Tettenborn erachtet außerdem die Betrachtung der Untersuchungen über zwei Variablenbereiche, die bis in die 80er Jahre von verschiedenen Forschern[2] betrieben wurden und die immer in Verbindung mit dem kognitiven Entwicklungsniveau genannt werden für unverzichtbar. Die zwei Variablenbereiche, deren wir zur Klärung unserer Frage bedürfen, sind die familiären Strukturvariablen und der Einfluss der familiären Prozessvariablen.

 

IV.1 Bestimmung des kognitiven Entwicklungsniveaus durch Erforschung der familiären Strukturvariablen und des Einflusses familiärer Prozessvariablen

 

IV.1.1 Der Einfluss familiärer Strukturvariablen: Familiengröße, Geburtsposition und Altersabstand zu den Geschwistern

 

Ausschlaggebender Faktor für die Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen der Familiengröße, der Geschwisterposition und dem kognitiven Entwicklungsniveau ist die These, dass die Position, in die ein Kind hineingeboren wird unveränderbar ist und auf die intellektuelle Entwicklung des Kindes Einfluss nimmt.

 

Bei der Untersuchung der Familiengröße unter Berücksichtigung des soziökonomischen Status der Familie zeigte sich, dass „Je größer die Familie ist, desto niedriger ist das kognitive Entwicklungsniveau der Kinder“[3]. Die Geschwisterposition als Faktor für das intellektuelle Leistungsniveau rückte in den Blickpunkt als Bradley 1968 in seiner Studie „Birth order and school-related behavior: A heuristic review“ die hohe Repräsentation von Erstgeborenen im Vergleich zu den Zweitgeborenen an weiterführenden Schulen bemerkte. Breland bestätigte und differenzierte mit seiner Studie die These Bradleys insofern, dass er feststellte, dass Erstgeborene aus kleinen Familien die höchsten Werte und Letztgeborene aus großen Familien die niedrigsten Werte in verbalenen Tests erzielten[4].

 

Hayes und Bronzaft konnten 1979 hingegen lediglich eine leichte Überpräsentation von Einzelkindern (16% zu 10%), jedoch keine bevorzugte Geburtsposition aus ihren Untersuchungen ableiten. Allerdings betrachteten sie 500 Mitglieder einer Vereinigung überdurchschnittlich akademischer Leistungsfähiger im Vergleich zu amerikanischen Zensusdaten.

 

Die „Confluence Theory“ von Zajonc und Markus ist ein in den 70er Jahren vieldiskutiertes Erklärungsmodell für die Zusammenhänge zwischen Familiengröße, Geburtsposition und dem Altersabstand zwischen den Geschwistern. Die wichtigsten Thesen dieser Theorie sind, dass

 

1. große Familien weniger intelligente Kinder haben.

2. später geborene Kinder weniger intelligent als ihre älteren Geschwister sind.

3. je geringer der Altersabstand zwischen den Geschwistern ist, desto geringer ist die kognitive Leistung des jüngeren Geschwisterkindes.

 

Im Gegensatz zu den Vorhersagen nehmen Einzelkinder und Letztgeborene eine Sonderstellung ein, da sie entgegengesetzt der Annahme niedrige Intelligenzwerte aufzeigen. Diese Fehleinschätzung erklärt Zajonc (1976) dadurch, dass in beiden Fällen die Tutorfunktion für jüngere Geschwister fehlt. Cicerelli (1978) bezieht zusätzlich noch das Geschlecht der Geschwisterkinder in seine Theorie ein, wonach weibliche Geschwisterkinder die sprachliche Entwicklung und männliche die mathematische Begabung stärkern sollen.

