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Heiliger Krieg und Frohe Botschaft

Islam und Christentum: der große Gegensatz

AutorWilfried Westphal
VerlagLindenbaum Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783938176665
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Politische Umbrüche in der arabischen Welt, Terror und Krieg im Namen Allahs, Flüchtlingsströme, die die Identität Deutschlands und Europas gefährden: Der Islam ist auf dem Vormarsch und beeinflusst in zunehmendem Maße auch unser gesellschaftliches Leben. Gleichzeitig entfernen wir uns immer mehr vom Christentum und den christlich geprägten Werten des Abendlandes. Nicht wenige sehen in der christlichen Lehre und Missionierung die Ursachen für den westlichen Kolonialismus und die Ausbeutung der Dritten Welt. Dabei wird übersehen, dass es einen grundlegenden Unterschied gibt zwischen den beiden monotheistischen Religionen, der sich bereits in der frühen Geschichte von Christentum und Islam zeigte: Während das Christentum in den Anfängen auf friedliche Überzeugung und Glaubensbekundung setzte, war der Islam schon zu Zeiten Mohammeds eine expansive, aggressive und kriegerische Heilslehre, die bedingungslose Unterwerfung forderte. Die Ursachen dieses großen Gegensatzes, der das Christentum und den Islam bis heute als miteinander unvereinbare und auch grundsätzlich unversöhnliche Religionen erscheinen läßt, liegen in ihren Anfängen. Ihrer ideengeschichtlichen Analyse dient dieses Werk.

Der Autor ist promovierter Völkerkundler, wiederholt war er in der Entwicklungshilfe und als Dozent tätig. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller und Publizist.

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Leseprobe

Auf heiligem Boden


Es war an einem Sonntag. Für diesen Tag hatte ich mir eine besondere Sehenswürdigkeit aufgehoben. Ich wußte freilich nicht, ob meine Erwartungen erfüllt werden würden. Aber allein schon der Weg stimmte mich auf ein besonderes Erlebnis ein. Denn er führte aus der Stadt heraus, vorbei an einem Hügel, auf dem – wie ich wußte – eine Kirche, eine Kathedrale, thronte. Man hatte sie nach dem heiligen Ludwig benannt, jenem französischen König, der das Kreuz genommen hatte und an diesem Ort, wo einst ein weiterer Heiliger, der Kirchenvater Augustinus gewirkt hatte, zu Tode gekommen war. Die Pest hatte den König hinweggerafft. Das war im Jahre 1270 gewesen.

Der Weg führte weiter, in eine unbewohnte Gegend. Bäume und Gestrüpp säumten den Weg; die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel herab. Der Boden war ausgedörrt und das Blätterwerk welk. Die Hitze der Tropen lastete auf der Landschaft, die verlassen und seltsam feierlich wirkte. Dabei war dies schon seit langer Zeit kein christliches Land mehr. Das Kloster, das einst zu der Kirche auf dem Hügel gehört hatte, war heute ein Museum.

Ich überquerte eine Straße und fand mich plötzlich von einem Hain umgeben. Dies, so hatte ich dem Reiseführer entnommen, war das Ziel meines Ausfluges. Vor mir öffnete sich eine schluchtartige Vertiefung. Als ich nähertrat, erkannte ich die Konturen einer Arena, eines Theaters, einer jener gewaltigen Anlagen, die einst das Wahrzeichen einer römischen Stadt gewesen waren. Die Anlage war stark beschädigt; die Ruinen der Antike, die sich in dieser Gegend häuften, hatten als willkommene Steinbrüche herhalten müssen. Die arabischen Eroberer hatten sich freimütig bedient.

