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Zwischen Inklusion und Exklusion? Die zweite Generation von Jugendlichen kurdischer Herkunft in der Bundesrepublik

Eine sekundäranalytische Studie zur Wahrnehmung ihrer (staats-)rechtlichen und psychosozialen Situation

AutorDeniz Düzel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783640191499
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Interkulturelle Pädagogik, Note: 1,0, Philipps-Universität Marburg, 135 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In diesem Abschnitt der zugrundeliegenden Arbeit sollen vorneweg die bisherigen Erkenntnisse über den Forschungsstand referiert werden, um darauf aufbauend die eigenen Forschungsziele darzulegen, wenngleich es nicht nur in Bezug auf KurdInnen in der Bundesrepublik, sondern auch über Kurden im Allgemeinen nur wenige Erkenntnisse gibt, die als gesichert gelten können. Daher hat es sich die vorliegende Untersuchung in Anlehnung an bereits verfasste und publizierte Studien (vorwiegend aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, kurz: NRW) zum Ziel gemacht, durch Einblicke in Lebenszusammenhänge und deren Deutung einen Zugang zum Verständnis von und für Jugendliche kurdischer Herkunft aus der Türkei zu eröffnen bzw. fortzuschreiben und mit Hilfe sekundäranalytischen Materials ergänzend zu interpretieren.3 Vor dem Hintergrund, dass 'KurdInnen die zweitgrößte Migrantengruppe darstellen und daher auf eine lange Tradition der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland zurückblicken' (Schmidt 1998, S.12)4, wird hier mit der Formulierung einer neuen Frage ein Forschungsfeld ausgebreitet, das bisher so gut wie keine Beachtung in der Migrationsforschung erfahren hat. Ausgehend von den vorliegenden qualitativen als auch quantitativen Studien zur Selbst- und Fremdethnisierung dient diese Untersuchung vor allen Dingen der Erforschung der psychosozialen Situation dieser spezifischen ethnischen Minderheit im Umgang mit gesellschaftlicher Erfahrung von Inklusion und Exklusion, weil es ihr an dieser Stelle den gleichen Stellenwert beizumessen gilt, welcher im Hinblick auf andere MigrantInnengruppen (wie etwa die der Türken, Ex-Jugoslawen etc.) schon lange selbstverständlich ist. Es ist also das primäre Anliegen dieser Diplomarbeit, durch die sekundäranalytische Auswertung sowie Interpretation anhand eigener Beobachtungen in verschiedenen Institutionen, die sich mit kurdischen Jugendlichen auseinandersetzen, der deutschen Öffentlichkeit ein differenziertes Bild der kurdischen Minderheit in der Bundesrepublik zu vermitteln.

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Leseprobe

EINFÜHRUNG: Zur Problemgeschichte und Fragestellung der Untersuchung


 

In diesem Abschnitt der zugrundeliegenden Arbeit sollen vorneweg die bisherigen Erkenntnisse über den Forschungsstand referiert werden, um darauf aufbauend die eigenen Forschungsziele[2] darzulegen, wenngleich es nicht nur in Bezug auf KurdInnen in der Bundesrepublik, sondern auch über Kurden im Allgemeinen nur wenige Erkenntnisse gibt, die als gesichert gelten können. Daher hat es sich die vorliegende Untersuchung in Anlehnung an bereits verfasste und publizierte Studien (vorwiegend aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, kurz: NRW) zum Ziel gemacht, durch Einblicke in Lebenszusammenhänge und deren Deutung einen Zugang zum Verständnis von und für Jugendliche kurdischer Herkunft aus der Türkei zu eröffnen bzw. fortzuschreiben und mit Hilfe sekundäranalytischen Materials ergänzend zu interpretieren.[3] Vor dem Hintergrund, dass „KurdInnen die zweitgrößte Migrantengruppe darstellen und daher auf eine lange Tradition der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland zurückblicken“ (Schmidt 1998, S.12)[4], wird hier mit der Formulierung einer neuen Frage ein Forschungsfeld ausgebreitet, das bisher so gut wie keine Beachtung in der Migrationsforschung erfahren hat.

