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Goethe und der liebe Gott.

Vom Verhältnis des Johann Wolfgang von Goethe zum Christentum, zur Kirche und zur Religion

AutorThomas O. H. Kaiser
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783752810608
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,49 EUR
In dem Buch "Goethe und der liebe Gott" geht es um das "Verhältnis des Johann Wolfgang von Goethe zum Christentum, zur Kirche und zur Religion" (Untertitel). Oft wurde in der Goethe-Forschung behauptet, dass Goethe ein "Heide" gewesen sei. Der Autor ist anderer Meinung: Goethe war ein überzeugter Protestant, der als Kind evangelisch-lutherisch getauft wurde, sich konfirmieren ließ, kirchlich heiratete und schließlich evangelisch beerdigt wurde. Zeit seines Lebens hat sich Goethe mit Religion beschäftigt, ohne jedoch ein systematisches Lehrgebäude hinterlassen zu haben. Allerdings ist sein gesamtes Werk von theologischen und religionsphilosophischen Gedanken durchzogen. In ihm wird erkennbar, dass der bibelfeste Dichterfürst aus Weimar unorthodox, kritisch und auch zweifelnd im Umgang mit Religion war - Eigenschaften, die zum evangelischen Glauben dazugehören.

Dr. theol. Thomas O. H. Kaiser, geb. Müller, Dipl. Theol. (Jg. 1963) ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Klettgau/Baden.

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Leseprobe

Vorwort


Zu Johann Wolfgang Goethe komme ich, ehrlich gesagt, wie die Jungfrau zum Kinde. Wenn ich näher darüber nachdenke, dann hatte mich der deutsche Dichterfürst in meiner Schulzeit und auch Jahre danach eher nur marginal interessiert. Natürlich hatte ich Goethes `Faust´2, jenes große Drama über die Verführbarkeit des Menschen, das Goethe sein ganzes Leben lang beschäftigte und zu dem meistzitierten Werk der deutschen Literatur wurde, in der Schule gelesen, und ich hatte auch die legendäre Verfilmung der Gründgens-Aufführung3 angesehen, die mich völlig fasziniert hatte. Ich hatte sogar später, in meinen 30er-Jahren, einen Zugang zu `Faust II´4 gefunden! Aber für die ganze Zeit, für die Jugend wie fürs fortgeschrittene Alter, galt: Der arme Poet Heinrich Heine5 stand mir einfach geistig näher als der gesetzte, in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen lebende Geheime Rat aus Hessen bzw. Thüringen. Der scharfzüngige Analytiker der Zustände seiner Zeit, aus dem quirligen Düsseldorf stammend und später im Exil in Frankreich lebend, sagte mir nicht nur wegen seiner espritvollen Werke, sondern auch im Blick auf seine gedankliche Verbindung von Geistesfreiheit und Protestantismus6 mehr zu als der behäbig-behagliche „kluge Kunstgreis“7 aus dem beschaulichen Weimar, der zum Synonym für deutsche Dichtkunst wurde. Trotz aller Genialität, die Goethe besaß und die auch schließlich mich beeindruckte, war er für mich in jungen Jahren weniger attraktiv als der Pariser Dichter der `Loreley8, der „hier auf Erden schon/Das Himmelreich errichten“9 und den Himmel lieber „den Engeln und den Spatzen“10 überlassen wollte. Zuviel Widersprüchliches hatte ich über Goethe erfahren: Wie konnte er einerseits das Gedicht `Edel sei der Mensch, hilfreich und gut´11, das Bekenntnis für den Humanismus, schreiben und andererseits gleichzeitig gegen die Demokratie sein und für die Todesstrafe plädieren?12 Befremdlich an Goethe war außerdem, dass dessen alter Freund Johann Gottfried Herder13 den Umsturz im Frankreich des Louis XVI.14 begrüßt hatte, Goethe selbst aber die Französische Revolution als Aufstand des Plebejischen und des Gemeinen, u. a. wegen der vielen Gräuel15, abgelehnt und Sympathien für den von ihm als kongenial erachteten Napoleon Bonaparte16, den Kaiser der Franzosen, als Bändiger der von ihm verachteten Revolutionäre gehegt hatte.17 Während Goethe, der Dichter, Humanität und Toleranz predigte, schien gleichzeitig Goethe, der Politiker, so hatte ich den Eindruck, ein Mann von Law and Order, gewissermaßen der John Wayne18 von Weimar, zu sein19, der in der längst nicht so wie immer behauptet aufgeklärt-liberalen Stadt gnadenlos seine Maxime durchsetzte.20

