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Krankheit und Schule - wie ist das möglich?

Rahmenbedingungen, Organisation, pädagogische Hilfen - Ein Ratgeber für Schüler, Eltern und Lehrkräfte

AutorAlexander Wertgen
VerlagSchulz-Kirchner Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl64 Seiten
ISBN9783824809349
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Ca. 14% aller schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen gelten als chronisch krank. Diese Kinder und Jugendlichen sind aufgrund einer schwerwiegenden, länger dauernden Erkrankung häufig über größere Zeiträume in stationärer oder teilstationärer Behandlung. Das führt zu großen Belastungen der gesamten Familie und zu langfristigen Folgen. Das Kind/der Jugendliche -kann den Lernstoff nicht bewältigen, -versäumt wichtige Leistungsnachweise, -erreicht das Klassenziel nicht, -verliert den Kontakt zu seinen Schulkameraden, -wird sozial ausgegrenzt. Alexander Wertgen ist seit mehreren Jahren als Lehrer an Schulen für Kranke tätig. Im vorliegenden Ratgeber fasst er seine Kenntnisse und Erfahrungen zusammen. Er gibt Informationen über: -besondere pädagogische Bedürfnisse und damit verbunden über individuelle und sonderpädagogische Förderung -Stigmatisierung als die ?zweite? Krankheit -Schule für Kranke und Hausunterricht -Hilfen innerhalb und außerhalb der Klinik -Rückkehr in die Stammschule Nur wenn Eltern, ältere Schüler, Lehrkräfte und Therapeuten über die Möglichkeiten und die gesetzlichen Vorgaben informiert sind, können sie ihr Recht auf Bildung durchsetzen. Nur dann ist Schule trotz Krankheit möglich.

Alexander Wertgen, Jg. 1973, Diplom-Pädagoge, Bachelor of Arts, Magister Artium (Philosophie), Lehramt für Gymnasien und Gesamtschulen, Lehramt für Sonderpädagogik, Heilpraktiker/Psychotherapie, seit elf Jahren im Schuldienst, davon seit acht Jahren an Schulen für Kranke, dort Arbeit mit somatisch und psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt: gemeinsam mit Hermann Frey (Hrsg.) Pädagogik bei Krankheit. Konzeptionen, Methodik, Didaktik, Best-Practice-Beispiele.

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Leseprobe

| Schule für Kranke und Hausunterricht

Schule für Kranke und ihre Zuständigkeit

Schulen für Kranke sind Teil des allgemeinen Schulsystems. Sie unterscheiden sich allerdings deutlich von anderen Schulen durch ihren spezifischen Bildungs- und Erziehungsauftrag, durch ihre Klientel und durch die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten. Am ehesten sind sie mit kleinen, integrativen Gesamtschulen zu vergleichen. Schulen für Kranke sind für alle Schüler zuständig – ganz gleich, welche Stammschule sie besuchen bzw. welchen schulischen Bildungsgang sie verfolgen. Dementsprechend unterrichten dort Lehrkräfte aller Lehrämter. In der Regel stellen Lehrer für Sonderpädagogik den größten Teil der Lehrerschaft. Das ist zum einen formal aus dem bislang noch verbreiteten Status von Schulen für Kranke als Förderschulen und zum anderen inhaltlich aus ihren Aufgaben der individuellen, v. a. der sonderpädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen nach dem Förderschwerpunkt „Unterricht kranker Schüler“ zu erklären. Allerdings wurden auch Sonderschullehrer nicht durch eine spezifische Ausbildung für die Tätigkeit an Schulen für Kranke vorbereitet. Angesichts des umfassenden Unterrichtsbedarfs, den längerfristig erkrankte Schüler in den Kernfächern haben, wäre es gut, wenn Lehrer an Schulen für Kranke auch formal über entsprechende fachliche Unterrichtsbefähigungen verfügten. Das hätte zur Folge, dass sich die Zusammensetzung der Kollegien an Schulen für Kranke entsprechend ändern müsste und in Zukunft mehr Lehrkräfte mit Lehrbefähigungen für die Kernfächer in den Sekundarstufen I und II eingestellt werden müssten.

