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E-Book

Motivationspsychologie und ihre Anwendung

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl226 Seiten
ISBN9783170280083
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Motivation spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Schüler für das Lernen zu begeistern oder Arbeitnehmer zu mehr Engagement am Arbeitsplatz anzuspornen. Arbeitgeber und Lehrer erhoffen sich hierzu von der Wissenschaft leicht umzusetzende Tipps. Bei realistischer Betrachtung erweist sich das Motivationsgeschehen aber schnell als komplex. Personen können aus unterschiedlichsten Gründen motiviert sein und es kann viele Gründe geben, warum Personen Handlungen unterlassen. Dieses Buch berichtet hierzu den aktuellen Kenntnisstand, wobei die motivationspsychologischen Grundlagen sowie die Anwendungskonsequenzen für Schule und Beruf anschaulich aufgezeigt werden.

Prof. Dr. Regina Vollmeyer und Prof. Dr. Joachim Brunstein lehren Pädagogische Psychologie an den Universitäten Frankfurt/Main bzw. Gießen. Mit Beiträgen von Tanja Bipp, Stefan Engeser, Hugo Kehr, Uwe Kleinbeck, Olaf Köller, Sander L. Koole, Andreas Krapp, Siegbert Krug, Julius Kuhl, Ulrich Kuhl, Thomas A. Langens, Brigitte Rollett, Ulrich Schiefele, Heinz-Dieter Schmalt, Kurt Sokolowski, Birgit Spinath, Lilian Streblow und Regina Vollmeyer.

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Leseprobe

1 Einführung: Ein Ordnungsschema zur Integration verschiedener Motivationskomponenten


Regina Vollmeyer

1 Definition von Motivation


Motivation ist ein Begriff, der im Alltagsleben häufig als Erklärung beim Versagen in Leistungssituationen herangezogen wird. Wenn eine starke Fußballmannschaft ein Spiel gegen eine schwächere verliert, so wird als Ursache oft eine fehlende Motivation angenommen. Wenn Schüler1 die Schule schwänzen, unterstellen Lehrer ihnen häufig mangelnde Motivation. Und auch, wenn in Betrieben Angestellte ihr Soll nicht erfüllen, diskutieren Vorgesetzte, wie sie die Motivation ihrer Mitarbeiter steigern können. Dies sind alles Beispiele für angeblich fehlende Motivation. Im Gegensatz dazu steht das motivierte Handeln, so wie es bei einem Schüler auffällt, der von sich aus ein Referat übernimmt und sich intensiv und mit hohem Zeitaufwand darauf vorbereitet. Oder man denke an einen Angestellten, der freiwillig und ohne Gehaltsausgleich Überstunden macht, um ein Projekt fertig zu stellen. Abstrakt gesprochen scheint Motivation etwas Homogenes zu sein, von dem wir je nach Situation mehr oder weniger haben. Diesem Alltagsverständnis entspricht jedoch nicht der Gebrauch des Begriffs Motivation in der Wissenschaft.

In der Motivationspsychologie wird Motivation als ein hypothetisches Konstrukt gesehen, das heißt, als etwas gedanklich Konstruiertes, mit dem die Zielgerichtetheit des menschlichen Handelns erklärt werden soll. Außerdem wird Motivation nicht als etwas Homogenes betrachtet, sondern in viele Komponenten aufgegliedert, aus denen dieses heterogene Konstrukt besteht. Bevor ich näher auf die verschiedenen Komponenten von Motivation eingehe, möchte ich eine Definition voranstellen.

