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Grenzen der staatlichen Verschuldung in Niedrigeinkommensländern am Beispiel der Heavily Indebted Poor Countries

Entwicklungen, Rolle des IWFs und Reformoptionen

AutorLena Sawilla
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl58 Seiten
ISBN9783656917595
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich VWL - Makroökonomie, allgemein, Note: 1,3, Bergische Universität Wuppertal, Sprache: Deutsch, Abstract: Für viel Kritik sorgt die Definition der tragfähigen Verschuldung in IWFs Mechanismen zur Lösung und Prävention der Schuldenkrise, die wachsende Rolle von inländischen Kreditmitteln kaum beachtet oder indikative Schwellenwerte teilweise zu hoch oder auch willkürlich festlegt. Eine der Hauptziele des Rahmenwerks für Schuldenbegrenzung ist, eine tragfähige Verschuldung zu gewährleisten, beachtet aber in seinen Konzessionalitätsanforderungen die gesamte Höhe der staatlichen Verschuldung nicht und richtet den Fokus stattdessen auf deren Zusammensetzung. Ziel dieser Arbeit ist nicht, Kritik an IWFs aktueller Rolle in Niedrigeinkommensländern auszuüben, sondern dessen Instrumente für Krisenlösung und -Prävention genauer unter die Lupe zu nehmen und Lösungsvorschläge zu präsentieren, die teilweise als Ausgleich zu Schwachpunkten der IWF Instrumente dienen sollen. Intention dieser Arbeit ist mit Hilfe von Daumregeln Grenzbereiche für Niedrigeinkommensländer zu ermitteln, von der ab die tragfähige Höhe der staatlichen Verschuldung erreicht oder überschritten ist, die sich aber kaum quantifizieren lassen.

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Leseprobe

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER STAATLICHEN VERSCHULDUNG


 

2.1. Zusammensetzung der staatlichen Verschuldung


 

IWF klassifiziert Verschuldung nach staatlichen, staatlich garantierten und privaten Schuldenverpflichtungen (siehe. Bangura et al. 2000, 11f). Staatliche Verschuldung lässt sich weiter zwischen Auslands- und Inlandsverschuldung (wird in der Literatur meist als explizite und implizite Schulden bezeichnet) unterscheiden (siehe Beck und Prinz 2013, 9, Hellner 1996, 21, Sachverständigenrat 2007, 2). Staatliche Auslandsverschuldung stellt die gesamten Schuldverpflichtungen eines Staates gegenüber ausländischen staatlichen Gläubigern dar (Reinhart und Rogoff 2009, 55). „Die Gläubiger bestimmen oft sämtliche Bedingungen des Schuldenvertrages, der normalerweise der Gerichtsbarkeit der ausländischen Gläubiger oder internationalen Gesetzen unterliegt“ (Reinhart und Rogoff 2009, 55). Staatliche Inlandsverschuldung sind hingegen „alle Schuldenverpflichtungen einer Regierung, die unter nationaler Rechtsprechung des Schuldnerlandes eingegangen wurden und ihr unterliegen, unabhängig von der Nationalität des Gläubigers“ (Reinhart und Rogoff 2009, 56). Salopp ausgedrückt sind staatliche Inlandsschulden „Gelder, die das Land sich selber schuldet“ (Reinhart und Rogoff 2009, 121). Aus der Zusammensetzung der staatlichen Auslands- und Inlandsverschuldung ergibt sich die staatliche Gesamtverschuldung (siehe Reinhart und Rogoff 2009, 55).

 

