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E-Book

Kreuz und Kraft II

AutorThomas Schmeller
VerlagVerlag Katholisches Bibelwerk
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl306 Seiten
ISBN9783460510586
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis41,99 EUR
Die Heilige Schrift Israels - in christlicher Leseweise das 'Alte Testament' - ist der Horizont der neutestamentlichen Christusverkündigung. Vierzehn Studien aus den Jahren 2000 bis 2015 erarbeiten das an vielen Beispielen, vor allem an den synoptischen Evangelien und der Offenbarung des Johannes. Zudem gewinnbringend ist die Lektüre des nicht-kanonischen Petrusevangeliums vom Alten Testament her. Der methodische Ansatz einer Reflexion des Lektürevorgangs (Leserorientierung, Textzentrierung) bietet hierbei neue Horizonte für die Untersuchung, wie das Alte Testament den 'Wahrheitsraum des Neuen' (Frank Crüsemann) bildet.

Thomas Schmeller (geb. 1956), 1993 bis 2004 Professor für Biblische Theologie an der Technischen Universität Dresden, seit 2004 Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. - Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Zeitgeschichte des Neuen Testaments, Rhetorik, Paulus.

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Leseprobe

Paulus und die Konkurrenz


Vom Ehrgeiz*

163 Konkurrenz wird heute auch im akademischen Bereich groß geschrieben. Fakultäten und Universitäten kämpfen um Spitzenplätze auf Ranking-Listen und wollen sich als Eliteinstitutionen ausweisen. Kaum eine Universität, die etwas auf sich hält, kommt heute noch ohne ein selbstbewusstes, viel verheißendes und möglichst werbeträchtiges Motto aus. Ein paar Beispiele, die den Homepages verschiedener Hochschulen entnommen sind: Die Universität München versteht sich betont als »Karrieresprungbrett« im Gegensatz zu »Kuschelunis«. An der Frankfurter Fachhochschule kann man immerhin »Die Zukunft studieren«. Die TH Aachen behauptet sogar: »Die Zukunft beginnt bei uns«, während an der Universität Rostock »die Zukunft (…) schon begonnen« hat.

Schon Paulus trat mit seiner Mission in einem Klima auf, das von ähnlicher Konkurrenz gekennzeichnet war. Noch nicht aus paulinischer Zeit, wohl aber aus dem 2. Jh. haben wir Zeugnisse davon, dass das Christentum von gebildeten Christen wie von Nichtchristen als eine Art Schule wahrgenommen wurde, die sich auf dem Markt durchzusetzen versuchte. Viele philosophische Lehrer boten vergleichbare Produkte an und standen damit zueinander in scharfer Konkurrenz. Dass auch das Christentum hier eingeordnet wurde, zeigt das Beispiel des gelehrten Märtyrers Justin: Er durchlief mehrere philosophische Schulen, bevor er im Christentum »die einzige gesicherte und angemessene Philosophie« fand.1 In Ansätzen bietet sich diese Sichtweise des Christentums als eine Schule meines Erachtens schon für das 1. Jh. an. Bereits Paulus musste als neuer Konkurrent auf dem philosophischen Markt wahrgenommen werden.

Im folgenden Beitrag geht es mir um Stellungnahmen des Paulus zur Konkurrenz in einem konkreten und in einem abstrakten Sinn. Zunächst: Wie äußert sich Paulus zur konkreten Konkurrenz, also zu Christen oder Nichtchristen, mit denen er sich in einem Wettbewerb sieht? Das können Gegner sein, in seiner Sicht Irrlehrer. Es können aber auch Missionare sein, die auf seiner Linie liegen und mit deren Erfolgen er seine eigenen vergleicht. Dann: Was sagt Paulus abstrakt zur Konkurrenz, also zum Wettbewerb als solchem, zum Sich-Vergleichen, Sich-Messen u.ä.? Plädiert Paulus wie der letzte Ulmer 164 Katholikentag für ein »Leben aus Gottes Kraft«? Welche Rolle spielt seine eigene Kraft als Missionar? Wie wichtig sind ihm Missionserfolge, wie geht er mit Misserfolgen um? Wie hält er es mit dem Ehrgeiz?

Ich beginne damit fünf einschlägige Texte vorzustellen, jeweils mit einer Andeutung des Kontexts (1.). Diese Texte werde ich in einem nächsten Schritt miteinander vergleichen (2.), bevor ich versuche offene Fragen zu klären (3.). Am Schluss steht eine Auswertung (4.), in der auch systematisch-theologische Implikationen zur Sprache kommen.

1.Die Texte


1.1Gal 1,13f.


»13 Denn ihr habt ja von meinem früheren Leben im Judaismus gehört: Ich habe im Übermaß die Kirche Gottes verfolgt und versucht sie zu vernichten. 14 Und ich machte im Judaismus größere Fortschritte als viele meiner Altersgenossen in meinem Volk und eiferte in viel höherem Maße für die Überlieferungen der Väter.«

Dieser Text ist Teil eines autobiographischen Rückblicks: Paulus stellt dar, wie er zum Christentum gekommen ist. Er will sich gegen Vorwürfe wehren. Seine Gegner in Galatien haben seine Autorität in Frage gestellt. Sie haben ihm vermutlich vorgeworfen, über keine echte Autorität zu verfügen, weil er sein Evangelium nicht von Gott, sondern von den angesehen Aposteln in Jerusalem empfangen habe und deshalb von diesen abhängig sei und bleibe. Demgegenüber betont Paulus den göttlichen, nicht menschlichen Ursprung seines Evangeliums für die Heiden: Er hat es »nicht von einem Menschen übernommen (…), sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi« (Gal 1,12). Diesem Anliegen dient auch unser Text. Er will zeigen: Dass jemand mit einer Vergangenheit wie der des Paulus den Heiden das Evangelium verkündet, ist mit menschlichen Maßstäben nicht erklärbar. Hier muss Gott eingegriffen haben.