 

Ausgehend von den vorliegenden qualitativen als auch quantitativen Studien zur Selbst- und Fremdethnisierung dient diese Untersuchung vor allen Dingen der Erforschung der psychosozialen Situation dieser spezifischen ethnischen Minderheit im Umgang mit gesellschaftlicher Erfahrung von Inklusion und Exklusion, weil es ihr an dieser Stelle den gleichen Stellenwert beizumessen gilt, welcher im Hinblick auf andere MigrantInnengruppen (wie etwa die der Türken, Ex-Jugoslawen etc.) schon lange selbstverständlich ist.[5] Es ist also das primäre Anliegen dieser Diplomarbeit, durch die sekundäranalytische Auswertung sowie Interpretation anhand eigener Beobachtungen in verschiedenen Institutionen, die sich mit kurdischen Jugendlichen auseinandersetzen, der deutschen Öffentlichkeit ein differenziertes Bild der kurdischen Minderheit in der Bundesrepublik zu vermitteln.[6] Gleichzeitig gilt es aber ihre Besonderheiten gegenüber anderen MigrantInnengruppen aufzuzeigen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass kurdischen Jugendlichen - ganz gleich aus welchem Herkunftsstaat sie nun stammen - kaum Unterstützung bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes als KurdInnen und einer Auseinandersetzung mit ihren eigenen Wurzeln zuteil wird. Deshalb werde ich mich gleichermaßen auch mit der Offenlegung unübersehbarer Defizite im Zusammenhang von institutionellen und behördlichen Maßnahmen für und über diese Zielgruppe zu beschäftigen haben.        

 

In dieser Diplomarbeit werden aus diesem Anlass unterschiedliche Studien aus quantitativer als auch qualitativer Perspektive zunächst vorgestellt und in einem nächsten Schritt unter den jeweiligen Gliederungspunkten ausgewertet, sprich: in Bezugnahme auf die spezifische Forschungsfrage nach Inklusion und Exklusion extrahiert und interpretiert.

 

Es handelt sich dabei zumeist um Autoren vorwiegend deutscher Abstammung, die im Rahmen eines Forschungsprojektes[7] den Einstieg in die Migrationsforschung zu dieser Einwanderergruppe markieren und deren Ergebnisse im wesentlichen darauf abzielen, Einblicke in die spezifischen Lebensbedingungen von Jugendlichen kurdischer Herkunft zu gewinnen. Im Rahmen des Projektes wurde erstmals eine qualitative Studie mit 21 Jugendlichen kurdischer Herkunft erhoben[8], deren Ergebnisse unter dem Titel „Kurdisch-Sein und nicht-Sein“ 1998 publiziert wurden (vgl. Schmidt 1998). Sie diente gleichzeitig als Grundlage für die Entwicklung einer quantitativen Untersuchung, die mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport NRW 1998/1999 landesweit durchgeführt wurde und deren Ergebnisse im Jahre 2000 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden (vgl. Schmidt 2000).

 

Neben diesen beiden Primärstudien, die sich vornehmlich auf die Bundesrepublik und hier wiederum auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen beziehen, werde ich im Laufe meiner hiesigen Untersuchung weitere empirische Befunde heranziehen, welche sowohl im internationalen Rahmen[9] entwickelt und durchgeführt wurden als auch einen Bezug zur psychologischen Situation dieser Migrantengruppe herstellen (s. dazu Kizilhan 1995). Ferner untersucht auch Birgit Ammann (2001) am Beispiel der Kurden in Europa Dimensionen, Erscheinungsformen und Ausprägungen von Ethnizität und Diaspora. Ihre Arbeit weitete sich im Rahmen einer Dissertation zu einer ersten empirischen Langzeitstudie aus und beschäftigt sich folglich ausführlich mit der transnationalen kurdischen Diaspora, vornehmlich im westlichen Europa.             

 

1. Zielstellung und Gliederung: Eindrücke von Inklusion und  Exklusion bei Jugendlichen kurdischer Herkunft

 

Nachdem ich im soeben einige wesentliche Untersuchungen und ihre publizierten Ergebnisse benannt und mit entsprechenden Verweisen versehen habe, möchte ich nun herausstellen, unter welchem Blickwinkel ich diese Studien analysieren will und was das Ziel meiner Fragestellung nach den Verhältnissen von Inklusion und Exklusion sein soll.

