1. Wer sind diese ungleichen Paare?
One going up, one coming down
But we seem to land on common ground
When things go wrong we make corrections
To keep things moving in the right direction
Try to fight it but I’m telling you Jack,
It’s useless, opposites attract.
(Oliver Leiber, Texter von Paula Abdul1)
Was ist die Genialität der Gegensätze?
Die Genialität der Gegensätze erwächst aus der Zusammenarbeit von introvertierten mit extrovertierten Menschen in jeder denkbaren Kombination. Hierzu gehören Paare wie Führungskräfte und ihre Angestellten, kreativ Schaffende und ihre Mitarbeiter, Verkaufspersonal und Büroangestellte, Projektmanager und ihre Sponsoren und viele mehr.
Starke gegensätzliche Teams besitzen eine einzigartige Chemie. Sie bringen gemeinsam Dinge zustande, zu denen einer alleine niemals in der Lage wäre. Aber sie müssen für ihren Erfolg hart an sich arbeiten, denn ihre Genialität basiert auf ihren konträren Persönlichkeiten. Obwohl ihre Arbeitsstile stark voneinander abweichen, können die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit den Eindruck erwecken, sie seien einem Kopf entsprungen. Daher ist die Beziehung gegensätzlicher Partner dann am erfolgreichsten, wenn sie aufhören, sich auf ihre Differenzen zu konzentrieren, und stattdessen Herangehensweisen nutzen, die zu Resultaten führen.
Introversion und Extraversion richtig definieren
Introvertierte schöpfen ihre Energie aus sich selbst, während Extrovertierte Energie von außen beziehen. Auch wenn viele von uns glauben, irgendwo in der Mitte zu liegen, neigen wir alle mehr zur einen oder zur anderen Seite.
Es ist jedoch auch möglich, dass Menschen situationsabhängig ein eher extrovertiertes beziehungsweise introvertiertes Verhalten zeigen. Ein Extrovertierter kann sich beispielsweise auf einer Urlaubsparty unter lauter Fremden ausgesprochen wohlfühlen, während er sich gegenüber dem Team seiner Finanzabteilung, in das er nur wenig Vertrauen hat, sehr verschlossen zeigt. Oder ein Introvertierter erweist sich als überzeugender Redner, wenn es um vorbereitete Vorträge geht, ist dann beim Mittagessen mit seinen Kollegen aber eher wortkarg.
Die entscheidende Frage, um herauszufinden, ob Sie extrovertiert oder introvertiert sind, ist folgende: Brauchen Sie, nachdem Sie mit Menschen zusammen waren, Zeit, um wieder Energie zu tanken? Ist Ihre Antwort ein inbrünstiges „Ja!“, sind Sie höchstwahrscheinlich introvertiert. Ist die Antwort ein verhaltenes „Ja, schon“, sind Sie eher extrovertiert. Dieses Unterscheidungsmerkmal ist zwar nicht wissenschaftlich anerkannt, aber sehr praktisch.
Beth Buelow, Expertin für introvertierte Unternehmer und Autorin des Buchs The Introvert Entrepreneur2, machte einem Intro-extro-Paar, das gemeinsam eine erfolgreiche Firma führt, einmal folgendes Kompliment: „Sie beide meistern Ihre Partnerschaft gemeinsam.“3 Diese meisterliche Zusammenarbeit ist bezeichnend für viele Partner, die in diesem Buch beschrieben werden. Sie alle versuchen auf unterschiedlichem Weg, gemeinsam gute Resultate zu liefern. Aber auch von den Pannen gegensätzlicher Partnerschaften werden Sie lesen und erfahren, wie Sie diese vermeiden. Nachfolgend finden Sie ein paar Beispiele, welche Probleme aus den Differenzen Introvertierter und Extrovertierter entstehen können. Erkennen Sie einige davon aus Ihrem Arbeits- oder Privatleben wieder?
Das Verdrahten von Gegenpolen verursacht Kurzschlüsse
Menschen, die uns wahnsinnig machen, sehen die Welt oft mit anderen Augen. Diese andere Sichtweise oder auch Eigenschaften, die wir anfangs noch liebenswert finden, werden irgendwann unerträglich. Als mein introvertierter Mann Bill und ich anfingen, miteinander auszugehen, habe ich sein ruhiges, besonnenes Auftreten geliebt. Ein Jahr später dann habe ich mich über seine langen Pausen aufgeregt und gedacht: Warum gibt er mir denn keine Antwort, wenn ich ihn etwas frage? Tatsächlich reagierte er auf dieselbe ruhige Art wie eh und je, nur dass unsere Flitterwochen vorüber waren und ich weniger tolerant ihm gegenüber war. Heute, mehr als vierzig Jahre später, kommen seine Antworten immer noch verzögert, doch glücklicherweise haben mir meine Erkenntnisse über das Verhalten Introvertierter und Extrovertierter geholfen, seine langen Pausen in einem anderen Licht zu sehen. Inzwischen kann ich sein Bedürfnis nachzudenken, bevor er den Mund aufmacht, akzeptieren.
Doch nicht nur die unterschiedlichen Sprechgeschwindigkeiten von Introvertierten und Extrovertierten können schnell zu Konflikten führen. Auch andere natürliche Persönlichkeitsunterschiede stellen eine große Herausforderung dar.
