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Himmel, Hölle, Paradies

Jenseitswelten von der Antike bis heute

AutorBernhard Lang
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783406742422
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Die Hoffnung auf den Himmel und die Angst vor der Hölle sind mächtige Triebfedern der Weltgeschichte. Bernhard Lang beschreibt anschaulich, wie sich Griechen und Römer, Juden, Christen und Muslime die jenseitigen Welten ausgemalt haben, welche Götter, Menschen, Engel, Dämonen und Teufel sie bevölkern und wie das Leben im Diesseits die Bilder vom Jenseits bestimmt hat. Die naturwissenschaftliche Kritik hat den Jenseitsglauben zurückgedrängt, doch die Sehnsucht, einen geliebten Menschen in einer anderen Welt wiederzusehen, ist weiter lebendig.

Bernhard Lang lehrte als Professor für Altes Testament und Religionswissenschaft an den Universitäten Tübingen, Paderborn, Paris IV und St. Andrews.

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Leseprobe

I Antike:
Vom innerweltlichen zum außerweltlichen Jenseits


Die Antike ist nach üblichem Sprachgebrauch die den Mittelmeerraum beherrschende griechische und römische Kultur von etwa 800 v. Chr. bis 600 n. Chr. Aus der Antike stammt die anschauliche Dreigliederung der Welt: irdische Welt der Menschen, unterirdische Welt der Toten, überirdische Welt der Götter. Der unterirdische Bereich, im Innern der Erde lokalisiert, wird in vielen antiken Zeugnissen als eine bunte Welt mit Totenrichtern, Gefängnissen für göttliche und menschliche Verbrecher sowie angenehmen Gefilden der Seligen geschildert. Die überirdische Welt, beginnend auf hohen Gebirgen mit Fortsetzung bis zu Mond, Sonne und den Gestirnen, bietet nicht nur den Göttern einen Lebensraum, sondern auch jenen Menschen, die ein vorbildliches Leben geführt haben.

Unser Wissen über Jenseitswelten und Jenseitsschicksale beruht auf den Ausführungen antiker Autoren, ergänzt durch bildliche Darstellungen. Daher wird im Folgenden nicht einfach vom Hades oder vom Totengericht die Rede sein; vielmehr werden antike Zeugnisse angeführt, die darüber Aufschluss geben. Berichtet wird in dreierlei Gestalt: in Form des literarisch gestalteten Mythos – ein antiker Schriftsteller wie Hesiod greift aus zumeist volkstümlicher, mündlich umlaufender Erzählung einen Stoff auf und gibt ihn in eigener Gestaltung wieder; in Form des philosophisch reflektierten Mythos – ein Philosoph wie Platon bedient sich eines mythischen Stoffes zur Erkundung schwer fassbarer Wirklichkeit; und in Form von Kritik – ein Philosoph wie Lukrez verurteilt bestimmte Jenseitsvorstellungen als unsinnig, unwahr und schädlich.

1 Tartaros, Limbus und Elysium


Grundlegend für den antiken Mythos ist die anschauliche Gliederung des Jenseits in einen Götterhimmel und eine Unterwelt – «hoch oben» und «tief unten». Beide Bezirke befinden sich innerhalb der uns bekannten Welt, sind für lebende Menschen jedoch unzugänglich. Ein «außerirdisches Jenseits» entwickelte erst das Christentum in der Spätantike.

Der Götterhimmel: Zeus und die göttliche Weltregierung.  Nach der Vorstellung antiker Menschen leben die Götter im Himmel, ihre Residenz liegt auf hohen, in die Wolken ragenden Bergen. Zeus, unbestrittener König der Götter und Menschen, hat seinen Sitz auf dem Olymp, mit 2918 Metern der höchste Berg im nördlichen Griechenland. Umgeben ist Zeus von einer Reihe anderer Götter – alle menschengestaltig und unsterblich.

Ihr göttlicher, von besonderem Blut durchflossener Körper bedarf der Speise. Da ihnen Brot und Wein fremd sind (Homer, Ilias V 341), ernähren sie sich ausschließlich von den Götterspeisen Nektar und Ambrosia. Sehen wir einmal von dem fleißigen Schmied Hephaistos ab, so scheinen die Götter und Göttinnen keiner regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Als Mitglieder einer Elite brauchen sie sich den Unterhalt nicht zu verdienen. Zum Zeitvertreib mischen sie sich in den trojanischen Krieg ein. Antike Autoren beobachten sie oft bei ihren Liebesaffären und schildern ihr Gelächter. Den grundlegenden Mythos, der alle olympischen Götter betrifft, verdanken wir Hesiods Theogonie (ca. 700 v. Chr.). Das Lehrgedicht berichtet, wie es zur Herrschaft des Zeus gekommen ist:

Am Anfang wurde die Welt von zwölf Titanen beherrscht – sechs Göttern und deren Partnerinnen. Führend unter den Titanen waren Kronos und dessen Gemahlin Rheia. Deren Sohn Zeus wollte sich an seinem Vater rächen, weil ihn dieser nach seiner Geburt hatte beiseiteschaffen wollen; überhaupt war ihm, Zeus, die Herrschaft der Alten verhasst. Daher rief er alle Götter seiner Generation zu sich auf den Olymp. Sie sollten gegen die Titanen Krieg führen. Wer mit ihm kämpfe, werde alle Privilegien und Ämter behalten, die er besitzt; wer aber über keine Rechte verfügt, werde solche durch ihn erlangen. Es kommt zum Krieg. Zwei Parteien stehen einander gegenüber: die Titanen auf dem Berg Othrys, Zeus und seine Anhänger auf dem Olymp. Nach zehnjährigem Waffengang ohne Entscheidung verfällt Zeus auf eine List: Er erinnert sich der drei hundertarmigen Riesen – der Hekatoncheires. Von riesenhafter Körperkraft, hat jedes dieser ungeschlachten Wesen fünfzig Köpfe und hundert Arme (Theogonie 147–​153). Kronos hatte die Riesen in die Unterwelt gesperrt, doch Zeus befreit sie, reicht ihnen die Götterspeisen Nektar und Ambrosia und gewinnt sie als Helfer. So gelingt es Zeus, die Titanen zu überwältigen. Als unsterbliche Götter lassen sich die Besiegten aber nicht töten; so verbannt sie Zeus in die Unterwelt. Diese können sie nicht mehr verlassen, denn sie ist verriegelt, und die Gefangenen werden von den in die Unterwelt zurückgeschickten Riesen bewacht. Neben den Titanen hat Zeus einen weiteren Gegner, der sich ihm entgegenstellt: Typhoeús (reimt sich auf «Zeus»; andere Namensform: Typhon), ein hundertköpfiger feuerspeiender Drache. Diesen bezwingt Zeus in heroischem Zweikampf, um ihn zuletzt, den Titanen gleich, in der Unterwelt einzuschließen.

Nach seinen Siegen herrscht Zeus als König über die Götter (Theogonie 506). Allen Mitkämpfern gegenüber erfüllt er sein Versprechen. Eine der Göttinnen – Hekate, eine Tochter der Titanen – stattet er mit besonderen Privilegien aus, so dass sie Menschen Wohlstand schenken kann, Sieg über die Feinde und Weisheit bei der Ausübung des Richteramts (Theogonie 411–​452). Nach dem Sieg beschäftigt sich Zeus hauptsächlich mit Göttinnen, schläft mit ihnen und zeugt so Söhne und Töchter. Seine Gattin aber ist Hera, mit der er nicht immer auf gutem Fuße steht. Daher bringen Zeus und Hera jeweils auch ohne den anderen ein göttliches Wesen zur Welt: Die Kriegsgöttin Athene entspringt dem Haupt des Zeus, während der göttliche Schmied Hephaistos von Hera ohne Beischlaf mit Zeus geboren wird.

So wird die Welt von Zeus, dessen Geschwistern und der ersten Generation ihrer Nachkommen beherrscht. Die Zahl der Zeus umgebenden Götter ist kaum überschaubar. Jedoch lässt sich in den antiken Zeugnissen seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. die Tendenz beobachten, etwa zwölf Götter hervorzuheben. Nach einem Vorschlag von Georges Dumézil lassen sie sich nach den grundlegenden Funktionen der menschlichen Gesellschaft in drei Gruppen absteigenden Ranges gliedern: herrschende Götter, kriegerische Götter und das Leben ermöglichende Fruchtbarkeitsgötter. Zur Gruppe der weise herrschenden Götter gehören:

Zeus. – Den Götterkönig zeichnen Weisheit und kriegerischer Geist aus, seine Attribute sind Donner und Blitz. Den Römern als Jupiter bekannt.

Hades. – Herrscher über das nach ihm benannte Totenreich. Bruder des Zeus.

Poseidon. – Zuständig für das Meer. Bruder des Zeus. Sein lateinischer Name ist Neptun.

Apollon. – Jugendlicher Gott der Weissagung und der schönen Künste. Sohn des Zeus.

Von den mit dem Krieg verbundenen Göttern sind folgende Gestalten hervorzuheben:

Athena. – Kriegerische Schutzgöttin der Stadt Athen. Als Jungfrau nicht verheiratet.

Ares. – Der aggressive, blutrünstige Kriegsgott. Die Römer nennen ihn Mars.

Hephaistos. – Als Gott des Feuers und der Schmiedekunst stellt er Waffen her.

Mehrere Göttinnen dienen der Familie, der Liebe, der Natur und Fruchtbarkeit:

Aphrodite. – Verkörpert Schönheit, Liebesspiel und Fruchtbarkeit. Den Römern als Venus bekannt.

Artemis. – Lebt unverheiratet in der freien Natur unter wilden Tieren.

Demeter. – Göttin des Ackerbaus.

Hera. – Schützt Ehe und Frauen. Schwester und Gattin des Zeus.

Hestia. – Schützt Herd und Herdfeuer des Haushalts. Die Schwester des Zeus bleibt unverheiratet.

Aus der Reihe der Zwölfgötter sind heute noch vier Namen geläufig: Zeus als Gott sowie Jupiter (lateinisch für Zeus), Mars und Venus als Himmelskörper. Die Venus ist der blinkende Abend- und Morgenstern. Der Monat März trägt den Namen des Kriegsgottes Mars.

Die Unterwelt.  Weit unterhalb der Erdoberfläche liegt nach antikem Glauben eine zweite Welt – die Unterwelt, bewohnt von den Toten. Das Totenreich wird manchmal als Tartaros bezeichnet, häufiger aber als Hades. Bewacht wird der Eingang des Hades von einem hundsgestaltigen mehrköpfigen...

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