Ein plausibles Urteil über die Grenzen der staatlichen Verschuldung ist erst dann möglich, wenn man sowohl Inlands- als auch Auslandsverschuldung in Betrachtung zieht. In der Literatur herrschen einige Vorbehalte gegenüber staatlicher Inlandsverschuldung, die teilweise unberechtigt sind (siehe Reinhart und Rogoff, 2009) Staatliche Inlandsverschuldung wird häufig als unwichtig abgetan, weil davon ausgegangen wird, dass es für staatliche Inlandsverschuldung keine Grenze gibt, weil man diese sich selber schuldet, sodass dadurch niemand reicher oder ärmer wird (Wittmann 2010, 70, siehe Reinhart und Rogoff 2009, 61). Staatliche Inlandsverschuldung gilt als weniger problematisch, u.a. auch deswegen, weil die Rückzahlung von inländischen Mitteln als deutlich einfacher angesehen wird. Dies wird dadurch begründet, dass diese Schulden in inländischer Währung aufgenommen werden und in der Zukunft durch Steuererhebung leicht zurückgezahlt werden können (Beck und Prinz 2013, 9). Einige Ökonomen sehen diese Einstellung als „radikale Fehleinschätzung“, weil eine Inlandsverschuldung sowohl eine intra- als auch intergenerativen Lastverteilung zwischen verschiedenen Einkommensgruppen und Generationen verursacht (Wittmann 2010, 70, siehe auch Reinhart und Rogoff 2009). Staatliche Inlandsverschuldung ist häufig teurer mit kürzeren Laufzeiten (IMF und Worldbank 2012, 12), was dementsprechend Refinanazierungs- und Zinsänderungsrisiken erhöht (IMF und Worldbank 2012, 14). Als weiteres kann eine staatliche Inlandsverschuldung inländische Konsum- oder Investitionsnachfrage verdrängen, was mit wachstumshemmenden Auswirkungen verbunden ist und Anreize für finanzielle Repression setzen kann (IMF und Worldbank 2012, 12).

 

Ein Grund, wieso staatliche Inlandsverschuldung deutlich weniger präsent ist als staatliche Auslandsverschuldung könnte der Tatsache gelten, dass Informationsbeschaffung über Inlandsstaatsschulden sehr schwierig ist (Reinhart und Rogoff 94f). Forscher und Ökonomen, die sich mit „Schwierigkeiten“ der Schwellen- und Entwicklungsländer beschäftigen, lassen Inlandsschulden ebenfalls außer Acht weil angenommen wird, dass niemand „freiwillig einer skrupellosen Regierung“ Kredite gewähren würde (Reinhart und Rogoff 2009, 214). Begründet wird diese Annahme durch fehlendes Vertrauen in diese skrupellose Regierung, die nicht „der Versuchung widersteht, diese Schulden auf null zu inflationieren“ (Reinhart und Rogoff 2009, 214).

 

Auslandsverschuldung wird überwiegend als viel gefährlicher betrachtet, weil Gläubiger der staatlichen Auslandsverschuldung ihre Profitansprüche geltend machen können (Sachverständigenrat 2007, 2). Staatliche Auslandsverschuldung wird für Entwicklungsländer noch problematischer, weil sie sich meistens in ausländischer Währung verschulden müssen. Wenn ein Staat seine ausländischen Kredite in ausländischer Währung aufnimmt, kann es zukünftig schwierig sein, diese z.B. durch inländische Steuererhöhung zu finanzieren (vgl. Beck und Prinz 2013, 9). Wenn ein Staat nicht über genügend Devisen verfügt, um seine ausländischen Schulden zu bedienen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er in Zahlungsverzug gerät (Beck und Prinz, 2013, 9). Ein weiteres Indiz für den verstärkten Fokus auf Auslandsverschuldung liegt darin, dass seit den 1980er Jahren viele Entwicklungs-, u.a. Niedrigeinkommensländer, unter erheblichen Auslandsverschuldungsproblemen leiden mussten. Dass in Entwicklungsländern ein Zahlungsverzug sogar bei geringem Anteil der staatlichen Auslandsverschuldung eintreten kann (Reinhart und Rogoff 2009, 194f), mag die kritische Haltung gegenüber der staatlichen Auslandsverschuldung rechtfertigen, sollte aber nicht als Grund zur Vernachlässigung von staatlicher Inlandsverschuldung dienen.

 

2.2. Indikatoren zur Messung der staatlichen Verschuldung


 

In Theorie und Praxis lässt sich eine breite Palette von Indikatoren finden, die zur Messung der staatlichen Verschuldung dienen. INTOSAI unterscheidet Indikatoren zur Messung der staatlichen Verschuldung in drei Gruppen, und zwar Vulnerabilität-, Nachhaltigkeits- und Finanzindikatoren (INTOSAI 2010, 5).