Auffällig ist in unserem Text die Redeweise vom Ἰουδαϊσμός. Paulus nennt ihn hier zweimal als eine vergangene Größe, die er hinter sich gelassen hat. Das Wort ist nicht einfach mit »Judentum« oder »Judesein« zu übersetzen. Paulus ist durch seine Berufung natürlich nicht vom Judentum zum Christentum übergetreten; er hat nicht sein Judesein abgelegt. Eher wird Ἰουδαϊσμός eine betonte, traditionell jüdische Identität meinen, die sich gegen den Hellenismus und liberale Tendenzen des Judentums abgrenzt. Paulus hebt also seine früher entschieden jüdische Linie hervor, die sich mit Aufweichungstendenzen nicht vertrug. Auf dieser »judaistischen« Linie konnte man offenbar unterschiedlich weit gehen. Man konnte Fortschritte machen und sich vor anderen auszeichnen, man konnte 165 eifriger als andere für die »väterlichen Überlieferungen« eintreten. Dazu gehört für Paulus auch die Verfolgung der Christen. Sein besonderer Eifer für die Überlieferungen ließ eine Koexistenz mit diesen Abweichlern nicht zu. Wer die traditionelle jüdische Identität ernst nahm, musste solchen liberalen Strömungen entgegen treten.

Damit finden wir bereits in diesem Text, was uns auch in den folgenden begegnen wird: Paulus vergleicht sich gern. Er ist Konkurrent mit Leib und Seele. Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man zwei Weisen dieser Konkurrenz: eine freundliche und eine feindliche. Mit »freundlicher Konkurrenz« meine ich das Wetteifern mit Angehörigen derselben Gruppe, mit »feindlicher Konkurrenz« entsprechend das Wetteifern mit Angehörigen einer fremden, gegnerischen Gruppe. Freundlich ist eine Konkurrenz dann, wenn ich meinen Rivalen durchaus Erfolg wünsche und gönne, solange nur klar ist, dass ihr Erfolg an meinen eigenen nicht heranreicht. Feindlich ist eine Konkurrenz, wenn ich den Rivalen keinerlei Erfolg wünsche, sondern versuche, sie zum Schweigen zu bringen.

In freundlicher Konkurrenz also stand Paulus früher zu seinen Altersgenossen. Er beteiligte sich am Wettbewerb um einen Fortschritt im »Judaismus«. Alle, die hier mitmachten, wollten die Überlieferungen der Väter möglichst gut kennen, ihnen entsprechen, sie fördern. In feindlicher Konkurrenz stand Paulus früher zu den Christen. Offenbar schlossen sich für ihn deren und die eigenen Überzeugungen, Wertvorstellungen, Lebensweisen aus. Eine Koexistenz, vielleicht im Sinne eines freundschaftlichen Wettbewerbs um die Wahrheit, schien ihm nicht denkbar. Es ist aber auch nicht zutreffend, einfach von Feindschaft zu sprechen. Feindliche Konkurrenz ist nicht dasselbe wie Feindschaft. Die Verfolgung der Kirche begegnet in diesem Text wie auch in den folgenden immer als Gegenstück zu freundlicher Konkurrenz innerhalb des Judentums bzw. dann innerhalb der Kirche. In der Verfolgertätigkeit wie im Kampf gegen christliche Missionare äußern sich nicht einfach eigene Verunsicherung, Unverständnis, Ablehnung und Abgrenzung, sondern es drücken sich auch hier Vergleich und Wettbewerb aus. Ohne eine gewisse Gemeinsamkeit in den Zielen und Maßstäben ist das nicht möglich. Insofern verweist gerade das Faktum der Konkurrenz, auch der feindlichen, auf eine Verbundenheit.

Warum kam es in Galatien zu einer solchen Konkurrenzsituation? Hier ist eine Erklärung nicht schwer zu finden. Der Anlass waren judaisierende Gegner. Sie vertraten die Notwendigkeit der Beschneidung für Heidenchristen. Damit stellten sie die gesamte paulinische Mission in Frage, die eben gerade auf dem gesetzesfreien Evangelium für die Heiden basierte. Die Gefährdung seines Lebenswerks durch Mitchristen begründete in der Tat eine feindliche Rivalität, denn die beiden Missionen waren nicht miteinander vereinbar. Im Zuge der Argumentation gegen diese Konkurrenten kommt Paulus auch auf seine vorchristliche Existenz zu sprechen, die ihn zugleich mit den judaisierenden Geg-166nern verbindet und von ihnen trennt: verbindet, weil sie, wie auch er früher, im Rahmen des Ἰουδαϊσμός kämpfen; trennt, weil Paulus diesen Rahmen inzwischen verlassen hat, während die Gegner in ihm geblieben sind. Sie wollen auch die Heiden in den Wettkampf um den besseren Ἰουδαϊσμός einbeziehen, Paulus lehnt das ab. Weil das so ist, wurde aus der freundlichen eine feindliche Konkurrenz.

1.2Phil 1,16–18


»16 Die einen verkünden Christus aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege, 17 die anderen aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meinen Fesseln. 18 Was soll’s? Wenn nur Christus verkündet wird auf jede Weise, sei es zum Schein oder in Wahrheit, und darüber freue ich mich.«

Paulus schreibt vermutlich aus dem Gefängnis in Ephesus. Während seiner Gefangenschaft traten Missionare auf, deren...

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