Ich kletterte über Geröll in die Arena hinab und stand schließlich am Grund, wo ich Verliese und Gelasse gewahrte, die unverkennbar darauf verwiesen, was die eigentliche Bedeutung dieser Arena gewesen war. Ich schaute empor auf die Ränge, die Reihen von Steinblöcken, die noch erhalten waren, und vergegenwärtigte mir, daß hier einst 50 000 Schaulustige Platz gefunden hatten. Darüber hatte mich der Reiseführer aufgeklärt. Was er verschwiegen hatte, erahnte ich nur, erschaudernd und betroffen. Ich verweilte einen Augenblick, in Gedanken versunken, und obwohl Stille mich umgab – ich war, ein Glück, das einem eher selten widerfährt, der einzige Besucher –, vermeinte ich Stimmen zu hören. Gebrüll und Fauchen. Dann, Schreie der Angst und des Schrekkens, und das Gejohle der Menge.

Ich kletterte zum hinteren Rand der Arena hinauf, fand einen Platz, unter einem Baum, wo ich mich setzte und den Blick über das Amphitheater schweifen ließ. In solchen Theatern hatten einst Kampfspiele stattgefunden, waren Gladiatoren aufgetreten und wilde Tiere auf Menschen losgelassen worden. Zur Belustigung des Volkes.

Ich differenzierte nicht. Wenigstens dachte ich nicht unbedingt an Christen. Jene, die den Verfolgungen zum Opfer fielen. Ich erahnte es aber wohl doch, was ich dann später herausfand. An diesem Ort waren unzählige Christen gestorben. Besonders von einer jungen Frau wird berichtet. Perpetua war ihr Name. Sie entstammte einer aristokratischen Familie. Gegen den Willen ihres Vaters – wie auch ihres Ehemannes – bekannte sie sich zur neuen Lehre, die da von einem Heiland kündete, der die Welt erlösen würde. Sie wurde aufgegriffen und zusammen mit ihrem Söhnchen, das sie noch nährte, in die Arena getrieben, wie auch andere, die sich zu dem neuen Glauben bekannten, und dort erlitten alle einen gewaltsamen Tod. Perpetua wurde den Huftritten einer Kuh ausgesetzt, ehe man ihr einen tödlichen Stoß versetzte. Es war das Jahr 203 nach der Zeitenwende.

Noch in Gedanken versunken, trat ich schließlich den Rückweg an. Nach Karthago, das heute freilich „Carthage“ heißt. Denn inzwischen ist die Geschichte über diesen Ort hinweggegangen; Carthage ist heute ein Vorort von Tunis, berühmt zwar wegen seiner Ruinen, die vor allem aus römischer Zeit stammen, bis vor kurzem auch geschätzt als ein Refugium der Wohlhabenden und Mächtigen, die hier ihre Villen errichtet hatten, aber Karthago als eigenständige Stadt existiert nicht mehr. Es hat seine historische Bedeutung verloren.

Tunis ist an die Stelle Karthagos getreten und heute die Hauptstadt eines Landes, das zur islamischen Welt gehört. Die Altstadt von Tunis ist orientalisch geprägt, mit Moscheen, winkligen Gassen, den Souks, und vergitterten Fenstern, die an die Geschichten von „Tausendundeiner Nacht“ erinnern. Auch ein Sklavenmarkt ist zu besichtigen; wenigstens wird einem der Ort, wo einst Sklaven zum Kauf angeboten wurden, begierig gezeigt. Touristen lassen für so etwas besonders viel springen.

