In diesem Kapitel wird die Problemstellung beschrieben, die Abgrenzung zu anderen Themen geschildert, und die Zielsetzung geklärt. Die vorliegende Studie besteht im Wesentlichen aus sechs Hauptblöcken und gliedert sich wie folgt:
Empfehlungen von Führungskräften für den Einstieg in eine Führungsposition
Eigene Abbildung 1: Aufbau der Studie „Fit für Leadership“
„Es gibt keine asphaltierten Straßen, die wir gehen können,
wir müssen uns unsere eigenen Wege bahnen, indem wir gehen, d.h. denken und lernen.
Der Weg entsteht durch den Prozess des Gehens,
wobei wir ständig an Hindernisse stoßen, innehalten und Umwege machen müssen.
[…] Lernen aber auch Leben ist eine ständige Suchbewegung.“
(Arnold & Siebert, 2006, S. 129)
Mit sehr prekär auf Führen ausgerichteter Vorbereitung kommen viele entweder als FachexpertInnen oder langjährige sich als loyal erwiesene Mitarbeitende in eine Führungsposition. Dies zeigten sich wiederholende Beobachtungen vonseiten der Forscherin. Dass Führen eine sehr spezielle Aufgabe ist, scheinen die meisten in Bezug auf Menschenführung Unerfahrenen erst nach dem Sprung ins kalte Wasser zu merken. Um durch Erfahrung Führungssicherheit zu erlangen, ist in den meisten Fällen nicht genügend Zeit vorhanden. Sich auf eine gewisse Unberechenbarkeit in Bezug auf den zukünftigen Verlauf der eigenen Führungsentwicklung einzulassen, ist ein notwendiges Übel. Ein guter Start ist nicht nur für den ersten Tag oder die ersten hundert Tage als neue Führungskraft von Bedeutung, sondern er prägt die weitere Entwicklung bedeutsam mit, was auch in diversen Ratgebern im Bereich der Management-Literatur betont wird[1].
Katzengruber bezeichnet neue Führungskräfte als mutig, „[…] denn die wenigsten wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie diesen Job übernehmen.“ und „[…] mutig ist, wer Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzt und bereit ist, ein Wagnis einzugehen“ (Katzengruber, 2010, S. 11). Die Forscherin hat in ihrem eigenen beruflichen Umfeld immer wieder beobachtet, dass für manche Menschen eine neue Führungsaufgabe überraschend und schnell auf sie zukommt und dass andere hingegen lange darauf hingearbeitet haben. Etwas scheint sicher: ob lange oder kaum darauf vorbereitet, die Erfahrungen sind immer individuell und haben unterschiedliche Auswirkungen auf den weiteren beruflichen Entwicklungsprozess und den Ausbau von Handlungskompetenzen. Die Beobachtungen der Autorin haben gezeigt, dass sich diese Menschen auf einen a priori undefinierbaren Weg begeben.
Ähnlich wie bei Katzengruber, der bereits in seinem Vorwort betont, dass es nicht sein Ziel sei, Führungskräften Patentlösungen anzubieten, sondern für die eigene Selbsterneuerung bzw. Selbsterfindung in dieser neuen Führungsrolle Denkanstöße zu ermöglichen, soll diese vorliegende Studie den Erfahrungsschatz langjähriger Führungskräfte rückblickend greifbar machen.
Nach eigenen Beobachtungen der Autorin sieht es so aus, dass Stellenausschreibungen für Führungskräfte oftmals Staunen erzeugen: gesucht wird scheinbar eine Art Superhero mit durchtrainierter Hirnmuskulatur und gleichzeitigem Einfühlungsvermögen, aber natürlich mit Durchsetzungskraft, Kreativität aber auch strategischem, ergebnis- und zielorientiertem Denken. Anforderungsprofile für Führungskräfte sind wohl die kontroversesten innerhalb der Personalwelt. Neuberger spricht nicht grundlos von Dilemmata, steht man in Führungsfragen doch immer wieder vor der „Wahl zwischen zwei einander widersprechenden Handlungslogiken“, wobei für beide Logiken gute Gründe sprechen (Neuberger, 2002, S. 339). Neuberger geht in seinen Erläuterungen von der These aus, dass Vorgesetzte notwendig in Widersprüchen leben müssen. Er beschreibt die Ambivalenzen, die eine Führungsrolle mit sich bringt: das Gesamtunternehmen, dessen Vision und Strategie im Auge behalten, gleichzeitig die Interessen der eigenen Abteilung und die der individuellen Mitarbeitenden empathisch ernst nehmen und verfolgen und gleichzeitig Innovationsgeist und Mut zum Durchgreifen und Beschreiten von neuen Wegen beweisen, ohne dabei zu vergessen, das Alte und Bewährte zu würdigen und mitzunehmen. Die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Organisation an die wachsende Komplexität und die neuen Anforderungen der verschiedenen Umwelten wird nicht zuletzt durch die Flexibilität der Führungskräfte bestimmt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein Zuviel an Dynamik und Innovation zu Instabilität und zu Unsicherheiten führen kann (vgl. ebd.).