Meine Einstellung zu Goethe änderte sich ein wenig, nachdem ich aufgefordert worden war, in Waldshut-Tiengen die `Goethe-Gesellschaft Hochrhein e. V.´21 mit zu gründen. Im Rahmen einer von mir initiierten Goethe-Woche in der Evangelischen Kirchengemeinde Kadelburg anlässlich des 250. Geburtstags des Dichters22, die unter dem Titel „Goethe macht Spaß“23 stand und ein Versuch war, evangelischen Christinnen und Christen Goethes Werk nahezubringen und die Kirche für die Kultur zu öffnen, war „spaßeshalber“24 die Gründung einer Goethe-Gesellschaft ins Gespräch gebracht worden, zu der es dann ein Jahr später schließlich kam. Im Zuge dieser ehrenamtlichen Vereinstätigkeit wurde ich nun gewissermaßen gezwungen, mich intensiver als bisher mit Goethes Leben und Werk zu beschäftigen.25 Ich erkannte, wie viele historische Voraussetzungen aus Goethes Zeit für die Gegenwart bestimmend waren und wie viel geistige Verwandtschaft zwischen den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen um 1800 und uns noch heute besteht – trotz der widrigen Alltagsumstände, unter denen damals gelebt wurde (eine militarisierte und hierarchische Gesellschaft, Druck durch gesellschaftliche Zwänge, keine Elektrizität und statt dessen Beleuchtung durch Kerzen, keine Kanalisation, eine mangelhafte Infrastruktur, beschwerliche Fortbewegung mittels Pferden und Kutschen, Schreiben mit Feder und Tinte, unterschiedliche Währungen, Wechselkurse und Zölle innerhalb Deutschlands, mangelnde sanitäre Verhältnisse, die selbstverständliche Akzeptanz von Kinder- und Sklavenarbeit, eine fehlende moderne Technologie usw.), und trotz einer im Vergleich zu heute anderen und unübersichtlichen politischen, rechtlichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Gesamtsituation im damals zerstückelten Deutschland.26 Ich lernte, dass Goethes Texte aus Zeiten von Sturm und Drang und aus Zeiten der Weimarer Klassik und die seiner romantischen und aufgeklärten Mitstreiterinnen und Mitstreiter auch nach über zweihundert Jahren unmittelbar ansprechend waren. Einige Jahre übte ich das Amt des zweiten Vorstands der Goethe-Gesellschaft Hochrhein mit Sitz in Waldshut-Tiengen aus.27

Im Frühling 2016 hatte ich die Gelegenheit, zum ersten Mal Weimar zu besuchen, und war begeistert! Hatten doch alle wichtigen historischen Stätten in der kleinen Stadt an der Ilm – u. a. das Goethe- und Schillerhaus, Goethes Gartenhaus, das Stadtschloss, die Stadtkirche mit Herderhaus und Altem Gymnasium und die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek28, ein Prunkstück des Rokoko – den real existierenden Sozialismus und das korrupte DDR-Regime offensichtlich unbeschadet überstanden und waren nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten auf den Stand einer modernen Museumspädagogik gebracht worden.29 Wie viele andere war ich an diesen traditionsreichen Wallfahrtsort des Geistes, heute ein Zentrum der Goethe-Pflege und -Forschung, gepilgert, um den genius loci jenes Ortes, der zu Goethes Zeiten, als das Land in viele Kleinstaaten zersplittert war und noch keine Hauptstadt hatte, sondern es nur den großherzoglichen Hof gab, zu der literarischen Hauptstadt Deutschlands und zur Hauptstadt der deutschen Klassik wurde, zu spüren.30 Bis heute vermitteln die Stätten einen authentischen Eindruck der klassizistischen Zeit, in der u. a. die Geistesriesen Johann Wolfgang von Goethe31, Friedrich von Schiller32 und Christoph Martin Wieland33 lebten. Die Massen an Touristinnen und Touristen gesetzteren Alters und – da Semesterferien – der Mangel an jungen Leuten, die auch immer für Aufbruch und Modernität stehen, schmälerten meinen ersten Besuch in der vielleicht berühmtesten deutschen Kleinstadt keineswegs!

Nicht zuletzt brachte es mich zum Nachdenken, an jenem Ort zu sein, der einst der ersten Demokratie auf deutschem Boden ihren Namen gab: Die Deutsche Nationalversammlung hatte 1919 in Weimar getagt und im Deutschen Nationaltheater am 31. Juli 1919 die erste demokratische Verfassung Deutschlands, die Weimarer Verfassung, ohne Könige und Kaiser von Gottes Gnaden, verabschiedet. Das Ende dieser ersten Demokratie in Deutschland ist bekannt: Eine Besichtigung der KZ Gedenkstätte Buchenwald, nur acht Kilometer entfernt, die an die von den Nazis verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnert und die dunklen Seiten der Aufklärung widerspiegelt, habe ich mir allerdings für einen späteren Besuch aufgespart.

Ich danke allen, die mich an Goethes großes und großartiges Werk näher herangeführt haben, allen voran Dr. Horst Lickert aus Waldshut-Tiengen. Der für die Ökumene aufgeschlossene langjährige Leiter des Bildungswerkes der Erzdiözese Freiburg mit Sitz in Waldshut, mit dem ich viele Jahre in der Erwachsenenbildung zusammengearbeitet habe, ist ein ausgewiesener Goethe-Kenner und meines Wissens der Erste, der als Angehöriger der römisch-katholischen Konfession an der reformierten theologischen Fakultät der Universität Zürich zum Thema Goethe promoviert hat. Inzwischen im Ruhestand lebend, hat mich Horst Lickert vor vielen Jahren an seinen Forschungen und Aktivitäten zu Goethe gedanklich teilhaben lassen. Einige Erkenntnisse seiner wissenschaftlichen Untersuchung sind in dieses Buch mit eingeflossen.34

Herzlichen Dank an Barbara Dammenhayn-Scott, die das Manuskript in bewährter Weise Korrektur gelesen hat.

Ruth Rüttinger aus Dogern danke ich vielmals für das Bild „Goethe“, das die Titelseite dieses Buches ziert.

Christoph Jacobi aus Küssaberg-Dangstetten danke ich für so manchen Gedankenaustausch in den vergangenen Jahren, sei es zu Hermann Hesse, zu Thomas Mann oder zu Johann Wolfgang von Goethe, zur Musik und zur Literatur im Allgemeinen sowie, last but not least, zu seinem Urahnen Friedrich Heinrich Jacobi im Besonderen.

Gewidmet ist dieses Buch meinem Sohn Balthasar Kaiser. Er gehört...

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