 

Schlägt man in einem ersten Anlauf im Lexikon die Begriffe „Inklusion“ und „Exklusion“ nach, wird man schnell feststellen, dass sie in der Pädagogik und der Soziologie die häufigste Verwendung finden: Danach meint Inklusion (lat.: inclusio) in der Pädagogik, „dass alle Kinder trotz ihrer Verschiedenheit, unterschiedlicher sozialer, regionaler, nationaler, religiöser und kultureller Herkunft, unterschiedlicher Fähigkeiten und Beeinträchtigungen gleichermaßen in den gemeinsamen pädagogischen Prozess eingeschlossen sind“ (zit. nach: Luhmann 1995, S.238). Hiernach zu urteilen, würde etwa ein inklusiver Unterricht die Entwicklung didaktischer Konzepte für heterogene Gruppierungen bedeuten, bei denen eine generelle Dazugehörigkeit aller Kinder ohne Ausgrenzung für den gemeinsamen Unterricht angestrebt wird. Während also ersterer Begriff mit der Zusammenführung von Didaktik und dem Umgang mit heterogenen Klassenzusammensetzungen einhergeht, verweist „Exklusion“ wörtlich auf das Gegenteil dessen, was auch als Ausschluss (aus dem Lateinischen: exklusio), sinngemäß auch Ausgrenzung verstanden werden kann. In der Soziologie wird - „Exklusion“ (engl. exclusion) - als ein Begriff interpretiert, der in einer neuzeitlichen Gesellschaft „den nachhaltigen Ausschluss einzelner sozialer Akteure oder ganzer Gruppierungen aus denjenigen sozialen Kreisen bezeichnet, die sich (ggf. gemeinsam) als die ‚eigentliche’ Gesellschaft verstehen“ (ebd., S.240ff.). Wer sich demnach als ausgegrenzt empfindet, fühle sich dann auch selber als ,wertlos’ und ,außenstehend’, akzeptiere unter gegebenem Anlass die Werte des ihn ausschließenden Kollektivs nicht (mehr) und handele dann auch dementsprechend. Für unseren Zusammenhang ist bezeichnend, dass in der weiteren Ausführung „Soziale Exklusion“ als „der Verlust an sozialen und politischen Teilhabechancen“ beschrieben wird, der „für die Betroffenen sogar zu einem mentalen oder physischen Überlebensproblem werden [kann]. Betrifft diese Exklusion große Gruppen (z.B. Obdachlose, Aidskranke, Langzeitarbeitslose, Slumbewohner, Einwanderer, historisch: Juden in Europa), so kann dies zu einem (sozial-, gesundheits-, ordnungs-, staats-) politischen Problem werden“ (ebd., S.262). Trotz der relativen Eigenständigkeit, die den jeweiligen Dimensionen zukommt, verweisen beide Begriffe zugleich aufeinander. Umgekehrt folgt deshalb auch Exklusion, wie Luhmann hervorhebt, der Logik des negativen „Verstärkereffekts“: Ausgrenzung in einer Dimension des gesellschaftlichen Lebens zieht Ausgrenzung in weiteren nach sich, in einem Prozess der „Marginalisierung bis hin zu gänzlichem Ausschluss“ (vgl. ebd., S.148). Als soziale, kumulierende Erfahrung manifestiert sich Ausgrenzung vor allem in den folgenden Dimensionen: (a) Ausgrenzung am Arbeitsmarkt; (b) Ökonomische Ausgrenzung; (c) Kulturelle Ausgrenzung; (d) Gesellschaftliche Isolation; (e) Räumliche Ausgrenzung und schließlich (f) Institutionelle Ausgrenzung (vgl. dazu auch Kronauer 1997, S.1137f.). Was die subjektive Erfahrung von sozialer Ausgrenzung betrifft, so ist sie geprägt von ihrem Gegenteil, d.h.: Ihr muss die Erfahrung der Zugehörigkeit entweder vorausgegangen sein oder gewissermaßen als schreiender Widerspruch zur Seite stehen.

 

Im Nachstehenden wollen wir uns ausschließlich mit der Dimension der kulturellen und  institutionellen Ausgrenzung der benannten Zielgruppe beschäftigen, denn nicht ohne Grund stellt etwa auch Susanne Schmidt in ihrer Betrachtung der Interviewverläufe in einem Exkurs fest, „daß nahezu alle Jugendlichen auf verschiedene Weise Ausgrenzungserfahrungen hatten“ (Schmidt 1998, S.107), obwohl sie die Frage nach Diskriminierung und Ausgrenzung im Alltag zunächst verneinten[10]. Daher ist es auch m.E. dringend notwendig, die Thematisierung von Ausgrenzungs- und Rassismuserfahrung[11] bzw. die Verarbeitungsformen der...

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