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E-Book

John F. Kennedy

AutorAlan Posener
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783644000605
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Er war der Hoffnungsträger einer ganzen Generation, und bis heute ist er für viele Menschen, gerade in Deutschland, eine Kultfigur geblieben: John Fitzgerald Kennedy (geboren 1917), 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In seine nur 1036 Tage währende Amtszeit fielen dramatische Ereignisse wie die Kuba-Krise, der Bau der Berliner Mauer und das aktive Eingreifen der USA in den Vietnam-Krieg. Er war ein Frauenheld mit unzähligen Affären - dabei ein Mann, der schon seit seiner Jugend an schweren Krankheiten litt. Woher rührt der Mythos? In welchem Licht erscheint der jugendlich-strahlende Held «JFK» heute, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod? Alan Posener porträtiert Kennedy in seiner ganzen Widersprüchlichkeit: den Mann aus einer irisch-katholischen Einwandererfamilie, die einer ganz besonderen Mission folgt; den Weltkriegsveteranen; den Friedensverkünder und Reformer; den Krisenstrategen; den Ehemann, Familienvater und Liebhaber. Die Ermordung Kennedys am 22. November 1963 erschien vielen Zeitgenossen wie ein Anschlag auf die Zukunft selbst. Im kollektiven Gedächtnis Amerikas markiert das Datum einen Scheidepunkt - als das schlimmste Ereignis zwischen dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 1941 und dem Terroranschlag des 11. September 2001. Ein brillant geschriebenes, genau recherchiertes Porträt auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Alan Posener, geboren 1949, wuchs in London, Kuala Lumpur und Berlin auf. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter die Rowohlt-Monographien über John Lennon, John F. Kennedy, Elvis Presley, William Shakespeare, Franklin Delano Roosevelt und die Gottesmutter Maria. Zuletzt erschien in einer Neuausgabe: «John F. Kennedy. Biographie» (2013). Posener ist Autor der WELT. Er lebt in Berlin.

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Leseprobe

Eine amerikanische Dynastie


Die Zuwanderer


Am 12. August 1944 hebt ein amerikanischer Bomber von einem Stützpunkt an der englischen Küste ab. An Bord sind zwei Piloten und zehn Tonnen Sprengstoff. Die tödliche Ladung gilt deutschen Bunkern, aus denen Flugbomben auf London abgeschossen werden. Die Piloten Wilford Willy und Joseph Kennedy Junior sollen die Maschine auf Kurs bringen, den Zündmechanismus einstellen und dann abspringen. Sie sind Freiwillige, die ihre Chancen optimistisch mit «fünfzig zu fünfzig» einschätzen. Kennedy ist der älteste Sohn des Millionärs und Politikers Joseph Patrick Kennedy. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der ehrgeizige Vater nichts weniger für seinen Sohn will als das Weiße Haus.

Die Fernsteuerung wird eingeschaltet, dann der Zündmechanismus. In diesem Augenblick gibt es eine gewaltige Explosion, und der Bomber verschwindet in einem Feuerball. Von den Piloten findet man nie eine Spur.

Zwei katholische Priester überbringen dem Vater die Todesnachricht in Hyannis Port, dem Sommersitz der Familie an der Atlantikküste. Es ist ein warmer Sonntagnachmittag, und wie so oft haben sich auch die erwachsenen Kinder mit ihren Freunden eingefunden. Joseph Kennedy sagt ihnen, was passiert ist, ermahnt sie, besonders gut zu ihrer Mutter zu sein – und auf keinen Fall die angesetzten Segelregatten ausfallen zu lassen. Dann schließt er sich in sein Zimmer ein.

