6 Sexuelle Übergriffe: Früh entdecken und das Risiko verringern (S. 129-130)

Wenn Sie die tiefe Wunde eines sexuellen Traumas nicht aus eigener Erfahrung kennen, fällt es Ihnen wahrscheinlich schwer, sich vorzustellen, wie komplex, verwirrend und vielfältig die langfristigen Folgen sein können. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Kind von einem Menschen angegriffen wurde, dem es vertraute oder den es sogar liebte. Wird einem Kind die Unschuld genommen, beeinträchtigt das sein Selbstwertgefühl, seine persönliche Entwicklung, seine Sozialisation und sein Leistungsvermögen.

Sexuelle Übergriffe in einem frühen Alter haben verheerende Auswirkungen auf das spätere Intimleben des Erwachsenen und seine Beziehungen generell. Außerdem neigen diese Kinder zu somatischen Symptomen, Rigidität, Schüchternheit oder Über-/Untergewicht, die auf dem bewussten oder unbewussten Versuch beruhen, Sicherheit zu schaffen, indem sie andere Menschen aus ihrem Leben »aussperren«.

Weil es für sie schmerzhaft ist, in ihrem Körper ganz präsent zu sein, tendieren diese Kinder dazu, in einer Fantasiewelt zu leben, und entwickeln Probleme wie Aufmerksamkeitsdefizit, innere Abwesenheit, Tagträumen und dem, was Psychologen Dissoziation nennen. Mit diesen Bewältigungsmechanismen versuchen sie ihr schreckliches Erlebnis von sich fern zu halten. So überleben Kinder, die Opfer sexueller Übergriffe wurden, aber natürlich blühen und gedeihen sie nicht, solange ihre verborgenen Wunden nicht entdeckt und geheilt werden.

In diesem Kapitel geht es vor allem darum, ein Bewusstsein für diese Erlebnisse zu bekommen und ihnen vorzubeugen. Wir gehen hier auch der Frage nach, wie Sie auf Kinder so zuzugehen können, dass sie sich bei Ihnen sicher fühlen und Ihnen vertrauen, sodass sie Ihnen mitteilen, was Sie wissen müssen. Sie bekommen Anleitung, wie Sie erkennen, was ein sexuelles Trauma ist, und wie Sie Ihre Kinder davor schützen, ohne sie zu verängstigen. Wir zeigen Ihnen auch, wie Sie gesunde Grenzen setzen, und unterstützen Sie darin, in Ihrer Gegenwartsfamilie für eine Atmosphäre zu sorgen, die der Entwicklung einer gesunden Sexualität förderlich ist.

Wenn Eltern entsprechende Gelegenheiten wahrnehmen, um über Themen wie Berührung und Sexualität zu sprechen, nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch werden, beträchtlich ab. Außerdem brauchen Kinder Eltern, die ihr Körperbewusstsein fördern und denen sie glauben können. Sie müssen sich auch darauf verlassen können, dass diese Menschen sie beschützen.