Es gibt auch in Tunis, in der Altstadt, ruhige, beschauliche Winkel, und wenn man das Glück hat, sie allein und ungestört zu durchwandern, dann findet man auch hier eine Welt, die den Betrachter verzaubert und in ferne Zeiten entführt. Und er erkennt auch hier, daß die Religion alles durchdringt, eine magische Kraft von ihr ausgeht, der man sich nur schwer entziehen kann. Denn sie manifestiert sich in allem, in jedem Lebensbereich, durchdringt die Kunst und den Alltag, in einer Weise, wie es einst auch das Christentum tat. Man fragt sich, wenn man das Geschaute und Erlebte zu ordnen versucht, was tatsächlich das Wesen dieser beiden Religionen ist, die sich immer wieder eng berührten und doch ihre eigenen, oft einander feindlich gesinnten Wege gingen. Geht man zu den Anfängen zurück, so zeigt sich zum einen das Verbindende, zum anderen aber auch der große Unterschied, der das Christentum und den Islam voneinander trennt. Jede der beiden Religionen für sich hat man bis in alle Einzelheiten erforscht. Sie jedoch gemeinsam zu betrachten, die Mühe macht man sich nicht. Christliche Theologie und Islamwissenschaft sind ein Paar verschiedener Schuhe; die einen kümmert nicht, was die anderen treiben und umgekehrt. Also redet man aneinander vorbei und leistet Mißverständnis und Antagonismus Vorschub. Dabei liegt es auf der Hand, sich einmal Gedanken zu machen, was die beiden großen Religionen – mit 2,2 beziehungsweise 1,3 Milliarden Anhängern stellen Christentum und Islam die beiden größten Religionen dar – gemein haben, aber auch trennt. Gemein ist ihnen ihre Herkunft, womit nicht nur ein geographischer Ort, der Orient, gemeint ist. Das Trennende wird gern übersehen, denn es betrifft etwas Essentielles: nicht nur die Botschaft, den Kern der Religion, sondern auch ihre Entstehung und Verbreitung. Das Christentum, immerhin in einer Pionierfunktion, ist seinem Wesen nach eine missionarische Religion. Der Islam ist in seinen Grundzügen imperialistisch ausgerichtet. Ohne die Eroberungen, die im Zeichen des Islam erfolgten, hätte der Islam nicht die Bedeutung erlangt, die ihm schließlich zuteil wurde. Der nomadische Charakter der Araber bedingte eine militante Expansion, die ebenso auf Beute wie auf die Verbreitung des Glaubens angelegt war. Wobei der Glaube – entgegen dem, was man gemeinhin als gesichert ansieht – durchaus nicht immer im Vordergrund stand.

Das war im Christentum gänzlich anders. Die Lehre, die Jesus verkündet hatte, wurde auf friedlichem Wege verbreitet. Ja, um des Glaubens willen wurden Christen zu Märtyrern. Vibia Perpetua, jene junge Karthagerin, die für ihren Glauben in den Tod ging, ist nur ein, wenn auch ein herausragendes Beispiel für die Bereitschaft der frühen Christen, ohne selbst die Hand zu erheben, Gewalt über sich ergehen zu lassen, um ihre innere Überzeugung nicht aufkündigen zu müssen. Ein vergleichbares Phänomen hat es im Islam nicht gegeben. Muslime starben für ihren Glauben, aber immer mit dem Schwert in der Hand. Als Eroberer oder – als die Christen, um der neuen Herausforderung zu begegnen, sich zur Wehr setzten – als Verteidiger eroberten Landes, das ihnen rechtmäßig gar nicht zustand. Wie in Spanien, aber auch in all den anderen Weltgegenden, bis hin nach Indien, die die Muslime mit Waffengewalt unter ihre Herrschaft gebracht hatten.

Entstehung und Ausbreitung der beiden Religionen, Christentum und Islam, gilt es zunächst zu untersuchen. Darauf folgt eine nähere Betrachtung von Botschaft und Wirkung. Schließlich wird darauf einzugehen sein, wie ein Wandel in der Ausrichtung der Religionen eintrat; hier, im Christentum, zur Militanz, dort, im Islam, zu einem eher defensiven Charakter. Auch wenn die Türken noch im 16. Jahrhundert vor Wien erschienen. Die Kreuzzüge stehen für das Ende einer Ära, die durch das Aufkommen und die Etablierung zweier Religionen gekennzeichnet ist, die ein Jahrtausend lang die Geschichte in einem Kerngebiet der Welt, das immerhin – neben Europa – auch große Teile Asiens und Afrikas umfaßte, geprägt haben. Für die Gegenwart hat eine Klärung der Vergangenheit immer dann Sinn, wenn Probleme, die anstehen, durch einen Blick zurück schärfere Konturen gewinnen. „Dschihad“, der Kampfruf der Muslime, ist – wie man weiß – auch heute wieder aktuell, und die einzigen Märtyrer,...

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