Sie sind hier
E-Book

Klassenzimmer als Lebensraum: Einflüsse der Raumgestaltung auf die Lernbereitschaft

Einflüsse der Raumgestaltung auf die Lernbereitschaft

AutorAlexandra Widmer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl115 Seiten
ISBN9783640431861
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Schulpädagogik, Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Ich hasse Klassenzimmer, die erinnern mich an meine Schulzeit.' Für mich wäre es die absolute Horrorvorstellung, dass eine/r meiner SchülerInnen sich einmal so äußern würde. Im Volksmund sagt man doch immer so schön: 'Den Kindern gehört die Zukunft.' Ich denke aber, dass wir durch den Umgang mit unseren Kindern diese Zukunft wesentlich mitgestalten. Kinder haben eine ganz natürliche Lebensfreude und Energie. Sie bewegen sich mit einer Leichtigkeit und einer Selbstverständlichkeit, der die meisten Erwachsenen nur träumen können. Sie leben zunächst ohne irgendeine Konvention oder Verpflichtung und machen sich keine Gedanken darüber, wie ihr Umfeld auf sie und ihr Verhalten reagiert. Ihr Instinkt bestimmt ihre Handlungsweisen. Wie lange die Kinder diese naturgegebenen Eigenschaften beibehalten und sie ausleben können, liegt zu einem gewissen Teil bei uns, die die Kinder auf ihrem Weg, erwachsen zu werden, begleiten und deshalb sollte ihnen unsere Aufmerksamkeit gelten. Man muss Kindern die Möglichkeit geben, ihre natürlichen Charaktereigenschaften nicht unterdrücken zu müssen. Ich denke, wir müssen genau das Gegenteil erreichen. Pädagogen sollten die individuellen Charaktere jedes einzelnen Kindes fördern. Die Umwelt muss dem Kind die Möglichkeit geben, seine Freude zu behalten, zu wachsen, sich zu entfalten, sich nicht eingeengt oder bedrängt zu fühlen und sich entwickeln zu können - eine kindgerechte Umgebung ist die Grundlage dafür. Das Elternhaus der Kinder ist die erste Instanz, die erreichen sollte, dass die Kinder ein Gefühl dafür erhalten, sich seinen Anlagen gemäß zu verhalten. Hier kann eine Lehrperson eigentlich gar keinen Einfluss ausüben, sondern allerhöchstens eine beratende Funktion übernehmen. Mir ist aufgefallen, dass es hierfür immer vermehrter Elternratgeber und Literatur gibt, was mir zeigt, dass sich sowohl die Eltern, wie auch die Experten damit auseinander setzen und auch miteinander kommunizieren. Die kann dann beispielsweise so klingen: 'Zuerst sollten Sie überprüfen, ob die äußeren Bedingungen und das Lernumfeld Ihres Kindes wirklich optimal sind: von A wie Arbeitsplatz bis Z wie Zeiteinteilung.' Das ist eine positive Entwicklung an der die Pädagogen anknüpfen können, denn nach dem Elternhaus folgen als nächste Ebene direkt der Kindergarten und die Schule. Die liegt dann wiederum im Entscheidungsbereich von KintergärtnerInnen und LehrerInnen, wie die Umgebung in diesen Bereichen zu gestalten ist.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3. der (lebens)raum


 

3.1 Der Raum


 

3.1.1 Der „gelebte“ Raum


 

Zunächst möchte ich den Begriff des Raumes ganz allgemein betrachten. Das Umfeld in dem sich ein Mensch bewegt hat Einflüsse auf physische Belange des Körpers, wie auch auf seine Psyche.

 

Die beiden Basisdimensionen, die man sich zunächst verdeutlichen muss, sind die Unterscheidung von Außen- und Innenraum. Otto Friedrich von Bollow beschreibt:

 

„Das eine ist die weite Welt, in der der Mensch in der Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen seine Arbeit zu leisten hat […], das andere ist der engere Raum, in dem er sich zurückziehen, an dem er sich ausruhen und nach den Anstrengungen des Lebens wieder zu sich selbst kommen kann.“[9]

 

Was bedeutet nun der Außen- und der Innenraum in der Schule?

 

Ein Klassenraum sollte meiner Meinung nach eigentlich beide Dimensionen in sich vereinen. Er sollte sowohl ein Raum der Gemeinschaft sein, wie auch Rückzugsmöglichkeiten bieten, aber das wird in den späteren Kapiteln noch ein genauer behandelt werden.