Der zweitälteste Sohn, John Fitzgerald («Jack») Kennedy, geht nicht zum Segeln. «Stattdessen ging er stundenlang am Strand vor unserem Haus auf und ab», erinnerte sich seine Mutter Rose.[4] Jack ist nun der älteste Sohn und mit knapp 28 Jahren wider Willen der Fackelträger der Ambitionen seines Vaters. Sein Freund und Kriegskamerad Paul «Red» Fay erinnert sich, dass Jack ihn wenige Wochen später beim Anblick des Vaters anstößt und sagt: Gott! Da geht der Alte! Er ist schon dabei, den nächsten Schritt zu planen. Ich bin’s jetzt, weißt du? Ich bin jetzt dran.[5] 1957 erzählt John F. Kennedy – inzwischen Senator in Washington und aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaft – einem Reporter: Es war wie eine Einberufung. Mein Vater wollte, dass der älteste Sohn in die Politik geht. ‹Wollte› ist nicht das richtige Wort – er verlangte es. Sie kennen doch meinen Vater.[6] Im selben Jahr erzählt er der Zeitschrift «McCall’s»: Aus meiner Familie war mein Bruder Joe die logische Wahl für eine politische Karriere, und wenn er gelebt hätte, so wäre ich weiterhin Schriftsteller geblieben. […] Sollte ich sterben, würde mein Bruder Bob Senator werden wollen, und wenn ihm etwas zustoßen sollte, würde mein Bruder Teddy an unserer Stelle kandidieren.[7]

Tatsächlich wird Robert («Bob» oder «Bobby») Kennedy nach dem Tod seines Bruders Senator, greift nach der Präsidentschaft und wird 1968 während seines Wahlkampfs ermordet. Edward («Ted» oder «Teddy») Kennedy wird ebenfalls Senator und bleibt es bis zu seinem Tod 2009. 1980 bemüht auch er sich – allerdings erfolglos – um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei. Die Kennedys waren und bleiben eine politische Dynastie, amerikanische Aristokraten, ja fast so etwas wie eine königliche Familie.

Dabei stammen sie aus einer Einwanderergruppe, die der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft bis weit ins 20. Jahrhundert hinein religiös suspekt und kulturell fremdartig erscheint. Die Kennedys sind katholische Iren. Anders als die protestantischen Pilgerväter kommen die Iren nicht nach Amerika, um eine gesellschaftliche Utopie zu verwirklichen oder religiöse Freiheit zu erlangen. Sie fliehen vor dem «Großen Hunger», der nach Ausbruch der Kartoffelpest 1845 in Irland wütet. Über eine Million Iren verhungern, eine weitere Million rettet sich über den Atlantik, darunter Patrick Kennedy und Bridget Murphy, John F. Kennedys Urgroßeltern väterlicherseits, die 1849 in Boston ankommen. Sie haben sich auf dem Schiff kennengelernt. Der Bauernsohn Patrick findet gleich im Hafen Arbeit als Fassbauer. Er stirbt nach zehn Jahren, ohne je den Fuß außerhalb Bostons gesetzt zu haben.

Wie Patrick und Bridget Kennedy bleiben die Iren in Amerika meistens dort, wo sie an Land gespült worden sind: in den Städten des Ostens, wo aus Kleinbauern Proletarier werden. Fehlt ihnen der Pioniergeist, wie ihnen ihre angelsächsischen Verächter vorwerfen? Eher fehlt ihnen das bescheidene Kapital, das zur Ausrüstung eines Planwagens gehört. Hinzu kommen aber erstens ihr bäuerlicher Clan-Geist und zweitens ihre Religion. Dem protestantischen Pionier ersetzen in der Wildnis Bibel und Gewissen die Kirche; für die katholischen Iren aber bleibt die Kirche im neuen Elend der Slums wie früher im ländlichen Elend Mittelpunkt des Lebens. Der Priester bleibt ihr geistiger Führer. Die Pioniergrenze des Westens – die «Frontier» – bleibt ihnen fremd. Nicht ohne geschichtliche Ironie ist es daher, dass 111 Jahre nach der Ankunft Patrick Kennedys in der neuen Welt sein Urenkel, der erste katholische Präsident Amerikas, eine New Frontier verkündet: Sie liegt in den Slums der Großstädte, im Dschungel Vietnams und in den Staubwüsten des Mondes.

Bridget Kennedy hat fünf Kinder. Sie schuftet, spart, kauft einen Kurzwarenladen und legt damit die Grundlage für den Aufstieg ihres Sohns Patrick Joseph Kennedy. «P.J.» beginnt seine Karriere als Kneipenwirt. Für die Iren in Amerika ist neben der Kirche die Kneipe die wichtigste Sozialeinrichtung. Aus den engen Mietwohnungen mit ihren stinkenden Gemeinschaftstoiletten, dem Kindergeschrei und dem Gejammer der dort eingesperrten Frauen fliehen die Männer in die Geselligkeit der Kneipe. Der Alkohol zerstört unzählige Leben. Doch in den Kneipen entsteht auch jenes System der Solidarität, mit dem die Zuwanderer sich gegen die weiße, angelsächsische, protestantische Elite – die WASPs – behaupten. Es ist die von örtlichen «Bossen» kontrollierte Parallelgesellschaft der «Maschine».