Eine mögliche Lösung für diese Dilemmata könnte darin bestehen, Führungskräfte gezielt auf diese Herausforderungen vorzubereiten und sie bereits von Anfang an in ihrem Führungshandeln zu begleiten und zu unterstützen.
Bewirbt sich jemand für eine Führungsposition, sollte er oder sie folglich mit Flexibilität und Offenheit an die Sache herangehen und sich bestmöglich auf die genannten widersprüchlichen Anforderungen vorbereiten. Wie kann eine solche Vorbereitung aussehen?
„In keinem anderen Beruf liegt die Ausbildung
so im Argen wie im Management.“
(Fredmund Malik)
Es gibt keine Ausbildung zur Führungskraft. Malik stellt fest: „Management ist der wichtigste Massenberuf einer modernen Gesellschaft, und es ist, leider kommt man um die unangenehme Wahrheit nicht herum, ein Beruf ohne Ausbildung.“ (Malik, 2006, S. 67). Es besteht weitgehend die Ansicht, dass man sich das erforderliche Know-How für das erfolgreiche Übernehmen von Führungsverantwortung hauptsächlich in der betrieblichen Praxis aneignen muss, denn betriebswirtschaftliches Wissen allein ist bei weitem nicht ausreichend. Die Autorin hat immer wieder festgestellt, dass manche dabei merken, dass die Welt des Führens nicht dem entspricht, was sie sich darunter vorgestellt hatten, wie auch Sample beschreibt:
Einige der unglücklichsten Menschen, die ich kenne, sind Leute, deren Wunsch nach einem hochrangigen Führungsposten sich endlich erfüllte und die erst dann merkten, dass sie die Tätigkeit, die eine solche Position verlangt, eigentlich überhaupt nicht gerne ausüben. Sie hatten Jahre damit verbracht, sich bis ganz nach oben durchzukämpfen, nur um beim Erreichen ihres Zieles feststellen zu müssen, dass das wahre Leben an der Spitze in keiner Weise ihren Vorstellungen davon entsprach. (Sample, 2002, S. 210).
Führungsratgeber und pragmatisch einsetzbare Führungsinstrumente zum Nachlesen gibt es en masse, wie eine Literaturrecherche in Universitätsbibliotheken oder Buchhandlungen zeigt. Trotzdem belegen die neuesten Erkenntnisse der seit 2001 jährlich durchgeführten Gallup-Studie, dass die meisten ArbeitnehmerInnen mit ihren Vorgesetzten unzufrieden sind und bereits innerlich gekündigt haben. Viele haben unzufriedenstellende Erfahrungen mit Führungskräften gemacht, was erhebliche Auswirkungen hat auf die Motivation von Mitarbeitenden, aber auch auf die positive Erwartungshaltung neuen Führungskräften gegenüber[2]. Gallup fasst in der Präsentation der Forschungsergebnisse zusammen (siehe http://eu.gallup.com/Berlin/146030/Praesentation-zum-Gallup-EEI-2010.aspx):
Nur jeder fünfte Arbeitnehmer[3] (19%) erklärt, dass für gute Arbeit Lob und Anerkennung ausgesprochen wird.
Lediglich ein Viertel der Mitarbeiter (25%) fühlt sich bei der Arbeit mit einbezogen, weil nach ihrer Meinung und ihren Ansichten gefragt wird.
Nur ein Drittel der Befragten (34%) gab an, dass der Vorgesetzte für neue Vorschläge und Ideen offen ist.
Lediglich drei von zehn Beschäftigten (31%) haben das Gefühl, dass bei der Arbeit das Interesse an ihnen als Mensch vorhanden ist.
Nur 22 Prozent der Mitarbeiter geben an, dass es bei der Arbeit jemanden gibt, der sie in Ihrer Entwicklung fördert.
Nur jeder dritte Beschäftigte (32%) erklärte, dass er eine Position ausfüllt, die ihm wirklich hundertprozentig liegt.
Drei von zehn Mitarbeiter (33%) gaben an, dass ihr Vorgesetzter den Schwerpunkt auf die Stärken und positiven Eigenschaften legt.
Gerade einmal jeder siebte Arbeitnehmer (14%) sagte, dass sein Vorgesetzter mit ihm ein gehaltvolles Gespräch über seine Stärken geführt hat.
Nur jeder fünfte Beschäftigte (19%) bekundete, dass sein Vorgesetzter ihn dazu inspiriert hat, Dinge zu tun, die er sich zunächst nicht zugetraut hat.
Abbildung 1: Schwachstellen in der Führung laut Gallup Engagement Index 2010
Die Führungsforschung hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, Faktoren zu definieren,...