 

Zurück zum Raum im Allgemeinen: Man muss sich bewusst sein, dass man den Raum nicht als neutrales Feld betrachten kann. Oft heißt es, man befände sich in einer neutralen Umgebung. Eine neutrale Umgebung kann nie gegeben sein, denn

 

 „ er ist stets vom Mensch erlebter und gelebter Raum.“[10]

 

Selbst ein völlig leeres Zimmer, ohne Einrichtung oder Gegenstände jeglicher Art, ist nicht neutral. Schon diese Leere selber nimmt die Neutralität bereits wieder. Das so viel gebrauchte Sprichwort: „Wir bewegen uns auf einem neutralen Raum.“, kann also niemals gegeben sein. Neutrale Räume gibt es nicht! Dass immer eine Wechselwirkung zwischen menschlichem Verhalten und dem allgemeinen Wohlbefinden eines Menschen und dem Faktor „Raum“ besteht, erlebt jeder von uns ständig am eigenen Leib. Manchmal fühlen wir uns in einer bestimmten Umgebung nicht wohl. Sei es nun die Wohnung eines/r Freundes/in, ein Hotelzimmer im Urlaub, der Arbeitsplatz oder eine ganze Stadt. Otto Friedrich von Bollow sieht den Raum als einen Faktor, der sowohl positiv, wie auch negativ beeinflussen kann und sich auch so auf die Befindlichkeit auswirkt, auch wenn der Mensch das vielleicht nicht möchte oder es nicht bewusst merkt.

 

„Der Mensch befindet sich nicht in einem Raum, so wie sich etwa ein Gegenstand in einer Schachtel befindet und er verhält sich auch nicht so zum Raum, als ob er zunächst etwa wie ein raumloses Subjekt vorhanden wäre, das sich dann hinterher auch zu einem Raum verhielte, sondern das Leben besteht ursprünglich aus diesem Verhältnis zum Raum und kann davon nicht einmal in Gedanken abgelöst werden.“[11]

 

Jeder Mensch hat natürlich seine Vorlieben und auch seinen eigenen Geschmack, aber in den Grundlagen hat der Mensch doch einen Anspruch an seine Umgebung, der sich nicht sehr von denen in seiner Gesellschaft herrschenden Gepflogenheiten unterscheidet.

 

Dieser Umstand wurde schon von einigen verschiedenen Blickrichtungen untersucht. Hier erläutere ich einige dieser Betrachtungen:[12]

 

 den erkenntnistheoretischen und anthroposophischen Aspekt

 

 den verhaltenstheoretischen Blickwinkel

 

 die psychotherapeutische Betrachtung

 

 die psychosomatische Ansicht

 

 die Sozialpsychologie

 

So sah Imanuel Kant beispielsweise den erkenntnistheoretischen und anthroposophischen Aspekt. Er beschreibt den Raum als die Grundkategorie des menschlichen Seins. Er bietet den Menschen Entfaltungsmöglichkeiten zur Auslebung ihrer Interessen und Wünschen und ihrer psychischen Angelegenheiten, denn

 

 „Jede Veränderung im Menschen bedingt eine Änderung seines gelebten Raumes.“[13]

 

Kennen wir das nicht auch aus unserem Alltag? Findet eine wesentliche Veränderung in unserem Leben statt oder hat sich etwas an unserem allgemeinen Gefühlszustand verändert, so tendieren wir Menschen doch oft dazu auch unsere Umgebung zu verändern. Sei es nun die extreme Variante, dass wir umziehen oder in ein anderes Land auswandern oder dass wir im kleineren Rahmen einfach unseren Wohnraum verändern und umgestalten. Das ist ein Vorgang, der vielen von uns bekannt sein dürfte.

 

Verhaltenstheoretisch wird beschrieben, dass die Wahrnehmung von Raum von drei Faktoren abhängt: Die Wahrnehmung mit allen Sinnen, die Veränderbarkeit bzw. Fixierung des Raumes und die Gestaltung der Raumdistanz vom Menschen. Die Sinneswahrnehmung, den Raum betreffend, beschäftigt sich besonders mit dem Geruchssinn, dem Gesichtssinn, dem Tastsinn und dem Wärmeempfinden. Bei der Fixierung des Raumes geht es um die Festlegung einer Funktion in einem Zimmer. Sei es nun Küche, Bad, Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Werkstatt oder auch das Klassenzimmer. Räume, die eine bestimmte Funktion haben, sind  ähnlich aufgebaut und man findet sich grob, auch ohne ihn zuvor schon einmal betreten zu haben, darin zu Recht. Wir wissen auch, dass im einem bestimmten Raum, eine bestimmte Verhaltensweise von uns erwartet wird, sei es nun in einem Restaurant, eine Kirche oder auf einem Fest. Wir kennen die Erwartungen an unser Verhalten in diesem Rahmen und richten uns meistens danach. Diese dem Raum zugeschriebenen Verhaltensweisen gelten im Übrigen auch für das Klassenzimmer. Kinder lernen dieses Verhalten früh und richten sich ebenfalls danach, was ein später genanntes Beispiel noch mal verdeutlichen wird.

