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Kollektive Identitäten im Nahen und Mittleren Osten. Studien zum Verhältnis von Staat und Religion

VerlagWaxmann Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl505 Seiten
ISBN9783830973942
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,40 EUR
Voreingenommenheiten bestimmen vielfach unser Bild vom Nahen und Mittleren Osten. Das betrifft insbesondere das Dreiecksverhältnis von Identität, Staat und Religion. Selbstbild und Fremdbild klaffen hier weit auseinander. Ängste und Pauschalisierungen gegenüber einer unzulässig mit ‚dem´ Islam gleichgesetzten Staatenwelt sind die Folge. Identitäten und Identitätskonstruktionen im Nahen und Mittleren Osten sind indes vielfältig und komplex. Unterschiedliche Mythen, Erzählungen und Symbole, aber auch Macht und Interessen führen zu divergierenden, ja nicht selten miteinander im Konflikt stehenden Identitäten. Religion ist zwar ein identitätsbildender Faktor, er ist aber nicht der allein bestimmende.

Dieser Sammelband setzt sich in 24 Beiträgen mit dem Verhältnis von transnational-universalistischen und nationalstaatlich-partikularistischen Identitätskonstruktionen im Nahen und Mittleren Osten auseinander. Er befasst sich mit der Entstehung, der Dauerhaftigkeit und dem Wandel derartiger Konstruktionen. Er ist zugleich eine Aufforderung und eine Mahnung, den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens nicht mit pauschaler Ablehnung zu begegnen, sondern sich ihnen mit Einfühlungsvermögen zu nähern. Als Ergebnis interdisziplinärer Forschungsarbeit versucht er, dazu einen Beitrag zu leisten. Er beruht auf einem gemeinsamen Projekt der ‚Werkstatt Nahost´ des Instituts für Politikwissenschaft und des Exzellenzclusters ‚Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne´ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt
  2. Kollektive Identitäten im Nahen und Mittleren Osten im Kontext von Staat und Religion
  3. Die Umma – Wandel und Interpretationen eines Gemeinschaftskonzepts
  4. Der Pan-Islamismus – eine transnationale politische Fiktion?
  5. Der Pan-Arabismus – eine gescheiterte staatenübergreifende Idee?
  6. Der Zionismus: Eine (Trans-)Nationalbewegung
  7. Identität durch antikolonialen Befreiungskampf: Algerien
  8. Identität durch Territorialkonflikt: Palästina
  9. Identität durch Personenkult: Gamal Abdel Nasser und Rouhollah Khomeini
  10. Identität durch Mythenbildung: Massada
  11. Identität durch Sozialisation: Das Militär in der Türkei
  12. Identität durch neue Medien? Pluralisierung der Identitätsangebote
  13. Identität durch Recht und Gesetz
  14. Der Iran – ein Republikanischer Gottesstaat?
  15. Der Iran: Eine Dualistische Identitätskonstruktion
  16. Saudi-Arabien zwischen Islam und Moderne
  17. Der Irak: Identitätsentwürfe im Wandel
  18. Ägypten: Pharaonismus, Pan-Arabismus und Pan-Islamismus
  19. Der Libanon zwischen Integration und Fragmentierung
  20. Der Grundsatz des Laizismus in der Türkei
  21. Israel: Identitätskonstruktion im Spannungsfeld von Staat, Religion und Nationalismus
  22. Ausgrenzung und Verfolgung: Die Bahâ´i im Iran
  23. Bürger zweiter Klasse: Die Kopten in Ägypten
  24. Inklusion statt Exklusion? Die Aleviten in der Türkei
  25. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Leseprobe
Identität durch Recht und Gesetz (S. 253-254)

Anna Catharina Müller und Shazia Saleem

Grundlagen

„From state to nation“ oder „from nation to state“ (Habermas 1996: 128) sind die beiden ide altypischen Wege, auf denen die Konstruktion eines Nationalstaats erfolgen kann. Dass ein Territorialgebilde zum Bezugsrahmen kollektiver nationalstaatlicher Identität wird, ist auf beiden Wegen möglich.

