`Reviewing the literature critically will provide the foundation on which your research is build´ (Saunders et al. 2009: p61).
In diesem Teil werden die theoretischen Grundlagen für International Leadership anhand einer umfassenden, quantitativen Literaturanalyse untersucht. Dazu wurde eine Auswahl, der aus dem Blickwinkel des Verfassers relevanten Literatur und wissenschaftlichen Papers, Journals etc., wie in Tabelle 1 dargestellt, getroffen, um sich dem geplanten Forschungsthema angemessen zu nähern und die Grundlage für den empirischen Teil dieser Masterarbeit zu schaffen.
Die Literaturauswahl beinhaltet die maßgeblichen Forschungserkenntnisse zu International Leadership und Intercultural Management. Aufbauend hierauf werden die aktuelle Fachliteratur und Fachveröffentlichungen analysiert.
Die in Tabelle 1 dargestellte Literaturbasis erhebt aber insgesamt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Literaturauswahl im weiteren Prozess der Erstellung dieser Masterarbeit noch deutlich erweitert wird. Der theoretische Forschungsansatz umfasst die ausführliche Sichtung der für das Forschungsthema als relevant eingestuften Literaturbasis und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Sofern in der Aufzählung in Tabelle 1 Bücher, Journals oder Papers vor 2010 enthalten sind, ist davon auszugehen, dass keine aktuellere Ausgabe erhältlich ist, die Erkenntnisse aber dennoch als wesentlich und aussagefähig eingestuft wurden, oder sie als Grundlagenwerke von hoher Relevanz sind.
Der Verfasser geht, wie ausdrücklich von Saunders et al. (2009) und Kornmeier (2012) angeregt, nach der zunächst erfolgten intensiven Literaturrecherche namhafter Fachbuchveröffentlichungen zum Untersuchungsgegenstand weiter über die zentralen wissenschaftlichen Onlinedatenbanken wie Ebsco, Lexis, Google Scholar hin zur detaillierte Recherche nach aktuellen Journals, Papers und Dissertationen.
Tab. 1: Übersicht der Literaturbasis zu dieser Masterarbeit (Quelle: eigene Recherche und Grafik)
`Vor dem Hintergrund einer zunehmenden weltweiten Verflechtung wächst auch der Bedarf an Führungspersonen, welche die Heterogenität kulturell begründeter Moral- und Wertvorstellungen adäquat berücksichtigen können. Im Rahmen der International-Leadership-Forschung setzt sich daher auch die Wissenschaft mit der gesteigerten Komplexität von effektiver und effizienter Führung im globalen Kontext auseinander´ (Schlaile 2012: pII). Einen wesentlichen Betrag zum Forschungsstand von internationaler und interkultureller Führung haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Edward T. Hall, Geert Hofstede, Robert J. House, Fons Tompenaars und C. Hamden-Turner geliefert. Sie analysierten die Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten von interkulturellem Zusammenleben, sowohl innerhalb von Nationen als auch über Nationen und Kontinente hinweg und legten hiermit den Grundstein für kooperativen Austausch und Zusammenarbeit über vermeintliche zwischenmenschliche Unterschiede hinweg.
Hall (1990) identifizierte bei seinen Untersuchungen zunächst drei grundlegende Dimensionen menschlichen Zusammenlebens, die in unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedlich wahrgenommen werden und somit als Differenzierungsmerkmal zwischen Kulturen herangezogen werden können: Raum, Zeit und Kommunikation. Bei der Dimension Raum erforschte er die unterschiedlichen Grade räumlicher Nähe und den Gebrauch von Raum und machte den Fachbegriff Proxemik geläufig.
Abbildung 3 zeigt die jeweiligen Distanzzonen beispielhaft auf. Bei einer Distanz von mehr als 400cm spricht man von öffentlicher Zone, bei 150 - 400cm von der sozialen Zone, bei 60 - 150cm von persönlicher Zone und bei weniger als 60 cm von intimer Zone. Die Zonen sind innerhalb eines Kulturkreises gemäß Hall (1990) abhängig von Alter, Temperament und Geschlecht nur leicht differierend, aber unterscheiden sich von Kulturkreis zu Kulturkreis erheblich.