 

Die Raumdistanz beschreibt die emotionale Distanzierung des Menschen von bestimmten Räumen, wenn sie beispielsweise überfüllt sind oder einfach eine Abneigung im Menschen hervorrufen. Auch das ist ein Vorgang, den wir alle kennen. Es gibt Umgebungen, die mögen wir einfach nicht und können oft nicht einmal erklären, warum.

 

Bruno Bettelheim stellte die Theorie auf, dass psychotherapeutisch gesehen der Raum und dessen Einrichtung Stützfaktoren sein können. Diese Faktoren können mit für das Gefühl, sich als wertvoller Mensch zu fühlen, verantwortlich sein. Ganz subjektiv aus eigenen Beobachtungen betrachtet, kann ich mir das gut vorstellen. Wie oft berufen wir Menschen uns auf die materielle Umgebung, auf unsere sog. Statussymbole. Oft konkurrieren Menschen oder ganze Gesellschaftsschichten damit untereinander und fühlen sich dadurch in ihrem Umfeld besser anerkannt. In der Schule habe ich Sätze dieser Art auch von Kindern schon gehört: „So was hat nur unsere Klassenzimmer, sonst kein anderes hier in der Schule.“ Einerseits ist das eine ganz natürliche Eigenschaft des Menschen, andererseits muss man aufpassen, dass diese nicht zu sehr gefördert wird und der Stellenwert der materiellen Dinge in einer Klassengemeinschaft nicht zu hoch bewertet wird. Deswegen würde ich es als sinnvoll ansehen, wenn die  Klassenzimmer in einer Schule nicht zu unterschiedlich sind und das Lehrerkollegium da vielleicht mehr Hand in Hand arbeiten würde.

 

Unmenschliche Architektur hat eine Auswirkung auf unsere Lebensprozesse und beeinträchtig sie negativ. So sieht das die Psychosomatische Theorie. Seien es nun zu kleine, zu dunkle oder zu unübersichtliche Räume. Es gibt grundlegende Gegebenheiten, die der Mensch in seinem Umfeld nicht besonders mag und sie meidet.

 

Die Sozialpsychologie beschäftigt sich bereits direkt mit den Lernumwelten und legt vier Kriterien zu ihrer Gestaltung fest:

 

 Ermöglichung des Wechsels der Handlungsperspektiven (Perspektivenprinzip)

 

 straffreie Erkundung (Autotelisches Prinzip)

 

 selbstständige Problemlösung (Produktivitätsprinzip)

 

 Rückmeldung der eigenen Handlungen (Personalisierungsprinzip)

 

All das sind Gesichtspunkte, die die Lernumwelt, das Lernverhalten und somit auch den Lernerfolg der SchülerInnen beeinflussen und möglichst optimal strukturiert sein müssen.

 

3.2 Kinder und ihr Lebensraum


 

3.2.1 Veränderungen im  leben der Kinder


 

Der Begriff der „veränderten Kindheit“ wird in Zusammenhang mit dem Leben von heutigen Heranwachsenden nicht selten genannt. Kinder erleben ihr Erwachsenwerden heute anders, als noch die Generationen zuvor. Zum einen entwickelten sich ihre materiellen Gegebenheiten weiter, denn Kinder haben heute mehr und anderes Spielzeug, Zugänge zu technischen Geräten und die modernen Medien zur Gestaltung ihres Tagesablaufes. Vergleicht man das Leben eines Kindes mit dem Leben vor ca. 30 Jahren, so stellt man fest, dass vieles anderes geworden ist, wie beispielsweise:

 

 die Modernisierung des Alltags

 

 die Wohnbedienungen

 

 die Ausstattung der Kinderzimmer

 

...
Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

DHS

DHS

Die Flugzeuge der NVA Neben unser F-40 Reihe, soll mit der DHS die Geschichte der "anderen" deutschen Luftwaffe, den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee (NVA-LSK) der ehemaligen DDR ...