Es kann zunächst das Staatswesen mit seinen Strukturen und Prozessen geschaffen und im Nachhinein mit Merkmalen der Identität ‚gefüllt‘ werden. Andersherum ist es aber auch möglich, bereits existierende, durch gemeinsame Merkmale wie Abstammung, Sprache oder Religion gekennzeichnete Gruppen zu einem Gemeinwesen zusammenzufassen und dieses sodann institutionell durch einen Staatsaufbau abzustützen. Nationalstaaten sind als formal-rechtliche und politische Entitäten eine europäische Erfi ndung. Ihr Kennzeichen ist gemäß der ‚Drei-Elementen-Lehre‘ Georg Jellineks das Vorhandensein eines Staatsgebietes, eines Staatsvolks und einer Staatsgewalt (vgl. Wolffgang 42007: 59 ff.).

Die Institutionen, die die Staatsgewalt ausüben, bedürfen dabei einer Legitimation durch das Volk. Diese beruht auf der Überzeugung, dass die Ordnung menschlichen Zusammenlebens auf der Handhabung konsensualer Werte beruht, also nicht willkürlich erfolgt. Die sich daraus ergebende Identität spiegelt sich in Recht und Gesetz wider bzw. wird durch Recht und Gesetz geformt.

Dazu gehören auch (geschriebene) Verfassungen, also Normen, die die politische und rechtliche Grundordnung eines Gemeinwesens ausmachen (vgl. Robert/Wittkämper 42007: 69 f.). Verfassungen sind Bestandteil des Prozesses westlicher Staats- und Nationenwerdung. Ihr Zustandekommen ist eng mit dem Gedanken der Volkssouveränität verbunden. Das trifft für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens zumindest nicht in demselben Umfang zu. Als territoriale Einheiten sind diese Länder bzw. Staaten überwiegend Kunstprodukte des 20. Jahrhunderts. Deshalb bieten sie für ihre Bevölkerung auch keinen selbstverständlichen Bezugsrahmen. Kollektive Identität ist vielfach nicht von unten gewachsen, sondern muss von oben geschaffen werden.

Das wirft die Frage nach der Bedeutung von Recht und Gesetz – insbesondere von Verfassungen – für die Konstruktion nationalstaatlich-partikularistischer Identität auf. Eine Verfassung ist ein Dokument über die rechtliche und politische Grundordnung eines Gemeinwesens (vgl. ebd.: 69). Dabei kommt den Umständen, unter denen sie verabschiedet und in Kraft gesetzt worden ist, große Wichtigkeit zu. Geht die Staats- der Nationenbildung voraus und wird von einer politischen Elite vorangetrieben, ist die Verfassung Teil eines ‚top-down‘ gesteuerten Formierungsprozesses.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt8
Kollektive Identitäten im Nahen und Mittleren Osten im Kontext von Staat und Religion10
Die Umma – Wandel und Interpretationen eines Gemeinschaftskonzepts34
Der Pan-Islamismus – eine transnationale politische Fiktion?56
Der Pan-Arabismus – eine gescheiterte staatenübergreifende Idee?76
Der Zionismus: Eine (Trans-)Nationalbewegung116
Identität durch antikolonialen Befreiungskampf: Algerien136
Identität durch Territorialkonflikt: Palästina154
Identität durch Personenkult: Gamal Abdel Nasser und Rouhollah Khomeini174
Identität durch Mythenbildung: Massada194
Identität durch Sozialisation: Das Militär in der Türkei214
Identität durch neue Medien? Pluralisierung der Identitätsangebote234
Identität durch Recht und Gesetz254
Der Iran – ein Republikanischer Gottesstaat?274
Der Iran: Eine Dualistische Identitätskonstruktion294
Saudi-Arabien zwischen Islam und Moderne316
Der Irak: Identitätsentwürfe im Wandel336
Ägypten: Pharaonismus, Pan-Arabismus und Pan-Islamismus360
Der Libanon zwischen Integration und Fragmentierung380
Der Grundsatz des Laizismus in der Türkei400
Israel: Identitätskonstruktion im Spannungsfeld von Staat, Religion und Nationalismus420
Ausgrenzung und Verfolgung: Die Bahâ´i im Iran440
Bürger zweiter Klasse: Die Kopten in Ägypten460
Inklusion statt Exklusion? Die Aleviten in der Türkei480
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren502

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