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FLOW und Kreativität

Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen

AutorMihaly Csikszentmihalyi
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl648 Seiten
ISBN9783608106879
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Mihaly Csikszentmihalyi beantwortet in diesem Buch die Fragen, wo und wie Kreativität entsteht und wie es jedem Einzelnen gelingen kann, seine ganz persönliche Inspirationsquelle zu entdecken und zu fördern. Es erschließt sich Ihnen die interessante Welt der 'kreativen Köpfe', damit auch Sie in Zukunft - beruflich und privat - von Ihrer schöpferischen Kraft profitieren und Ideenlosigkeit und innere Blockaden überwinden können. Die Grundlage bilden zahlreiche Interviews mit Kreativen aus allen möglichen Berufen, mit allen möglichen Berufungen. Eines der überraschendsten Ergebnisse seiner Analyse ist, daß die Frage: Was ist Kreativität? durch die Frage: Wo entsteht Kreativität? ersetzt werden muß. Jeder Kreative entwickelt sich in einem bestimmten Kontext, zu dem vielerlei gehört, vom Zimmer, in dem man aufwuchs, von den Freunden, mit denen man sich umgibt, bis zu den Förderern, die in manchen Lebensabschnitten notwendig sind. Flow bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung 'aufgehen'. Entgegen ersten Erwartungen erreichen wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meistens nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen.

Mihaly Csikszentmihalyi (sprich: Tschik Sent Mihaji) wurde 1934 als Sohn einer ungarischen Familie in Italien geboren. Er war Gastprofessor in Italien, Brasilien, Finnland und Kanada. Csikszentmihalyi ist heute Direktor des Quality of Life Center und Professor für Unternehmensführung an der Claremont Graduate University in Kalifornien. Er wurde weltweit bekannt, als er erstmals das Flow-Phänomen beschrieb, und gilt als führender Glücksforscher. Mihaly Csikszentmihalyi ist weltweit als der Erfinder des FLOW-Phänomens bekannt und gilt als führender Glücksforscher. Er war Gastprofessor in Italien, Brasilien, Finnland und Kanada und ist heute Direktor des Quality of Life Center und Professor für Unternehmensführung an der Claremont Graduate University in Kalifornien.

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Leseprobe

2
Wo ist Kreativität?


Die Antwort ist schnell gegeben: Kreativität ist eine Form von geistiger Aktivität, ein Erkenntnisvorgang, der in den Köpfen einiger außergewöhnlicher Menschen stattfindet. Aber diese spontane Vermutung ist irreführend. Wenn wir unter Kreativität eine Idee oder eine Handlung verstehen, die neu und wertvoll ist, dann können wir die Beurteilung des einzelnen nicht als Maßstab für die Existenz der Kreativität akzeptieren. Man kann unmöglich wissen, ob ein Gedanke neu ist, es sei denn, man zieht gewisse Vergleichsmaßstäbe heran, und ob er wertvoll ist, hängt von der Einschätzung der Gemeinschaft ab. Insofern findet Kreativität nicht im Kopf des Individuums statt, sondern in der Interaktion zwischen dem individuellen Denken und einem soziokulturellen Kontext. Sie ist eher ein systemisches denn ein individuelles Phänomen. Ich möchte das anhand einiger Beispiele illustrieren.

Während meines Studiums jobbte ich einige Jahre lang als Lektor für ein Verlagshaus in Chicago. Mindestens einmal in der Woche brachte die Post ein Manuskript von einem unbekannten Autor, der behauptete, irgendeine bahnbrechende Entdeckung gemacht zu haben. So wurde vielleicht ein Achthundert-Seiten-Wälzer eingereicht, in dem anhand einer minutiösen Textanalyse der Odyssee dargelegt wurde, warum Odysseus entgegen der allgemeinen Auffassung keineswegs im Mittelmeerraum gesegelt sei. Eine genaue Analyse der Landmarken, der zurückgelegten Entfernungen und der von Homer beschriebenen Sternbilder ergab vielmehr ohne jeden Zweifel, jedenfalls nach den Berechnungen des Autors, daß Odysseus in Wirklichkeit vor der Küste Floridas gekreuzt war.