Rheinberg (2004a, S. 15) definiert Motivation als »eine aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand«. Zugleich wird auch eine aktivierende Ausrichtung, weg von einem negativ bewerteten Zielzustand, mit eingeschlossen. Diese Definition lässt sich wie folgt illustrieren: Wenn ein Schüler ein gutes Abitur machen möchte (das entspricht einem positiv bewerteten Zielzustand), so ist er hoch motiviert, für das Abitur zu lernen. Ist ein Schüler hingegen versetzungsgefährdet (das entspricht einem negativ bewerteten Zielzustand), wird er alles daransetzen, diesen als bedrohlich bewerteten Zustand zu vermeiden. Nach Rheinbergs Definition sind alle Handlungen, die ein Ziel haben, motiviertes Verhalten. Nichtmotiviertes Verhalten sind hingegen Routinetätigkeiten, wie zum Beispiel Frühstücken, zur Arbeit gehen, usw.

Welche Komponenten der Motivation lassen sich unterscheiden, wenn Personen ein positiv bewertetes Ziel verfolgen? Rheinberg (2004c) nennt die folgenden Komponenten: Erwartungen, Werte, Selbstbilder, Willensprozesse, Affekte/Emotionen, neurohormonelle Prozesse. Allein die Aufzählung dieser Komponenten macht deutlich, dass es sich bei Motivation tatsächlich um ein vielschichtiges Konstrukt handelt. Diese verschiedenen Komponenten darzustellen, ist Ziel unseres Buches. Es werden allerdings nur aktuelle Theorien berücksichtigt, da ältere, z. B. triebtheoretische Ansätze, in der aktuellen Diskussion zur Erklärung von Motivation nur noch selten herangezogen werden. Zu den triebtheoretischen Ansätzen zählen z. B. die Psychoanalyse nach Freud (1915, 1938) und das behavioristische Triebkonzept nach Hull (1943). Eine gute Zusammenfassung dieser Ansätze findet sich bei Heckhausen (1989), Rheinberg (2004a) und Schneider und Schmalt (2000). Im Folgenden gehen wir auf die beiden wichtigsten Komponenten der Motivation ein: Werte und Erwartungen.

2 Werte und Erwartungen


Geht man auch hier zunächst vom Alltagsverständnis aus, so wird wohl jeder nachempfinden können, dass man mehr Energie für eine Sache aufbringt, wenn man ihr eine hohe Wichtigkeit beimisst. Ein Schüler wird sich umso mehr für die Abiturprüfungen anstrengen, je wichtiger ihm das Abitur erscheint. Aber man kann sich auch vorstellen, dass es Schüler gibt, die trotz aller Einsicht in die Wichtigkeit dieses Schulabschlusses, keine bzw. wenig Zeit für Prüfungsvorbereitungen investieren.

In der Motivationspsychologie wird angenommen, dass Personen aufgrund ihrer Motive handeln. Motive werden als zeitstabile Personenmerkmale konzipiert und stellen eine Neigung dar, bestimmte Themen oder Gegenstände positiv oder negativ zu bewerten. Dabei werden vor allem drei Motive unterschieden: das Leistungs-, das Macht- und das Anschlussmotiv (vgl. Heckhausen, 1989; McClelland, 1987. Auf Motive wird im vorliegenden Buch näher eingegangen und zwar in den Kapiteln von Langens, Schmalt & Sokolowski sowie von Krug & Kuhl). Diese drei Motive werden wie folgt definiert:

  • Unter Leistungsmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, sich mit einem Gütemaßstab auseinander zu setzen.
  • Unter Machtmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, das Erleben und Verhalten anderer Personen zu beeinflussen.
  • Unter Anschlussmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, wechselseitig positive Beziehungen herzustellen.

Allerdings sind diese Motive nicht immer aktiviert, sondern müssen erst einmal durch Situationsmerkmale angeregt werden, bevor sie verhaltenswirksam werden können (Lewin, 1946). Diese Grundannahme ist in Abbildung 1.1 dargestellt. Situationsmerkmale, die zu einem bestimmten Motiv passen, werden als Anreize bezeichnet. Liegen in der Situation Anreize vor, so resultiert aus der Interaktion von Motiv und Anreiz die aktuelle Motivation, die dann wiederum das Verhalten beeinflusst. Motiv und Anreiz sind dabei eng miteinander verschränkt, denn welcher Anreiz in einer Situation wahrgenommen wird, hängt von der Stärke des dazu passenden Motivs ab. Diese Aussage lässt sich an einem Beispiel erläutern.