Die Schule für Kranke ist eine öffentliche Schule, jedoch keine Angebotsschule, an der Eltern ihr Kind – wie dies an allen anderen öffentlichen oder privaten Schulen üblich ist – anmelden können. Kinder und Jugendliche sollen sie nur vorübergehend besuchen. Als „Durchgangsschule“ überbrückt sie die Zeit, in der ein Schüler am Unterricht seiner Stammschule aufgrund einer Erkrankung und deren Behandlung in einer Klinik nicht teilnehmen kann. Folgende Voraussetzungen zum Besuch einer Schule für Kranke müssen erfüllt sein:

   Ein Schüler muss innerhalb eines Schuljahres voraussichtlich mindestens vier Wochen erkrankt sein. Dabei kann es sich sowohl um einen zusammenhängenden Zeitraum handeln als auch um mehrere zu erwartende, aufeinanderfolgende kürzere Klinikaufenthalte.

   Der Schüler sollte sich in stationärer oder teilstationärer ärztlicher Behandlung befinden und daher seine Stammschule nicht besuchen können.

   Der Schüler besucht eine deutsche Stammschule im Inland oder eine deutsche Auslandsschule.

In aller Regel befürworten die behandelnden Ärzte die Beschulung ihrer jungen Patienten und kommen der Bitte, ein Attest auszustellen, gerne nach. In Abhängigkeit von der Art der Erkrankung zögern einige Ärzte allerdings manchmal, prospektiv einen Behandlungszeitraum von vier Wochen zu attestieren. Hier ist es in der Regel hilfreich, auf die Möglichkeit der Addition mehrerer kürzerer Klinikaufenthalte hinzuweisen sowie die Formulierung hervorzuheben, dass ein Zeitraum von voraussichtlich mindestens vier Wochen vorliegen sollte. Letztlich entscheidet der Arzt aufgrund seiner aktuellen Kenntnis, ob diese Voraussetzung vorliegt. In dem glücklichen Fall, dass ein Schülerpatient wider Erwarten doch früher entlassen bzw. nicht wieder stationär bzw. teilstationär aufgenommen wird, entstehen dem Arzt daraus keine Nachteile.

Die zweite Voraussetzung kann in einzelnen Fällen auf den Personenkreis der kranken Schüler erweitert werden, die in ambulanter Behandlung sind, die aufgrund ihrer Krankheit am Unterricht der Stammschule nicht teilnehmen können und die keinen Hausunterricht erhalten. Dies ist z. B. bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen der Fall, die – oft über eine Dauer von mehreren Wochen – auf eine stationäre Klinikbehandlung warten oder die sich noch in der Phase der Rekonvaleszenz befinden.

In diesen Fällen entscheidet die zuständige Schulaufsichtsbehörde, das sind in der Regel die Bezirksregierungen, über die Teilnahme am Unterricht der Schule für Kranke.

Die Aufnahme in die Schule für Kranke ist ein Verwaltungsakt, den im Regelfall die dort beschäftigten Lehrer vornehmen. Schüler der Schule für Kranke erfüllen ihre Schulpflicht, d. h., diese Zeiträume erscheinen nicht als Fehlzeiten auf dem Zeugnis der Stammschule. Wenn keine medizinischen Gründe vorliegen, die der Teilnahme eines kranken Schülers am Unterricht der Schule für Kranke entgegenstehen, hat der Schüler grundsätzlich die Schulpflicht zu erfüllen. Zugleich hat auch ein kranker Schüler grundsätzlich ein Recht auf Unterricht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Beschränkung des Rechts auf Unterricht durch die erwähnte sogenannte „Vier-Wochen-Regelung“ rechtens ist, weil die Bundesländer hier das Grundrecht auf schulische Bildung und Erziehung all jener Kinder und Jugendlichen einschränken, die weniger als vier Wochen erkrankt sind. Auch in einem Zeitraum von bis zu vier Wochen kann ein kranker Schüler in erheblichem Umfang Unterricht versäumen und in einen Lern- und Leistungsrückstand kommen, der nicht von ihm zu verantworten ist und der eine reale Benachteiligung den gesunden Mitschülern gegenüber darstellt. Diese Ungleichbehandlung wiegt umso schwerer, als dem Schüler ohnehin bereits durch seine Erkrankung auch in schulischer Hinsicht Nachteile entstehen – ganz zu schweigen von Einschränkungen und Belastungen, die unmittelbar mit der Erkrankung und ihrer Behandlung verbunden sind.