Ein anderer hoffnungsvoller Autor lieferte vielleicht eine Bauanleitung für fliegende Untertassen mit äußerst präzisen Blaupausen – die sich bei genauerer Betrachtung als kopierte Gebrauchsanleitungen für ein Haushaltsgerät entpuppten. Was das Lesen dieser Manuskripte so deprimierend machte, war die Tatsache, daß die Autoren tatsächlich überzeugt waren, eine bahnbrechende Entdeckung gemacht zu haben, die nur deshalb nicht anerkannt wurde, weil sich solche Philister wie ich und die Lektoren aller anderen Verlagshäuser gegen sie verschworen hatten.

Vor einigen Jahren versetzte die Nachricht, daß es zwei Chemikern gelungen sei, eine Kaltschmelzung im Labor zu erreichen, die wissenschaftliche Welt in helle Aufregung. Falls sich diese Meldung bestätigen sollte, so bedeutete es, daß etwas Ähnliches wie das Perpetuum Mobile – einer der ältesten Träume der Menschheit – kurz vor seiner Verwirklichung stand. Nach einigen Monaten, in denen Laboratorien auf der ganzen Welt hektisch versuchten, die ersten Ergebnisse zu replizieren – einige mit scheinbarem Erfolg, die meisten ohne Erfolg –, wurde immer deutlicher, daß die Experimente, auf denen die Thesen basierten, fehlerhaft waren. Die gelehrte Welt wandte sich peinlich berührt von den beiden Forschern ab, die sie vorschnell als kreativste Entdecker des Jahrhunderts gefeiert hatte. Nach allem, was man hört, hielten die beiden Chemiker jedoch eisern daran fest, daß sie im Recht seien und eifersüchtige Kollegen ihren Ruf ruiniert hätten.

Jacob Rabinow, selbst Erfinder, aber auch Gutachter von Erfindungen beim National Bureau of Standards in Washington, kennt viele solcher Geschichten über Menschen, die überzeugt sind, das Perpetuum Mobile erfunden zu haben:

Ich kenne viele Erfinder, die etwas austüfteln, das nicht funktionieren kann, das theoretisch unmöglich ist. Aber sie verbringen drei Jahre mit der Entwicklung eines Motors, der nicht mit Elektrizität, sondern mit Magneten betrieben wird. Man erklärt ihnen, daß es nicht funktionieren kann. Es verstößt gegen das zweite Gesetz der Thermodynamik. Und sie entgegnen: »Ich pfeife auf Ihre blöden Regierungsgesetze!«

Wer hat recht – das Individuum, das an seine Kreativität glaubt, oder das gesellschaftliche Umfeld, das diese Kreativität leugnet? Wenn wir Partei für den einzelnen ergreifen, wird die Kreativität zu einem subjektiven Phänomen. In diesem Fall gehört zur Kreativität nicht mehr als die innere Gewißheit, daß mein Tun oder Denken neu und wertvoll ist. An dieser Definition von Kreativität ist nichts auszusetzen, solange man erkennt, daß dies nicht alles ist, was der Begriff ursprünglich umfaßte – nämlich etwas wahrhaft Neues zu erschaffen, das als so wertvoll gilt, daß es der Kultur hinzugefügt wird. Wenn man andererseits zu dem Schluß kommt, daß eine Bestätigung des Umfelds erforderlich ist, bevor etwas als kreativ bezeichnet werden kann, muß die Definition mehr umfassen als das Individuum. Wichtig ist, ob die innere Gewißheit durch die entsprechenden Experten – wie die Lektoren im Fall der exzentrischen Manuskripte – bestätigt wird. Es gibt keinen Mittelweg; man kann nicht sagen, daß in einigen Fällen die innere Überzeugung ausreicht, während in anderen Fällen die äußere Bestätigung notwendig ist. Ein derart lockerer Kompromiß läßt zu viele Schlupflöcher und macht es unmöglich, sich darauf zu verständigen, was kreativ ist und was nicht.

Das Problem ist, daß der Begriff »Kreativität«, wie er meist verwendet wird, zu weit gefaßt ist. Er bezieht sich auf sehr unterschiedliche Phänomene, was zu vielerlei Mißverständnissen führt. Um etwas mehr Klarheit in die Sache zu bringen, unterscheide ich mindestens drei unterschiedliche Phänomene, die man zu Recht mit dieser Bezeichnung belegen kann.

Im alltäglichen Sprachgebrauch bezieht sich der Begriff häufig auf Personen, die ungewöhnliche Ideen äußern, die interessant und anregend sind – kurzum auf Leute, die ungewöhnlich klug erscheinen. Ein brillanter Plauderer, ein Mensch mit vielfältigen Interessen und einem scharfen Verstand könnte in diesem Sinne als kreativ bezeichnet werden. Solange diese Personen nicht auch etwas von bleibendem Wert erschaffen, bezeichne ich sie als brillant und nicht als kreativ; sie kommen in diesem Buch nur am Rande vor.

