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Finde das rechte Maß

Benediktinische Ordensregeln für Arbeit und Leben heute

AutorAnselm Bilgri, Konrad Stadler
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783492968324
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Anselm Bilgri, langjähriger Wirtschaftsleiter des Klosters Andechs in Oberbayern, übersetzt die Ordensregeln des heiligen Benedikt für unser Leben im 21. Jahrhundert. Die Gebote der Mönche, ihre Weisheit und Spiritualität helfen, wo Orientierungslosigkeit, Leistungsdruck, Gewinnstreben und Schnelllebigkeit belasten. Und sie zeigen, dass vor allem eines gebraucht wird: mehr Menschlichkeit.

Anselm Bilgri, geboren 1953, war bis 2004 Benediktinermönch, Cellerar und Prior des Klosters Andechs. Heute wirkt der 'Gratwanderer zwischen Kirche und Welt' als Vortragender, Buchautor, Coach und Mediator. und ist Mitgründer der Akademie der Muße. Bei Piper erschienen seine Bücher 'Finde das rechte Maß', 'Stundenbuch eines weltlichen Mönches', 'Herzensbildung' und 'Vom Glück der Muße'.

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Leseprobe

WIE MÖNCHE MANAGEN


Bayern und die Benediktiner sind von jeher aufs Engste miteinander verbunden. Nicht umsonst hat sich das Wort von Bavaria – terra benedictina, terra benedicta, »Bayern – benediktinisches Land, gesegnetes Land«, durch die Jahrhunderte erhalten. Benediktinerklöster gehören untrennbar zur Kulturlandschaft Bayerns.

Von 1986 bis 2004 verantwortete ich als Cellerar im Kloster Andechs einen Betrieb, der rund 200 Mitarbeiter beschäftigt und etwa 20 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht. Das Unternehmen umfasste alle drei Sektoren der Wirtschaft: Landwirtschaft, Produktion (Brauerei) und den Dienstleistungssektor (Gastronomie, Seminarzentrum, Pilger- und Wallfahrtswesen). Von 1994 an trug ich als Prior auch die Verantwortung für die Mönchsgemeinschaft auf dem heiligen Berg.

Oft wurde ich gefragt »Sind Sie nun ein Mönch oder ein Manager?«. Wo hört das Kloster auf, wo fängt das Unternehmen an? Die Benediktinerklöster als spirituelle und unternehmerische Zentren könnte man als Global Player bezeichnen. Es gibt sie seit 1500 Jahren, in den verschiedensten Ausprägungen. In den USA zum Beispiel führen Benediktiner eine ganze theologische Hochschule, in Kalifornien züchten Benediktinermönche in der Wüste Bienen und produzieren Honig; in einem indischen Ashram kann man genauso nach der Benediktsregel leben wie im Stift Admont in der Steiermark, das Hunderte Mitarbeiter in mehreren Sägewerken beschäftigt. Das alles ist benediktinisch, und den Cellerar der wirtschaftlichen Betriebe des Klosters könnte man demnach auch als Abteilungs- oder Filialleiter dieses Global Player sehen – des Global Player Benediktinerorden oder der ganzen katholischen Kirche, die ja wirklich weltweit operiert und in fast jedem Dorf eine Filiale hat – und das schon seit zweitausend Jahren. Ein älteres Unternehmen gibt es eigentlich nicht, wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet.

Natürlich muss ein Kloster für seinen Unterhalt sorgen, seine Wirtschaftsbetriebe müssen florieren, die Mönche können nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Natürlich braucht man Wachstum, Erfolg und Bestandsfähigkeit.

Die wenigsten wissen, dass Ordensgemeinschaften keine Schlüsselzuweisungen aus dem Kirchensteueraufkommen erhalten. Kirchensteuereinnahmen gehen an die Bistümer und werden dort auf die einzelnen Seelsorgestellen verteilt. Die Mönche eines Klosters bekommen nur dann Gehälter vom Bistum, wenn das Kloster für Pfarreien Seelsorger zur Verfügung stellt, oder Zuschüsse, wenn spezielle seelsorgerische Einrichtungen im Kloster geschaffen werden, die die Arbeit des Bistums unterstützen. Aber das ist kein Anspruch, den Klöster an das Bistum stellen können, sondern jedes Mal Verhandlungssache.