 

Angesichts der Tatsache, dass Entwicklungsländer stark von der Auslandsfinanzierung und dem Verhalten der ausländischen Investoren abhängig sind, hat der IWF seinen Fokus stark auf die Vulnerabilitätsanalyse gerichtet (siehe International Standards for Supreme Audit Institutions 2010, 7). Vulnerabilitätsindikatoren sind eher „statischer Natur“ und dienen zur Risikomessung in aktueller Situation, um Überschuldung zu vermeiden, liefern aber „keine Skizzierung der mittelfristigen Perspektive“ (INTOSAI 2010, 5). Vulnerabilitätsindikatoren sollten sowohl den öffentlichen als auch privaten Sektor und Finanzsektor umfassen (INTOSAI 2010, 7). Wenn die Staatswirtschaft durch einen der oben genannten Sektoren belastet ist, kann dies alle restlichen Sektoren ebenfalls beeinflussen (INTOSAI 2010, 7). Für diese Arbeit sind folgende Vulnerabilitätsindikatoren des öffentlichen Sektors relevant, die in IWFs Rahmenwerk für Schuldentragfähigkeit eine entscheidende Rolle spielen: Gegenwartswert (Present Value) der staatlichen Nettoverschuldung im Verhältnis zu den Exporterlösen, dem BIP und den Staatseinnahmen sowie jährliche Schuldendienstleistung im Verhältnis zu den Exporterlösen und Staatseinnahmen. Konzessionäre Kredite zählen zu den wichtigsten Finanzierungsquellen in Niedrigeinkommensländern, wodurch die Nutzung von Gegenwartswerten begründet wird. Die Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den Exporten zählt zu den wichtigsten Indikatoren im Rahmen der HIPC-Initiative. Dieser Indikator dient zur Messung der „Auslandsverschuldung als Anteil der Exporte von Waren und Leistungen“ und „vergleicht die Schuldenlast mit den Exporten oder der Fähigkeit, Devisen zu erwerben“ (INTOSAI 2010, 11). Anhand dieser sogenannten „external debt-burden“ Indikatoren beurteilt IWF die Schuldentragfähigkeit der Niedrigeinkommensländer (IMF 2013b, 1). Indem auf diese Schuldenindikatoren drei unterschiedliche indikative Schwellenwerte, die in Abhängigkeit der politischen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Niedrigeinkommensländer, zugewiesen wird, erfüllen diese Schuldenindikatoren die Funktion eines sogenannten „early warning systems“ (Frühwarnsystem) für das potenzielle Risiko einer Überschuldung mit dem Ziel, dieser Überschuldung rechtzeitig vorbeugen zu können (IMF 2013b, 1).

 

2.3. Leistungsbilanzdefizit und Auswirkungen der Auslandsverschuldung


 

Wenn Importausgaben die Exporterlöse übersteigen entsteht eine Finanzierungslücke bzw. ein Leistungsbilanzdefizit, die durch Nettoauslandsverschuldung, die dem entstandenen Defizitbetrag entspricht, gedeckt werden muss (Krugman und Obstfeld 2006, 374, iehe Welfens 2009, 462). Dabei bezeichnet man die Differenz zwischen Exporterlösen und Importausgaben als Außenbeitrag in inländischer Währung (Welfens 2009, 462). Aus der Addition des Außenbeitrags und dem „Saldo der einseitigen Übertragungen“ ohne Gegenleistung, zu der u.a. „internationale Erbschaften, Beitragszahlungen“ zählen, ergibt sich die „Leistungsbilanz in Auslandswährung“ (Welfens 2009, 462).

 

Leistungsbilanzdefizit und Deficit Spending stellen theoretisch keine Gefahr für eine Volkswirtschaft dar, solange Kreditmittel zur Finanzierung von produktiven Investitionstätigkeiten verwendet werden (Krugman und Obstfeld 2006, 628). Aber in der Praxis kann das entstandene Leistungsbilanzdefizit zu hohen inländischen Konsum wiedergeben, das weiterhin durch neue ausländische Kreditmittel finanziert werden muss (Krugman und Obstfeld 2006, 628). Oder auch wenn die ausländischen Kreditmittel eine investive Verwendung darstellen, können diese Investitionstätigkeiten an schlechte Planung und Umsetzung sowie an zu „optimistischen Erwartungen“ im Bezug auf...

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