Zum zweiten kann man den Begriff auf Personen anwenden, die die Welt auf ungewöhnliche und originelle Weise erleben. Diese Personen entwickeln neue Perspektiven, gelangen zu tiefen Einsichten und machen möglicherweise wichtige Entdeckungen, von denen nur sie selbst wissen. Ich bezeichne solche Menschen als persönlich kreativ und versuche, ihnen möglichst viel Aufmerksamkeit zu schenken (insbesondere in Kapitel 14, das sich mit dieser Thematik befaßt). Aber die subjektive Natur dieser Form von Kreativität macht es schwierig, sich damit auseinanderzusetzen, gleichgültig wie bedeutsam die Erfahrung für den einzelnen sein mag.

Schließlich werden mit dem Begriff kreativ auch Einzelpersonen wie Leonardo, Edison, Picasso oder Einstein belegt, die unsere Kultur auf einem wichtigen Gebiet verändert haben. Diese Personen bezeichne ich ohne jede Einschränkung als kreativ. Weil ihre Errungenschaften per definitionem öffentlich sind, ist es leichter, über sie zu schreiben, und die Personen, die an meiner Studie teilgenommen haben, fallen in diese Kategorie.

Der Unterschied zwischen diesen drei Bedeutungen ist nicht nur eine Frage der Abstufung. Die letztgenannte Form der Kreativität ist nicht einfach eine Weiterentwicklung der ersten beiden. Es handelt sich tatsächlich um unterschiedliche Arten von Kreativität, die relativ unabhängig voneinander bestehen. So geschieht es zum Beispiel häufig, daß Personen, die vor brillanten Eigenschaften nur so sprühen und allseits als außerordentlich kreativ gelten, nichts von bleibendem Wert, keinerlei Spuren ihrer Existenz hinterlassen – außer vielleicht in der Erinnerung derer, die sie kannten. Andererseits haben einige Menschen, die unsere Geschichte am nachhaltigsten geprägt haben, überhaupt nichts Originelles oder Brillantes an sich gehabt und wirkten abgesehen von den Errungenschaften, die sie der Nachwelt hinterließen, nicht sonderlich beeindruckend.

So soll zum Beispiel Leonardo da Vinci, zweifellos eine der kreativsten Personen gemäß der dritten Definition, sehr zurückhaltend und fast zwanghaft in seinem Verhalten gewesen sein. Wenn Sie ihm auf einer Cocktailparty begegnet wären, hätten Sie ihn wahrscheinlich für einen tödlichen Langweiler gehalten und so schnell wie möglich die Flucht ergriffen. Auch Isaac Newton oder Thomas Edison hätten nicht unbedingt als Gewinn für eine Party gegolten; außerhalb ihrer wissenschaftlichen Interessengebiete wirkten sie hölzern und farblos. Die Biographen von ungewöhnlich kreativen Personen geben sich alle Mühe, ihre Helden interessant und brillant erscheinen zu lassen, aber ihre Anstrengungen sind sehr häufig umsonst. Michelangelo, Beethoven, Picasso oder Einstein haben eindrucksvolle Leistungen auf ihren jeweiligen Gebieten vollbracht – aber kaum jemand würde ihrem Privatleben, ihrem alltäglichen Denken und Handeln besondere Aufmerksamkeit widmen, wenn ihre speziellen Leistungen nicht allem, was sie gesagt oder getan hätten, ein besonderes Gewicht verliehen.

Nach der Definition, die ich hier verwende, gehört John Bardeen zu den kreativsten Personen in dieser Studie. Er erhielt als erster und bisher einziger Forscher zweimal den Nobelpreis für Physik: das erste Mal für die Entwicklung des Transistors; das zweite Mal für seine Arbeiten zur Supraleitung. Wenige Menschen sind so weit und so tief in das Reich der Festkörperphysik vorgedrungen oder mit so wichtigen Einsichten zurückgekehrt. Dennoch ist es nicht leicht, sich mit Bardeen über Themen zu unterhalten, die außerhalb seines Fachgebietes liegen. Man hat Mühe, seinen abstrakten Gedankengängen zu folgen, wenn er langsam, stockend und ohne besondere Tiefe...

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