KAPITEL 2
Trainingsvariablen
Ein Krafttrainingsprogramm dauert einige Wochen bis Monate, bevor eine neue Trainingsphase sinnvoll wird. In Anbetracht dieses Zeitrahmens scheint ein einziges Workout unbedeutend in Relation zum gesamten Programm. Doch die Gestaltung jedes einzelnen Workouts ist so wichtig wie das Programm insgesamt, und zwar, weil erst die Aneinanderreihung jedes einzelnen Workouts das langfristige Trainingsprogramm ergibt und damit zu den Adaptationen führt, die durch das Programm angestrebt werden. In diesem Kapitel werden die maßgeblichen Grundsätze bei der Gestaltung eines einzelnen Krafttraining-Workouts erörtert.
Jedes Workout besteht aus mindestens fünf spezifischen Programmvariablen. Sie können diese anpassen, um das Workout zu gestalten: Übungsauswahl und -reihenfolge, Anzahl der Trainingssätze, Widerstand und Satzpausen. Die Variablen bedürfen sorgfältiger Abstimmung, um ein Ihrem Fitnesslevel entsprechendes Workout zu gestalten, das auch zu den gewünschten Adaptationen führt.
Wenngleich Kraftsportler wie olympische Gewichtheber, Powerlifter und Bodybuilder bereits seit vielen Jahren diese Variablen verwendet haben, so wird es doch William J. Kraemer, PhD, zuerkannt, die, wie er sie nennt, fünf spezifischen Gruppen von unmittelbaren Programmvariablen wissenschaftlich bestimmt und aufgezeichnet zu haben (siehe Tab. 2.1). Die systematische Anpassung dieser unmittelbaren Variablen führt zu einem periodisierten Trainingsprogramm.
ÜBUNGSAUSWAHL
Alle unmittelbaren Variablen eines Programms sind wichtig, doch die Übungsauswahl ist eine besonders bedeutsame. Denn wenn man nicht die passende Muskelgruppe trainiert, werden alle anderen Variablen bedeutungslos. D h. etwa, dass Muskeln, die nicht trainiert werden, keinen Nutzen aus dem Programm ziehen. Demzufolge ist die Auswahl der Übungen für jedes Workout der erste Schritt zur Gestaltung eines effektiven Trainingsprogramms.
TABELLE 2.1 Programmgestaltung
Übungsauswahl | Grundübungen Hilfsübungen Verbundübungen Isolationsübungen Trainingsmittel |
Übungsreihenfolge | Grundübungen, gefolgt von Hilfsübungen Größere Muskelgruppen, gefolgt von kleineren Zuerst mit weniger trainierten Muskelgruppen arbeiten Aufeinanderfolgende Trainingssätze pro Übung Supersätze |
Anzahl der Trainingssätze | Volumeneffekt Einsatztraining Mehrsatztraining Anzahl der Trainingssätze pro Übung Anzahl der Trainingssätze pro Muskelgruppe Anzahl der Trainingssätze pro Workout |
Widerstand (Intensität) | Prozentsatz des 1RM RM Zielbereich OMNI-RES-Skala |
Pausen zwischen den einzelnen Sätzen | Je nach verwendetem Widerstand Je nach gewünschter Muskeladaptation Je nach trainiertem Stoffwechselweg Je nach Trainingstechnik |
Abgeleitet aus S.J. Fleck & W.M. Kraemer, Designing Resistance Training Programs, 3. Aufl. (Champaign, IL: Human Kinetics), 158–173.
Bezüglich der Steigerung von Muskelkraft können die Übungen eines Workouts in Grund- und Hilfsübungen eingeteilt werden; siehe Tab. 2.2 für eine Auflistung der gängigen Grund- und Hilfsübungen. Grundübungen sind jene, die sich konkret auf die Ziele des Trainierenden konzentrieren. Sie müssen also jedenfalls die Muskelgruppen einschließen, in denen der Trainierende einen Kraftanstieg erreichen möchte. Für Sportler im Wettkampf sollten die Grundübungen nicht nur auf genau die Muskelgruppen abzielen, die auch im Wettkampf wichtig sind, sondern auch Übungen einschließen, die die Bewegungsabläufe der jeweiligen Sportart widerspiegeln. Die Grundübungen für einen olympischen Gewichtheber etwa sind Stoßen und Reißen, für einen Powerlifter Bankdrücken, Kniebeuge und Kreuzheben; für einen Footballspieler der Offensivlinie Kniebeuge und Schrägbankdrücken.