Herausforderung Nr. 1: Einsamkeit vs. Geselligkeit
Introvertierte müssen und wollen für sich sein. Sie bevorzugen ruhige, private Räume und arbeiten an Projekten am liebsten alleine, zu zweit oder in kleinen Gruppen. Extrovertierte können das nicht nachvollziehen und haben oft das Bedürfnis, in diese Einsamkeit einzudringen. Mein Mann Bill, bekannt für seinen eigenwilligen Humor, hat ein großes „Bitte-nicht-stören“-Schild an der Tür hängen, als wäre er noch ein Teenager! Doch Extrovertierte brauchen einen solchen Wink mit dem Zaunpfahl, um zu verstehen, dass es Introvertierten tatsächlich ernst ist, wenn sie sagen, sie möchten alleine sein.
Der Autor Jonathan Rauch erklärt: „Extrovertierte gehen davon aus, dass anderen Menschen Gesellschaft – insbesondere ihre eigene – stets willkommen ist. … Ich habe schon oft versucht, extrovertierten Menschen mein Problem zu erklären, befürchte aber, nicht einer hat es verstanden. Sie hören kurz zu und plappern dann einfach fröhlich weiter.“4
Extrovertierte hingegen leben regelrecht auf, wenn sie unter Menschen sind. Sie lieben es, neue Leute kennenzulernen, und packen ihre Tage so voll wie möglich. Je aktiver sie sind, umso besser fühlen sie sich. Wenn Steve Cohn, ein extrovertierter Fortbildungsexperte, unterwegs ist, isst er abends am liebsten mit Kollegen und hört dabei „sechzehn Gesprächen gleichzeitig“ zu. Eine introvertierte Mitarbeiterin erklärte ihm einmal, nach einem langen Tag im Klassenzimmer sei ihre Energie aufgebraucht und sie müsse sich erholen. Dann ging sie auf ihr Zimmer. Der Abend war gelaufen. Zuerst reagierte Cohn sauer, doch nachdem er noch einmal darüber nachgedacht hatte, meinte er: „Genau das bringe ich den Leuten ja bei [Kommunikationsfähigkeiten]. Ich kann sie verstehen.“
Andere Kollegen, die diese unterschiedlichen Bedürfnisse nicht nachvollziehen können, sind vielleicht nicht ganz so verständnisvoll und nehmen es einem Teammitglied übel, wenn es sich nicht an den abendlichen Vergnügungen beteiligen möchte. Der Wunsch nach Einsamkeit beziehungsweise Geselligkeit, kann auch in der Interaktion mit Kunden schwierig werden. Für Introvertierte ist es eine Herausforderung, wenn sie in Meetings geschickt werden und Kontakte zu Fremden knüpfen sollen. Extrovertierte hingegen sind frustriert, wenn sich Klienten oder Kunden als unkommunikativ erweisen oder gleich zur Sache kommen wollen und ihnen keine Zeit für vertrauensbildenden Small Talk bleibt.
Herausforderung Nr. 2: Durchdenken vs. Aussprechen
Introvertierte brauchen Raum und Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Selbst in alltäglichen Gesprächen wägen sie die Kommentare anderer sorgfältig ab. Bevor Introvertierte antworten, halten sie erst einmal inne und denken nach. Sie wissen, wie sie die Pausen, in denen sich das Gesagte setzt, für sich nutzen können. Extrovertierte werden aber schnell ungeduldig, während sie darauf warten, dass der Introvertierte seine Überlegungen zu Ende bringt. Zudem regt es sie auf, ihrem Gegenüber die Meinung aus der Nase ziehen zu müssen, insbesondere wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Während der introvertierte Partner noch verschiedene Möglichkeiten abwägt, ist der extrovertierte in der Regel längst bereit, weiterzumachen.
Fangen Extrovertierte an zu reden, sind ihre Ideen oft noch unausgegoren, da sie Gedankengänge laut formulieren. Den laufenden Kommentaren Extrovertierter zu folgen, finden Introvertierte ermüdend und verwirrend. Häufig glauben sie, ihr extrovertierter Gesprächspartner ändere seine Meinung, obwohl dieser lediglich einen neuen Gedanken ausarbeitet. Bei Extrovertierten keimen neue Ideen während des Sprechens auf. Die Autorin und Firmenberaterin Emily Axelrod bringt es auf den Punkt: „Dick [ihr Mann und Geschäftspartner] hat es immer genervt, wenn ich laut dachte. Einmal bin ich zu ihm gelaufen und habe vorgeschlagen: ‚Gehen wir doch ins Kino. Wir könnten uns das, das, das oder das anschauen!‘ Als er nur dastand und mich stumm anstarrte, wurde mir plötzlich einiges klar: Jedes Mal, wenn ich ihm aufzählte, was wir alles tun könnten, frustrierte ihn das, weil er dachte, dass wir auch alles tun müssten!“
Herausforderung Nr. 3: Zurückhaltung vs. Offenheit
Introvertierte halten sich mit persönlichen Dingen sehr zurück. Sie teilen sich nur wenigen, ausgesuchten Menschen mit, und das auch erst dann, wenn sie diese sehr gut kennen und sich in ihrer Gegenwart wohlfühlen. Extrovertierte suchen den Kontakt und werden mit ihren Mitmenschen schneller warm. Wenn Extrovertierte Introvertierten zum ersten Mal begegnen, nehmen sie diese häufig als reserviert, unnahbar oder gar feindselig wahr, insbesondere wenn sie sich ihnen nicht schnell genug öffnen. Introvertierte hingegen empfinden die vielen Fragen und die...