Von seinem Kneipenhinterzimmer aus kümmert sich der Boss um die täglichen Sorgen der Menschen: besorgt Jobs, vermittelt Kredite, regelt Sachen mit der Polizei, tröstet Witwen und Waisen. Im Gegenzug verlangt er weiter nichts als die Stimmen seiner Leute am Wahltag. Besonders eifrige Helfer werden nach dem Wahlsieg mit Posten in der Stadtverwaltung, der Polizei, der Müllabfuhr usw. belohnt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erobern irische Bosse die Rathäuser von New York, Boston, Baltimore und anderen Großstädten der Ostküste und verwandeln die örtlichen Organisationen der Demokratischen Partei in Teile ihrer «Maschine». Programm und Tradition der Demokraten sind ihnen herzlich gleichgültig; die Republikanische Partei aber, die «Grand Old Party» Abraham Lincolns, ist fest in den Händen der alteingesessenen Familien.

Katholiken in den USA: eine Erfolgsgeschichte

Zur Zeit der amerikanischen Revolution (1776) bilden Katholiken etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung der 13 britischen Kolonien. Heute (Stand 2012) leben in den USA fast 78 Millionen registrierte Katholiken. Das entspricht etwa einem Drittel der Bevölkerung. Obwohl sich etwas mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung einer der Spielarten des Protestantismus zurechnet, bildet die katholische Kirche das größte Einzelbekenntnis vor den Baptisten, Methodisten und Lutheranern. Die USA besitzen die drittgrößte katholische Bevölkerung der Welt, nach Brasilien und Mexiko.

Die Demokratische Partei zieht jene an, die das Establishment ausgrenzt: die Proletarier der Ostküste ebenso wie die Kleinbauern des Südens; progressive jüdische Intellektuelle und antisemitische katholische Gewerkschaftler; Reformer aus dem Norden und Populisten aus dem Süden, die gegen die «Bastardisierung» Amerikas durch Schwarze, Juden, Katholiken und Freimaurer ebenso wettern wie gegen das Finanzkapital und die Macht der Bürokraten in Washington.

P.J. Kennedy steigt zum Boss des zweiten Bostoner Wahlbezirks auf und wird in den Senat von Massachusetts gewählt. Als Generalimporteur einer britischen Whiskyfirma und Hauptaktionär einer kleinen Bank bringt es Patrick zu einigem Wohlstand und zieht mit seiner Familie aus den Slums in einen Vorort, wo die «Spitzengardinen-Iren» wohnen. Gegen den Widerstand der Kirche schickt er den 1888 geborenen Sohn Joseph nicht auf eine katholische Konfessionsschule, sondern – wie die protestantischen «Brahmanen» – auf die Bostoner Lateinschule.

Nach dem Studium arbeitet «Joe» kurz in der Bank seines Vaters, wird stellvertretender Bankprüfer des Staates Massachusetts und ist mit 25 Jahren der jüngste Bankpräsident der USA. Als Lebensziel gibt er an: «Bis fünfunddreißig Millionär sein.»[8] Die Heirat mit Rose Fitzgerald, der Tochter eines früheren Bostoner Bürgermeisters, bedeutet die Vereinigung zweier mächtiger irischer Clans und ist der Gründungsakt der Dynastie.

Gründe für das Wachstum der katholischen Kirche

1. Westliche Expansion der USA mit Kauf bzw. Annektierung französischer und spanischer Gebiete. Bereits 1850 bilden Katholiken die größte Einzelkonfession.

2. Zuwanderung aus Irland, Italien, Polen und Deutschland. Zwischen 1850 und 1900 verdreifacht sich die Zahl der Katholiken auf etwa 12 Millionen oder ein Sechstel der Bevölkerung, was zu Warnungen vor der...

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