TABELLE 2.2 Grund- und Hilfsübungen
Standumsetzen (Power Clean) Kreuzheben Kniebeuge Beinpresse Bankdrücken Schulterdrücken Langhantelrudern Klimmzug | Kniestrecken Beincurls Brustflys Seitheben für den Deltamuskel Bizepscurls Trizepsstrecken Handgelenkcurls Wadenheben Bauchcrunches |
Grundübungen sind üblicherweise Verbundübungen wie Bankdrücken, Kniebeuge und Kreuzheben. Diese Übungen erfordern den koordinierten Einsatz mehrerer Muskelgruppen. Da mehrere große Muskelgruppen dabei aktiviert werden, sind dies tendenziell jene, bei denen das meiste Gewicht gehoben werden kann. So liegen die Weltrekorde im Kreuzheben und im Kniebeugen jeweils weit über 400 bzw. 500 kg. Der Weltrekord bei Bizepscurls mit Kurzhanteln (obwohl dies von keinem Powerlifter-Verband als Lift anerkannt wird), einer Isolationsübung (üblicherweise als Hilfsübung bezeichnet), liegt jedoch nur bei etwas mehr als 180 kg. Da die Grundübungen große Kraft und Koordination abverlangen, sollten sie zu Beginn des Workouts ausgeführt werden, solange die Muskelgruppen noch nicht erschöpft sind.
Hilfsübungen sind üblicherweise Isolationsübungen wie Bizepscurls, Trizepsstrecken und Seitheben für den Deltamuskel. Diese Übungen zielen oft nur auf eine einzelne Muskelgruppe ab. Nachdem nur eine Muskelgruppe arbeitet, um das Gewicht zu heben, werden sie normalerweise mit viel leichterem Gewicht ausgeführt als Grundübungen. Powerlifter und andere Kraftsportler machen Hilfsübungen zumeist gegen Ende des Workouts, wenn die wichtigsten Muskelgruppen von der Ausführung der Grundübungen bereits erschöpft sind. Eine Ausnahme von der Regel, nach der die meisten Hilfsübungen Isolationsübungen sind, ist das Core-Training. Dieses Training der Tiefenmuskulatur der Bauchhöhle und des unteren Rückens umfasst komplexe Bewegungsmuster, die mehrere Gelenke einschließen und die Rumpfmuskulatur dazu bringen, sich an der Körperstabilisierung zu beteiligen.
Für die Förderung des Muskelaufbaus können alle Übungen auch in Mehr- und Eingelenkübungen gegliedert werden. Im Bodybuilding spricht man von Verbund- und Isolationsübungen. Isolation bezieht sich darauf, dass die Eingelenkbewegung die Hauptmuskelgruppe isoliert, sodass diese Muskelgruppe bei der Übung allein und ohne die Hilfe anderer Muskelgruppen arbeiten muss. Ein Beispiel dafür ist das Beinstrecken. Während es für die meisten wichtigen Muskelgruppen sowohl Verbund- als auch Isolationsübungen gibt, sind Bizeps, Unterarme, Waden und Bauchmuskeln Muskelgruppen, die üblicherweise nur mit Isolationsübungen trainiert werden; eine Liste der Verbund- und Isolationsübungen für die meisten wichtigen Muskelgruppen finden Sie in Tab. 2.3.
TABELLE 2.3 Verbund- und Isolationsübungen
Muskelgruppe | Verbundübungen | Isolationsübungen |
Brust | Bankdrücken Bankdrücken mit Kurzhanteln | Kurzhantelflys Kabelzüge über Kreuz |
Schultern | Langhantel-Überkopfdrücken Aufrechtes Rudern | Seitheben Frontheben |
Trizeps | Bankdrücken mit engem Griff Dips | Trizepsdrücken Trizepsstrecken im Liegen |
Bizeps | | Langhantelcurls Curls, sitzend auf der Schrägbank |
Unterarme | | Unterarmcurls Unterarmstrecken |
Quadrizeps | Kniebeugen Beinpresse | Beinstrecken |
Hintere Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur | Kniebeugen Kreuzheben | Beincurls Rumänisches Kreuzheben |
Waden | | Wadenheben im Stehen Wadenheben im Sitzen |
Bauch | | Crunches Reverse Crunches |
Trainingsgeräte sind ein weiterer Faktor bei der Übungsauswahl für ein individuelles Workout. Beim Großteil der...