Personen mit einem hohen Leistungsmotiv suchen Situationen auf, in denen sie ihre Fähigkeiten verbessern können. Andererseits werden sie besonders von solchen Situationen angesprochen, die es ihnen erlauben, sich mit einem selbst gesetzten Gütemaßstab auseinander zu setzen (Heckhausen, 1989). Typische Anreize für Leistungsmotivierte könnten demnach sein Rätsel lösen, Forschen oder Sport treiben. Solche Anreize werden positiv bewertet, wenn Leistungsmotivierte erkennen, dass sie durch die Beschäftigung mit den zugehörigen Aufgabenstellungen ihre Fähigkeiten verbessern können. Haben sie tatsächlich ihren eigenen Gütemaßstab erreicht oder sogar überschritten, so empfinden sie Stolz. Diese Emotion ist eine weitere Komponente des Motivationsprozesses. Positive Emotionen unterstützen und intensivieren die aktuelle Motivation. So hat ein Rätselfreund bereits Vorfreude, wenn er ein Kreuzworträtsel findet und ist beim Ausfüllen des Rätsels hoch konzentriert und empfindet Spaß.

Abb. 1.1 Das Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie.

3 Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell


Nachdem die Begriffe Wert, bzw. Anreiz geklärt sind, wird im Folgenden ein Modell (s. Abb. 1.2) eingeführt, das zeigt, welche Erwartungen in einer Situation unterschieden werden können. Bei dem Modell handelt es sich um das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell von Heckhausen und Rheinberg (1980). Ausgangspunkt ist eine Situation, in der eine Handlung zu einem bestimmten Ergebnis führen kann oder soll. Das Ergebnis der Handlung zieht dann wiederum Folgen nach sich. Eine Person, die noch vor der Handlung steht, schätzt bewusst oder unbewusst ein, was sie von der Handlung erwartet. Als Erstes wird sie sich »überlegen«, ob das Ergebnis nicht ganz von selbst, also auch ohne eigenes Zutun eintritt. Diese Einschätzung wird als Situations-Ergebnis-Erwartung (S → E-Erwartung) bezeichnet. Wenn die Person zu dem Schluss kommt, dass sich das Ergebnis nicht von allein einstellen wird, so folgt darauf der nächste Gedanke, ob nämlich die Person in der Lage ist, das Ergebnis durch eigenes Handeln zu erreichen. Hier handelt es sich um die Handlungs-Ergebnis-Erwartung (H → E-Erwartung). Letztendlich fragt sich die Person, ob das angestrebte Ergebnis auch die gewünschten Folgen nach sich ziehen wird. Diese Erwartung heißt Ergebnis-Folge-Erwartung (E → F-Erwartung). Die Anreize in diesem Modell sind bei den Folgen verankert. Diese bestimmen, ob das Ergebnis überhaupt wichtig erscheint. Auch dieses Modell soll an einem Beispiel illustriert werden, diesmal aus dem Arbeitskontext.

Ein Angestellter erhält das Angebot, an einem Lehrgang teilzunehmen. Der Lehrgang würde ihn für eine verantwortungsvollere Position qualifizieren. Die Situation ist die jetzige Position des Angestellten, die Handlung wäre die Teilnahme an dem Lehrgang mit dem Ergebnis, das Wissen für die verantwortungsvollere Anstellung in einer Prüfung nachweisen zu können. Die Folgen könnten sein, dass der Angestellte tatsächlich die neue Stelle bekommt. Weitere mögliche Folgen wären eine Gehaltserhöhung oder ein interessanterer Job. Eine negative Folge wäre, dass der Angestellte mehr...

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