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E-Book

Jenseit des Tweed

Bilder und Briefe aus Schottland

AutorTheodor Fontane
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl265 Seiten
ISBN9788026841296
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Jenseit des Tweed' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Jenseit des Tweed ist ein Reisebericht von Theodor Fontane. Das Buch handelt von einer Reise nach Schottland, die Fontane mit seinem Freund, dem Schriftsteller Bernhard von Lepel, im Sommer 1858 unternahm. Dabei schildert Fontane den Verlauf der Reise chronologisch. Von London reisen sie in die schottische Hauptstadt Edinburgh. Die ersten 13 Kapitel spielen dort. Von dort führt der Reiseweg in Richtung Norden und annähernd gegen den Uhrzeigersinn in die Stadt Stirling, zum See Loch Katrine, in die Städte Perth und Inverness, dem Culloden-Moor, dem Kaledonischen Kanal, nach Oban an der schottischen Westküste, den Inneren-Hebriden-Inseln Staffa und Iona und dem See Loch Lomond. Schließlich wird Edinburgh wieder erreicht. Die letzten beiden Kapitel handeln von Besuchen in der Melrose Abbey und in Abbotsford im Süden Schottlands. Fontane beschreibt vor allem geschichtliche Ereignisse. Dabei bezieht er sich oft auf Sir Walter Scott, einen schottischen Autor von Historienromanen. Heinrich Theodor Fontane (1819-1898) war ein deutscher Schriftsteller. Er gilt als bedeutendster deutscher Vertreter des Realismus.

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Leseprobe

Holyrood-Palace


Dieser so berühmt gewordene Palast liegt unmittelbar vor der Stadt in einem weiten, mehrfach geöffneten Talkessel, der von verschiedenen Hügeln, vom Calton-Hill im Norden, von den Salisbury-Crags im Osten und Süden und von dem hochgelegenen Alt-Edinburg im Westen, begrenzt und gebildet wird. Da, wo die letzten Häuser von Canongate (siehe das vorige Kapitel) ins Tal hinuntersteigen, erhebt sich, kaum durch die Breite eines Marktplatzes von ihnen getrennt und die vor ihm liegende Hügelstraße hinauf blickend, der Palast von Holyrood. Vom Mittelpunkt der Stadt aus ihn zu erreichen, lassen sich zwei Wege einschlagen, der eine durch die Altstadt (High-Street und Canongate), der andere parallel damit durch Princes-Street und Waterloo-Place an einer Reihe hübscher Gartenanlagen hin, die sich, bereits außerhalb der Stadt, am Fuße des Calton-Hill entlang ziehen. Da ich noch oft Gelegenheit haben werde, den Leser auf dem erstgenannten Wege durch High-Street und Canongate zu geleiten, so wählen wir heut den Weg am Fuß des Calton-Hill entlang, der uns, auf einem kleinen Umwege durch die Regent-Road, nach dem Palaste führt. Hübsche Landschaftsbilder breiten sich vor uns aus, sobald wir Waterloo-Place im Rücken haben; nichts Besonderes aber fesselt unsren Blick, mit Ausnahme eines seltsamen Steinackers unmittelbar zu unsrer Rechten, von dem wir nicht wissen, ob er mehr einen Friedhof oder einem Schutthaufen gleicht. Auf unsre Frage erhalten wir folgende Antwort. Als Terrain geschafft werden mußte für das schottische Eisenbahnnetz, das in Edinburg seinen Zentralpunkt hat, entschied man sich begreiflicherweise für Ankauf jener flußbettartigen, die Altstadt von der Neustadt trennenden Vertiefung, die ich im vorigen Kapitel beschrieben habe. In dieser Vertiefung, feucht und ungesund wie sie war, stand eine alte Kirche mit ihrem Gottesacker drum herum. Die Schiene brauchte Platz, der schottische Unternehmungsgeist war stärker als die schottische Kirchlichkeit, und binnen kurzem war der alte Bau ein Trümmerhaufen. Man wußte nicht, was damit zu machen, oder konnte sich nicht einigen über den Verkauf, kurzum, die ehemalige Kirche samt ihren tausend Grabsteinen wurde wie Schutt vor die Stadt gefahren und dort auf einem nunmehr umzäunten Felde abgeladen. Da liegen nun hoch aufgeschichtet die Trümmer von Sockel und Kapitäl, von Kreuz und Leichenstein, das Ganze eine seltsame Ruhestatt, darauf man einen alt gewordenen Kirchhof begraben hat.

Unmittelbar hinter diesem Acker halten wir uns rechts und biegen in eine aus ärmlichen und zerstreuten Häusern bestehende Straße ein, die uns innerhalb weniger Minuten vor das Portal des Palastes führt. Ehe wir dasselbe erreichen, werden wir durch einen jungen Schotten, der uns begleitet, auf das Badehaus der Maria Stuart aufmerksam gemacht. Wiewohl sein Finger eine ganz bestimmte Richtung angibt, so fragen wir doch »wo?« Aber die halb erschrockene Frage ändert nichts, und die Fingerspitze deutet unverrückt auf ein kleines, halb backofenartiges Eckhaus, das wir eher für das Waschhaus einer armen Frau als für das Badehaus einer Königin halten würden. Es ist so niedrig, daß man die Hand auf die untersten Dachziegel legen kann, und ein etwas vorspringender klumphafter Giebel, der dem Ganzen das Ansehen gibt, als ob ein dicker Mann auf den Schultern eines dünnen säße, ist nicht angetan, der Erscheinung einen gesteigerten Reiz zu leihen. Kopfschüttelnd darüber, daß so viel Schönheit hinter solchen Mauern heimisch gewesen sein soll, schreiten wir weiter, erreichen nach kaum hundert Schritten eine platzartige Auffahrt, machen linksum und stehen in Front des Palastes.

