Die Medien und das Medienangebot nehmen in unserer Gesellschaft einen immer wichtigeren Stellenwert ein, insbesondere als eine der wichtigsten Freizeitbeschäftigungen. Vor allem in einem digitalen und Informationszeitalter, in dem nach dem Agrar- und Industriezeitalter die zentrale Bedeutung von Informationen und die damit verbundenen Datenverarbeitungen und Wissensbestände eine wichtige Rolle spielen, ist eine ausgeprägte Kompetenz im Bereich der Medien unabdingbar. Eng verbunden ist dieses Verständnis mit der Wissensgesellschaft, einer Gesellschaftsform, in der die Organisation des Zusammenlebens durch individuelles und kollektives Wissen gekennzeichnet ist. Bereits der englische Philosoph Francis Bacon (1561–1626) stellt eindrucksvoll mit seinem geflügelten Wort „Wissen ist Macht“ die Grundpfeiler dieser Formen dar: Es geht darum, sich zu informieren, informiert zu sein, Informationen zu selegieren, auszutauschen, zu bewerten und zu interpretieren, um Entscheidungsprozesse in Gang zu setzen, die die Politik, Wirtschaft und die Umwelt, in der wir leben, betreffen. Begriffe wie „virtueller Marktplatz“, „elektronischer Handel“, „E-Democracy“ und „E-Learning“ verweisen auf den aktuellen Wandel in unserer Gesellschaft und zeigen, wie heute schon politische, wirtschaftliche und bildungsbezogene Prozesse von der digitalen Entwicklung erfasst werden. Über die Abgrenzung von Information und Wissen besteht in der Wissenschaft keine einheitliche Meinung, jedoch ist Bacons Feststellung noch immer aktuell relevant: Nur wer Informationen besitzt und über die Kompetenz verfügt, diese sachgerecht zu erwerben/bewerten, kann als mündiger Bürger an gesellschaftlichen Prozessen beteiligt sein. In diesem Zusammenhang wird von „Medienkompetenz“, insbesondere „digitaler Medienkompetenz“, gesprochen.
Unsicherheit besteht bei Eltern und Pädagogen besonders dann, wenn es darum geht, die möglichen Auswirkungen dieser digitalen Entwicklungen zu beurteilen. Ebenso umstritten sind die möglichen Folgen, insbesondere beim Fernsehkonsum, die bei Kindern und Jugendlichen entstehen. Hierzu gibt es zahlreiche Untersuchungen. Im Alltag von Kindern, Jugendlichen und Erwachsen spielt Fernsehen eine wichtige Rolle. Die Intentionen sind dabei verschieden, beispielsweise sollen Nachrichten und neue Informationen erlangt werden, oder jemand schaut fern, um sich die Zeit zu vertreiben. Ob Fernsehen für die Kinder zu einem Problem wird oder ob sich sogar noch ein positiver Einfluss bescheinigen lässt, hängt von einem multikausalen Kontinuum ab. Einzelne Faktoren können benannt werden, müssen aber immer auf ihren Einfluss hin geprüft werden.
Familien mit sechs- bis 13-jährigen Kindern sind medial folgendermaßen ausgestattet: 100 % besitzen ein Fernsehgerät, 98 % ein Smartphone, einen Internetzugang 98 %, einen Computer 97 %, ein Radio 91 % usw. (vgl. KIM-Studie, 2014, S. 8). Diese Zahlen gehen aus einer Untersuchung mit einer Stichprobenmenge von n = 1 209 Befragten hervor, wobei es sich hierbei um die Haupterziehenden in einer Familie handelt. Unter der Annahme, dass Kindern und Jugendliche dieser entsprechenden Haushalte Zugang zu diesen Medien gewährt wird, stellt sich insbesondere das Fernsehgerät als meistvorhandenes Medium heraus.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird insbesondere das Medium „Fernsehen“ aus der Fülle neuer Medien aufgrund seiner Ausstattungshäufigkeit in den Haushalten wie auch einer weitreichenden geschichtlichen Veränderung, die technologisch neueren Geräten (Mobiltelefonen etc.) nicht abgesprochen werden soll, jedoch nicht im Kontext dieser Arbeit umfassend berücksichtigt werden kann, herausgehoben.