Schulische Rehabilitation

Als „schulische Rehabilitation“ werden hier alle Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen sowie Angebote individueller, häufig sonderpädagogischer Förderung verstanden, die an der individuellen pädagogischen Bedürfnislage eines kranken Kindes oder Jugendlichen orientiert sind. Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt „Unterricht kranker Schülerinnen und Schüler“ gehen davon aus, dass längerfristig, meist auch schwerwiegend sowie chronisch erkrankte Kinder und Jugendliche einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, d. h., es ist hier von einer spezifischen pädagogischen Bedürfnislage auszugehen, die ein angemessenes pädagogisches Vorgehen erfordert.

Wie bereits erwähnt, wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Rahmen eines Verfahrens nach AO-SF (vgl. Kap. „Individuelle und sonderpädagogische Förderung kranker Schüler“) festgestellt. Bei kranken Schülern sieht man von diesem Verfahren ab, da der sonderpädagogische Förderbedarf in den meisten Fällen nur vorübergehend ist.

Abb. 4: Kranke Kinder und Jugendliche haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf, der über das reine Vermitteln von schulischen Lerninhalten hinaus geht.

Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz haben – wie der Name schon sagt – lediglich einen empfehlenden Charakter. Das föderale politische System der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Kulturhoheit der Länder, bringt es mit sich, dass jedes Bundesland entscheidet, inwiefern es diesen Empfehlungen folgt. Die meisten Bundesländer erkennen den sonderpädagogischen Förderbedarf kranker Kinder und Jugendlicher an. Dort haben Schulen für Kranke den Status von Förderschulen. Inzwischen haben einige andere Bundesländer, wie z. B. Nordrhein-Westfalen durch eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes im Jahr 2005, einen anderen Weg gewählt. Schulen für Kranke gelten hier nun als „Schulen eigener Art“. In der Praxis haben sich diese Veränderungen bislang noch nicht bemerkbar gemacht. Alle spezifischen Maßnahmen sonderpädagogischer Förderung sind nun allerdings formal nicht mehr per se legitimiert, sondern sie bedürfen grundsätzlich einer Begründung, die sich auf den Einzelfall bezieht.

Unumstritten ist die Unterrichtsfunktion der Schulen für Kranke: Der Unterricht soll vorwiegend in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und in Fremdsprachen erteilt werden, damit kranke Schüler die Möglichkeit haben, in diesen Schwerpunktfächern weitgehend Schritt mit der Lerngruppe ihrer Stammschule zu halten. Lehrer sollten sich, so wird manchmal gefordert (vgl. Berndt 2006), vor allem auf ihren Lehrauftrag konzentrieren.

Wer die Funktion der Schule für Kranke ausschließlich in der Vermittlung von Wissen erkennt, verfehlt allerdings den Erziehungsauftrag der Schule, der mit ihrem Bildungsauftrag untrennbar verbunden ist. In der Praxis zeigt sich außerdem, dass ein auf Lerninhalte konzentrierter Unterricht die krankheits- und behandlungsbedingte besondere Lern- und Lebenssituation kranker Schüler außer Acht ließe. Ohne eine umfassende...

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