Der Palast ist ein Viereck von mäßigen Proportionen, ziemlich niedrig, an den beiden hausartig vorspringenden Frontecken von je vier Spitztürmen flankiert; das Ganze ohne Stil, ohne Schönheit, ohne Stattlichkeit, aber doch nicht geradezu häßlich und unverkennbar mit jenen Zügen ausgestattet, die eine Physiognomie interessant machen. Dies ist Holyrood-Palace. Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten zusammentreffen, erhebt sich eine Ruine: die Royal Chapel von Holyrood, das einzige Überbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klosterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei. David I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150), und erst 350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten Mauern und Türmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der Palast ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden, die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt.

Wir besuchen diese zunächst. Die uns zugekehrte Front, ein Turm und ein Portal, sind verhältnismäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugnis für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues, der sich einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt, und der Fußboden gleicht einem Kirchhof: ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, solange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigentümlichkeit oder, bei Schöpfungen einer späteren Epoche, durch Schönheit imponiert. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientieren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, teilweise niedergerissen, um den Neubauten des Palastes Platz zu machen, schließlich (vor etwa 100 Jahren) unter die Hände eines pietät- und kenntnislosen Architekten geraten, gleicht das Ganze nur noch einem willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik. Der Kitt hat alles tun müssen. Nicht die Frage »paßt es« hat den Architekten beschäftigt, sondern immer nur die Frage »klebt es«. Die Grabsteine ringsumher tragen manchen berühmten Namen, aber doch nicht berühmt genug, um einer besonderen Erwähnung wert zu sein. Nur einen Stein, am äußersten Ende der Kapelle, kündigt unser Führer mit gehobener Stimme an, den Stein, auf dem Maria Stuart und Darnley knieten, als der Bischof von Brechin ihre segenslose Ehe segnete. Man sagt, daß die Königin bei dieser Gelegenheit ein schwarzes Kleid trug, dasselbe, das sie am Begräbnistage ihres ersten Gemahls getragen hatte.

Die beiden Namen aber, die wir eben vernommen, mahnen uns daran, daß auch wir nicht nach der Kapelle von Holyrood, sondern nach dem Palaste gleichen Namens unsere Wallfahrt angetreten haben, und an der Flanke desselben hin denselben Weg zurücknehmend, auf dem wir in die Kapelle eintraten, werfen wir jetzt von der platzartigen Auffahrt her nochmals einen Blick auf den Palast, zumal auf die berühmt gewordenen Stockwerke und Türmchen an der Nordwestecke, und treten dann ein.

Das Portal, unter dem wir uns zunächst befinden, zeigt durchaus nichts Stattliches oder Schloßartiges, es ist ein gepflasterter Torweg, dessen Überbau von rohen Säulen getragen wird. Zur Linken befindet sich eine Pförtner-, zur Rechten eine Wachstube; Gewehre der Mannschaften hängen an den Wänden, und die Schmucklosigkeit des Ganzen erinnert an einen Kaserneneingang, der vierzehn Tage vorher auf Regimentsbefehl geweißt worden ist. Wir passieren diesen Torweg und haben jetzt den geräumigen, nach allen Seiten hin geschlossenen Hof des Palastes vor uns. Die Zimmer im rechten Flügel heißen die »Queen's Apartments«. Die Königin, um die es sich dabei handelt, ist nicht Queen Mary, sondern Queen Victoria. Alljährlich, wenn die Königin nach Balmoral geht, um die Sommermonate auf dieser reizenden Besitzung (zwischen Inverneß und Aberdeen) zu verbringen, pflegt sie auf der Durchreise eine Nacht in Holyrood-Palace zu verbringen. Ich habe diese Queen's Apartments gewissenhaft in Augenschein genommen, führe aber meine Leser absichtlich nicht treppauf in den Flügeln des Gebäudes umher, sondern halte sie, um ihnen das Bild des Ganzen so wenig wie möglich zu verwirren, unter dem frischgeweißten Torweg fest und erzähl' ihnen lieber, was von jenen Apartments mit hohen Fenstern und herabgelassenen Rouleaux zu wissen not tut. Alle dahin gehörigen Zimmer sind modern, moderne Bilder, zum Teil kein Dutzend Jahre alt, hängen an den Wänden, geblümter Chintz zieht sich sorglich über Stühle und Ottomanen, und die nicht sonderlich interessante Inspektion schließt man mit der beruhigenden Gewißheit, daß kein Rizzio in diesen Räumen ermordet worden sei.

Um diesen ermordeten Rizzio handelt es sich nun aber mal; die ganze Berühmtheit dieses Ortes knüpft sich an jenen baufälligen alten Nordwestturm, der der Zeuge jener Ermordung war. Diesem Nordwestturm gilt jetzt unser Besuch; aus dem Torweg tretend, biegen wir links kurz um,...

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