Es muss schlicht Geld verdient werden. Das ist das eine. Die Betriebe eines Klosters besitzen in keiner Weise Privilegien und zahlen dieselben Steuern an Staat und Gemeinde wie alle anderen Unternehmen auch. Aber: Es wird nicht von Vierteljahresbilanz zu Vierteljahresbilanz gehetzt. Das benediktinische Leben ist auf stabilitas, auf Beständigkeit, Langfristigkeit angelegt.

Schon der Blick auf die Führungsmannschaft eines Klosters macht das deutlich. Bis vor kurzem haben die Klöster der Bayerischen Benediktinerkongregation ihre Äbte auf Lebenszeit bestimmt. Inzwischen gibt es die Möglichkeit, den Abt auf zwölf Jahre zu wählen, was aber für einen »weltlichen« Vorstandsvorsitzenden immer noch eine kleine Ewigkeit ist. Im Rahmen von regelmäßig stattfindenden so genannten Visitationen überprüfen die Brüder zusammen mit Mönchen und Äbten aus anderen Klöstern ihren Lebensstil, und der Abt befindet – nach Rücksprache mit seinen Mitbrüdern – neu über die Ämter, die in einem Kloster zu vergeben sind: also zum Beispiel den Prior als Stellvertreter des Abtes, den Cellerar als Wirtschaftsleiter, den Bibliothekar, den Gastmeister und den Refektoriar als Verantwortlichen für den Speisesaal und die Küche.

Man könnte stabilitas auch mit Nachhaltigkeit übersetzen. Auf den ersten Blick klingt das »grün« oder ökologisch, und tatsächlich kommt der Begriff Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft. Im Forst hilft nur langfristiges Denken. Was ich heute pflanze, kann ich nicht gleich morgen ernten wollen. Ich muss die Dinge wachsen lassen, die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und auf den Ertrag geduldig warten können. So verhält es sich mit Bäumen, und ähnlich ist es auch mit verschiedenen Projekten oder mit den Unternehmen eines Klosters. Nachhaltiges und damit stetiges Wachstum ist mir allemal lieber, als exorbitante Steigerungsraten in kürzester Zeit zu verkünden und dann den großen Absturz miterleben zu müssen.

Damals, als ich Cellerar der Betriebe in Kloster Andechs wurde, habe ich zum Beispiel einen Fünfzehnjahresplan aufgestellt, in Vierteljahre geteilt bis Ende 1998, und aufgeschrieben, was ich erreichen möchte: Umbau des Klostergasthofs, Umorganisation im Bräustüberl, Renovierung des Klosters und andere Projekte. 15 Jahre, so lange konnte ich mir damals vorstellen, Cellerar zu sein. Wer in Politik und Wirtschaft kann noch solche Entscheidungszeiträume für sich in Anspruch nehmen?