Zunächst sollen hier die theoretischen Grundlagen des Fernsehkonsums kurz dargestellt werden, um zu verstehen, welchen Anforderungen und auch Spezialisierungen diese Form der Medien unterliegt. Um sich mit dem Medium Fernsehen zu beschäftigen, ist es zunächst sinnvoll, die geschichtliche Entwicklung kurz zu skizzieren. Im 19. Jahrhundert entwickelten Ferdinand Braun und Jonathan Zennecke die sogenannte „Braun’sche Röhre“. Hierbei konnten Bildpunkte mit einer elektrostatischen Ablenkplatte auf eine beschichte Glasschreibe projiziert werden. Die Idee des Fernsehens war es, ein audiovisuelles Kommunikationsmittel zu schaffen, das, bildlich gesprochen, das Radio zu Bild werden lassen sollte. Startschuss in Deutschland war der 22. März 1935, es begann das erste öffentliche regelmäßige Fernsehprogramm der Welt. Im Zweiten Weltkrieg erlebte das Fernsehen seine Hochkonjunktur in der Nachrichtentechnik und eignete sich hervorragend als Propagandainstrument. In der Nachkriegszeit war der Fernseher ein Luxusgut und in der breiten Masse der Bevölkerung eine Randerscheinung. In den 60iger-Jahren etablierte sich das Fernsehen durch den Wirtschaftswunderaufschwung zunehmend, besonders zur Fußballweltmeisterschaft wurde es attraktiver. Ab 1984 etablierte sich zum öffentlichen-rechtlichen Rundfunk auch das Privatfernsehen (vgl. Klaus, 2004, S. 26). Jedoch bleibt zu erwähnen, dass die Braun’sche Röhre inzwischen überholt ist, da diese durch HD-fähige Flachbildschirme usw. abgelöst wurde. Wie auch in Druckmedien fehlt es dem Rundfunk und dem Fernsehen an der Möglichkeit, sich mit den Rezipienten abzustimmen. Der Kommunikationsweg ist also einseitig in Richtung Rezipienten ausgerichtet. Die über die Massenmedien verwendete Sprache muss daher von allen verstanden werden können. Vereinfacht ausgedrückt, verwenden Medien unterschiedliche Elemente: Druckmedien greifen als Medium auf Schriftzeichen zurück, diese übermitteln eine Information, während beim Rundfunk auf akustische Eindrücke zurückgegriffen wird. Beim Medium Fernsehen werden diese beiden Elemente verknüpft und mit zusätzlichen bewegten visuellen Bildern versehen (audiovisuelle Sinneswahrnehmung). Hierbei wird „eine zusätzliche Interpretationsebene geschaffen, was in der Regel zur Folge hat, dass Fernsehen leichter und müheloser als andere Medien rezipiert werden kann“ (Plake, 2004, S. 33). Hier stellt sich insbesondere die Frage der Konsistenz der dargebotenen Informationen. Denn bei einer „Überlastung des Rezipienten“ weichen die eingegangenen Informationen auf den sensorischen Kanälen sehr voneinander ab, sodass Verwirrung entsteht. Die Bezeichnung des Fernsehens als Medium deutet darauf hin, dass es sich hierbei um eine technische und soziale Apparatur handelt, die als Bindeglied zwischen dem Sender und dem Empfänger fungiert (vgl. Plake, 2004, S. 35). Durch das einseitige Kommunikationsmuster entsteht eine asymmetrische Situation: Die Mitteilungsrichtung verläuft zum Zeitpunkt der Übertragung in eine Richtung. Dies kann durch indirekte Weise durch Produzenten, Publikum, Telefonanrufe in Liveübertragungen gegebenenfalls beeinflusst werden – so gibt es einen wissenschaftlichen Bereich, der sich mit Zuschauerforschung beschäftigt. Hierbei befassen sich (vor allem in der Werbung) Institute mit der Frage, wie sich der Zuschauer erreichen lässt; dazu sind Daten über Einstellungen, Bedürfnisse, Wünsche sowie das Konsumverhalten notwendig. Die wichtigste Währung im Medienbereich ist die „Sehbeteiligung“ (Plake, 2004, S. 36), diese wird auch Zuschauerquote genannt. An dieser werden das weitere inhaltliche Vorgehen und die finanziellen Mittel ausgerichtet.
Neben den kommunikativen Aspekten des Fernsehkonsums müssen auch die emotionalen Valenzen berücksichtigt werden. Weiß (2001) nennt diese Komponente „Das Fernsehen als Universalapparatur der ideellen Selbstbehauptung“ (Weiß, 2001, S. 178). Fernsehen kann die Lebens-auffassung und -weise einer Person widerspiegeln, indem einzelne Sendungen oder Genres präferiert werden, die einen Teil der Persönlichkeit darstellen, oder einen zur eigenen Identität komplementären Bereich erschließen, der durch geheimes Verlangen oder Wünsche gekennzeichnet ist. Ohne dem Zwang der klassischen Face-to-Face-Kommunikation ausgesetzt zu sein, kann je nach Übereinstimmung und Ablehnung in eine Welt abgetaucht werden, die die Rezipienten dabei unterstützt, durch ihre freie Entscheidung ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sich so, zumindest theoretisch, der Welt gegenüber zu behaupten. Weiß (2001) stellt die Komponente der Präferenz im folgenden Zitat dar:
„Das Subjekt ist als Zuschauer frei, zu Mord und Totschlag, Liebe und Eifersucht, Erfolg und Selbstsicherheit, Angst und Mitgefühl in der je theatralisierten Version eine Stellung einzunehmen. Es kann dabei die gewohnte Form seines moralisierenden Urteilens replizieren, es kann aber auch in gewusster Distanzierung von dem, was in seinem Alltag unangefochten gelten muss, sich gleichsam spielerisch, probend und in dem Sicherheit gebenden Meta-Bewusstsein der Unernsthaftigkeit auf Handlungsmuster einlassen, die es ‚in Wirklichkeit‘ nicht gelten lassen würde“ (Weiß, 2001, S. 180).
Es wird herausgestellt, welchen komplexen kognitiven Anforderungen sich die Rezipientin/der Rezipient gegenübersieht: dem Abstraktionsvermögen. Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, lautet: Inwiefern sind Kinder und Jugendliche in der Lage, sich einem imaginierten Geschehen zu entziehen und nicht involviert zu werden? So besteht die Möglichkeit, sich mit Charakteren und Figuren zu identifizieren bis hin zur Adaption von Verhaltensweisen. Gerade in der eigenen Identitätsbildung und...