Abb. 3: Distanzzonen nach Hall (Quelle: eigene Grafik in Anlehnung an Hall 1990 und Miller 2010)
Erweitert man das beschriebene Distanzspektrum noch um verschiedene Gebäude, Städte, Länder und Kontinente, wird deutlich, welchen Herausforderungen Führungskräfte und Mitarbeiter bei International Leadership gegenüberstehen: im Extremfall jahrelanger Zusammenarbeit in virtuellen Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen und virtuellen Kollegenteams nur unter Zuhilfenahme von Telefon, elektronischen Medien und Mailkorrespondenz. Da sich aber vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Menschen auch durch körperliche Nähe und Körpersprache ergeben, besteht bei ausschließlich virtueller Kommunikation die Gefahr von Glaubwürdigkeitsverlust für die Führungskraft und Vertrauensverlust beim Mitarbeiter. Unterschiedliche Kulturen bedürfen darüber hinaus auch unterschiedlicher Nähe. Die Kommunikation ist unter diesem Gesichtspunkt bereits innerhalb von Europa differenziert zu betrachten. Die enge Umarmung in Südeuropa, auch zu geschäftlichen Anlässen, oder der Wangenkuss in Frankreich wirkt auf manchen Mittel- und Nordeuropäer befremdlich, da sie ein unvermitteltes und direktes Eindringen in die in Abbildung 3 dargestellte intime Zone bedeutet. Es ist aber in vielen Fällen unverzichtbar, die höflich angebotene Begrüssungsgeste Umarmung oder Wangenkuss anzunehmen, um nicht gleich zu Beginn der Konversation unnötig Distanz aufzubauen. Nachvollziehbar fehlt umgekehrt besonders in Kulturen mit gewohnt enger Körperlichkeit bei der Führung über internationale Distanzen hinweg die persönliche Nähe und, resultierend hieraus, der gewohnte und gewünschte Vertrauensaufbau.
Bei der Dimension Zeit unterscheidet Hall (1990) zwischen mono- und polychronen Kulturen. Als zeitlich linear und eindimensional fokussiert, also monochron, gelten die nord- und westeuropäischen Länder sowie Nordamerika, während eine polychrone Wahrnehmung der Zeit, also auch von Terminen und zeitlicher Aufteilung in den südeuropäischen, südamerikanischen, asiatischen und arabischen Ländern vorherrscht. Pünktlichkeit, sowie die Einhaltung von Fristen, werden hier grundlegend anders bewertet als in monochronen Kulturen, was bei der Zusammenarbeit in einem internationalen Team auf beiden Seiten für Unverständnis sorgen kann. Dabei handelt es sich letztendlich um einen Wertekonflikt.
Die beiden Werte Planung (monochron) und Flexibilität (polychron) sind zunächst einmal grundsätzlich positiv. Erst durch die jeweilige kulturelle Sichtweise werden sie als vermeintlich starr oder chaotisch und somit tendenziell negativ bewertet. In dem später noch ausführlicher zu erläuterndem Unternehmensbeispiel aus dem Arbeitsbereich des Verfassers sind tägliche virtuelle Meetings erforderlich, um die enge Verbindung zwischen dem deutschen Headoffice, der in China positionierten Fertigungsstätte und dem in Hongkong ansässigen chinesischen Management aufrecht zu erhalten. Es benötigte geraume Zeit, die Verabredung des Beginns einer Telefon- oder Videokonferenz auch wirklich minutengenau zu vereinbaren, um den pünktlich präsenten Teilnehmern unnötige Wartezeiten zu ersparen. Die Wahrnehmung der chinesischen und hongkongnesischen Teilnehmer tendiert noch heute zu einer, aus ihrem Blickwinkel, starr und formalistisch geprägten deutschen Meetingkultur, während sich die deutschen Teilnehmer immer wieder über verspätet eingelockte asiatische Konferenzteilnehmer ärgern und ihnen, resultierend hieraus, in manchen Fällen auch weniger Verantwortung im Gesamtprozess zubilligen wollen, da sie ja nicht einmal eine Konferenz pünktlich beginnen können. Objektiv betrachtet funktionieren aber beide Organisationsteilbereiche in ihrem jeweils angestammten Kulturumfeld perfekt, bis auf eben diese Schnittstellen, wie den beispielhaft beschriebenen virtuellen Konferenzen, an denen die unterschiedlichen Zeitkulturen monochron versus polychron aufeinandertreffen. Vergleichbares berichtet Köppel (2009) und führt aus, dass in virtuellen Arbeitssituationen über elektronische Medien zwar die Möglichkeit zum Ausstausch gegeben ist, aber die unterschiedliche Wahrnehmung der organisatorischen Rahmenbedingungen, z. B. auch der zeitlichen Organisation, zu Missverständnissen und unzureichender Kommunikation führen.
Kommunikation unterteilt Hall in High- und Low-Kontext-Kulturen, d. h. er unterscheidet, wie stark der Kontext in die Kommunikation mit einbezogen wird. Während in einer Low-Kontext-Kultur wie Deutschland oder der Schweiz vorwiegend das gesprochene Wort ausreicht, um Inhalte zu vermitteln, beziehen High-Kontext-Kulturen, wie beispielsweise asiatische, die Rahmen- und Umgebungsbedingungen, in denen das Gespräch stattfindet, stark mit in die Inhaltsvermittlung ein. Feng (2009) schildert, dass in China Netzwerke einen hohen Stellenwert haben. Vor dem Aufbau einer Geschäftsbeziehung erfolgt erst die Festigung einer Vertrauensebene. Hierfür benötigt es ausreichend Zeit und...