 

An dieser Stelle will ich anmerken, dass die Befunde zur „Confluence Theory“ widersprüchlich sind. Forscher wie Grotevant, Scarr und Weinberg (vgl. Tettenborn, 1996, 38) zeigen in ihrer Überprüfung der „Confluence Theory“ lediglich eine erklärte Varianz von 2% auf (die Analyse bei Zajonc ergibt 1976 hingegen 94%). Sie werteten die Daten von über 300 Kindern (auch Adoptivkinder) aus 101 Familien individuell aus. Zajonc hingegen stützt seine Ergebnisse auf die Realanalyse der Stipendiaten von Breland (1974) und Analyse großer Datensätze[5], aus denen er Mittelwerte nimmt. Die widersprüchlichen Befunde zur Geburtsposition und zur Sonderstellung des Einzelkindes führt Zajonc auf die große Altersdifferenz in den verschiedenen Studien zurück, da sich diese Vorhersagen erst bei älteren Kindern abzeichnen würden.

 

Steelman kommt 1985 zu dem Entschluss, dass die „Confluence Theory“ viele wichtige Untersuchungen veranlasst hat, aber keine Klärung bezüglich individueller Differenzen in der Entwicklung schafft.

 

Aus der Studie von Wirth und Wolf (1994) geht hervor, dass der soziale Status  bei Untersuchungen zum Einfluss der Familiengröße auf die Intelligenz der Kinder Einfluss hat. Außerdem kommen auch Wirth und Wolf zu dem Ergebnis, dass trotz Kontrolle der Variablen (wie z.B. Sozialstatus) die kognitiven Fähigkeiten mit der Zunahme der Familiengröße sinken, jedoch nur in einem geringen Maße (r < 0.20). Steelman erklärt diesen Sachverhalt dadurch, dass bei großen Familien Eltern weniger Zeit für jedes einzelne Kind haben und weniger soziale Interaktionen zwischen ihnen stattfinden. Dieser Zustand beeinflusst stark die sprachlichen Intelligenzfaktoren. Bei Steelman steht zusätzlich die Frage im Raum, ob Paare, die sich für eine kleine Familie entscheiden, dies aus einem bestimmten Erziehungskonzept oder aus einem Erziehungsanspruch heraus tun. Ein innerfamiliärer Wandel z.B. durch das Wachsen einer Familie hat in jedem Fall Auswirkungen auf die Erziehung der Kinder. Dass die Qualität der Erziehung eine ganz andere ist, wenn ich nur ein oder zwei Kinder, statt mehr zu versorgen und zu erziehen habe, dürfte wohl jedem zugänglich sein.

 

IV.1.2 Der Einfluss familiärer Prozessvariablen: Erziehungsstile

 

Nach Schneewind (1980) bezeichnet der Begriff „Erziehungsstil“ „…alle kindbezogenen Verhaltensweisen einer Elternperson“ (SCHNEEWIND, 1980, S.20). Es kommt daher die Frage auf, ob der Erziehungsstil die Ursache oder die Folge für die außergewöhnlichen Fähigkeiten der hochbegabten Kinder ist. Eine Studie die davon ausgeht, dass die Erziehung als Ursache gesehen werden kann, ist die Studie von Marjoribanks im Jahr 1972. Zusammengefasst liefert die Studie folgende Erkenntnisse:

 

1. Wenn man die Erziehungsprozesse in den Familien betrachtet, können differenziertere Aussagen zu den Intelligenzfaktoren getroffen werden als wenn Sozialindikatoren als Maßstab für das familiäre Anregungsniveau verwendet werden.

2. Rechenfähigkeit und sprachliche Fähigkeit werden stärker durch die Umwelt beeinflusst als schlussfolgerndes Denken.

3. Für den Faktor Raumvorstellung liegt keine Varianz vor.

4. Kinder teilen mit ihren Eltern einen Teil deren genetischer Anlage, was in den Korrelationseffizienten mitspielt.

 

Die Studie von Darpe, Darpe und Schneewind hinterfragt ebenfalls die Auswirkungen von Erziehungseinstellungen und Erziehungszielen auf die kindlichen Intelligenzfaktoren (hier gemessen an Zahlenverständnis, Schnelligkeit,...

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