Ein weiterer Unterschied macht die klösterliche Art des Wirtschaftens angenehm. Die Mönche bestimmen das Tempo für das Wachstum selbst, was in unserer schnelllebigen Zeit gar nicht so einfach ist. Aber bei Benedikt heißt es an verschiedenen Stellen der Regel: Es muss Rücksicht auf die Schwachen genommen werden. Die Schwachen bestimmen also das Tempo. Doch in unserer Zeit ist das Gegenteil der Fall, die Starken, die Schnellen, die Leistungsfähigsten, die Kreativsten geben das Tempo vor. Im Kloster wird ein bestimmter Schritt in die Zukunft, eine Neuerung, eine Veränderung erst vollzogen, wenn auch der Letzte bereit dazu ist. Ich glaube, dass mit aus diesem Grund die Zeit in den Klöstern langsamer abläuft. Daher kommt der lange Atem, mit dem unsere Klöster die Jahrhunderte überdauert haben und noch immer Kraft zur Innovation haben – spirituell wie ökonomisch. Klöster bestehen in Europa zum Teil seit 1200 Jahren, Unternehmen wie Siemens oder AEG bestehen oder bestanden gerade einmal 100 Jahre. Nach Bekanntwerden der Pleite von AEG war es für mich zunächst unvorstellbar, dass dieser weltweit agierende deutsche Elektrokonzern auf einmal nicht mehr existieren sollte. Konzerne kommen und gehen. Klöster sind beständig. Vielleicht hängt das bei den Benediktinern auch mit ihrer Ordensregel zusammen. Es gibt die Benediktsregel in jedem Buchladen zu kaufen, ein dünnes Büchlein mit 73 kurzen Kapiteln, hervorragend aus dem Spätlatein übersetzt. Bei seiner Einkleidung als Novize bekommt jeder Mönch ein persönliches Exemplar der Regel überreicht. Täglich wird bei Tisch aus der Regel vorgelesen, so dass wir im Jahr dreimal die ganze Regel hören. So habe ich die Regel nun seit mehr als 25 Jahren im Ohr. Erst im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, wie viel Weisheit und Hinweise für die konkrete Gestaltung des eigenen Alltags in ihr stecken. Sie schreibt nicht einfach alles minutiös vor, sondern gibt den Rahmen vor, in dem ich meine ganz eigenen Begabungen und Talente entfalten und trotzdem Halt in einem ausgeglichenen Lebensrhythmus finden kann.

Sicher hat jeder schon einmal die Kurzformel der Benediktsregel gehört: Ora et labora, »bete und arbeite«. Benedikt stellte damit zum ersten Mal der geistlichen Tätigkeit des Betens das Arbeiten, das Tun, die Gestaltung der Welt gleich. Die vita activa (Arbeit) und die vita contemplativa (Besinnung) sind gleichberechtigt. Das war das Neue. Wer arbeitet, so heißt es auch heute noch in der christlichen Tradition, der verwirklicht den Schöpfungsauftrag Gottes. Oder einfacher: Wer arbeitet, der tut, was Gott gefällt.

Auch wenn vielen Menschen heute diese religiöse Begründung des Arbeitens abgeht, im Unterbewusstsein prägt diese Einstellung unsere westliche Arbeitskultur mit Sicherheit noch immer sehr stark. Zum Teil zu stark. Viele arbeiten buchstäblich bis zur Besinnungslosigkeit, können keinen Moment mehr ohne Handy oder Laptop auskommen. Aber das Leben ist mehr als Arbeit, und Gott hat den Menschen nicht nur geschaffen, damit er arbeitet. Wer heute von Freizeit spricht, meint die Zeit, die »frei von Arbeit« ist: Wir definieren selbst unsere freie Zeit noch über die Arbeit. Dass dies auf die Dauer nicht gesund sein kann, dürfte jedem einleuchten, der einmal über mehrere Monate hin im Beruf Überstunden gemacht hat.

Die Mönche lehrt der heilige Benedikt, dass es der wohldosierte Ausgleich von Arbeit und Freizeit, von Gebet und Arbeit, von Anspannung und Entspannung ist, der das Leben im Gleichgewicht hält. Wer nur seine Arbeit sieht, dessen Blick verengt sich, der hat kein Auge mehr für Beziehungen, für den »Gewinn einer vertanen Stunde« auf dem Balkon bei Sonnenuntergang mit einem Glas Rotwein oder einem guten Buch.

Selbst Jesus hat nicht pausenlos missioniert, geheilt und geredet. Er ist nicht rastlos von Ort zu Ort gehetzt, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Bei einem solchen Jesus hätte auch niemand Heimat und Heilung gefunden. Vielmehr zog er sich immer wieder in die Stille zurück – zum Gebet, um zu sich selbst und zu Gott, seinem Vater, zu finden. Und er zeigt seinen Jüngern einen Weg zur wirklichen Erholung: »Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus« (Mk 6,31).

Ora et labora hat es als benediktinischer Wahlspruch zu großer Berühmtheit gebracht. Allerdings enthält Benedikts Regel noch viele andere Prinzipien, deren Weisheit weit über das Zusammenleben im Kloster hinausstrahlen kann. An...

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