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E-Book

Psychotherapie mit komplex traumatisierten Kindern (Leben Lernen, Bd. 233)

Behandlung von Bindungs- und Gewalttraumata der frühen Kindheit

AutorDorothea Weinberg
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783608104066
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Unter diesem Link erhalten Sie Zusatzmaterialien zum E-Book. Geben Sie dazu den im Impressum des E-Books genannten Downloadcode ein. Das Buch - erklärt anschaulich Regeln und Vorgehensweisen der traumabezogenen Spieltherapie; - macht die Arbeit an Bindungs- und Gewaltschäden im Therapieverlauf deutlich; - vermittelt die neuesten neurophysiologischen Erkenntnisse. Zielgruppe: - KindertherapeutInnen - KinderärztInnen - ErzieherInnen - SozialpädagogInnen - HeilpädagogInnen

Dorothea Weinberg,  Diplom-Psychologin, Magister der evangelischen Theologie, ist als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin tätig. Sie arbeitet in eigener Praxis in Nürnberg mit dem Schwerpunkt Trauma- und Bindungstherapie. Sie ist in der Weiterbildung für KindertherapeutInnen, Pflegeeltern und Erzieher tätig und hat zwei erfolgreiche Fachbücher zur Kinder-Traumatherapie geschrieben. Sie finden weitere Informationen über Dorothea Weinberg unter: www.dorothea-weinberg.de

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Leseprobe
Ein Wort zum Anfang Dieses Buch basiert auf meinem früheren Buch »Traumatherapie mit Kindern« (2005). Vieles aus diesem Buch wird hier nicht mehr wiederholt, sondern vorausgesetzt. Dies bezieht sich insbesondere auf die allgemeine Trauma-Neurobiologie des Kindesalters und auf die Strukturierte TraumaIntervention. In den Jahren nach der Erstveröffentlichung hat sich das Konzept der traumabezogenen Spieltherapie so enorm weiterentwickelt und präzisiert, dass es hier in einer wesentlich ausgereifteren Form dargestellt werden kann. Diese dynamische Entwicklung liegt im Wesentlichen an dem permanenten fachlichen Diskurs mit Hunderten von erfahrenen KindertherapeutInnen in meinen Kursen und an meiner langjährigen ehrenamtlichen Arbeit in Dom Duga, dem bosnischen Säuglings- und Kleinkinderheim von »Schutzengel-gesucht e.V.«. Die Bindungsinterventionen, die ich für Dom Duga entwickelt und vielfach erfolgreich angewendet habe, flossen in meinen Blick auf meine misshandelten und missbrauchten, zum Teil schwer deprivierten Therapiekinder in Nürnberg ein: Wie könnte ich ihnen helfen, traumatische Bindungen zu lösen und stattdessen Bindungssicherheit aufzubauen? Die Ideen dazu habe ich in meiner Praxis erprobt, überprüft und weiterentwickelt. Dadurch kamen sie allmählich auch in die Fortgeschrit-tenen-Kurse und wurden dort präzisiert. Der Theorieteil des vorliegenden Buches befasst sich mit der Störungsgenese in den ersten Lebensjahren durch passive (Deprivation und Unterlassung) und aktive Schädigung (wie Misshandlungen, sexueller Missbrauch) und deren Auswirkungen in späteren Krankheitsbildern der Seele, des Geistes, des Verhaltens und der körperlichen Entwicklung. Dieser erste Teil des Buches ist zuweilen anstrengend, sodass ich Laien empfehle, mit dem therapiepraktischen zweiten Teil zu beginnen und sich erst allmählich durch den ersten Teil durchzuarbeiten. Angesichts unserer aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung, die es mittels vorgeschobener Gründe - nämlich der angeblichen Förderung des Sozialverhaltens und der kognitiven Entwicklung von Kleinstkindern - propagiert, die Jüngsten unter uns zu institutionalisieren und damit ihr biologisches Bedürfnis nach Bindung zu vernachlässigen und zu frustrieren, ist es fast zu befürchten, dass wir zukünftig Bindungsschäden in der jüngsten Generation innerhalb ganz normaler Familien vorfinden werden. Ein Zyniker würde jetzt sagen: »Ist doch prima! Geht uns trotz sinkender Geburtenzahl nicht die Arbeit aus!« Mich macht es aber wütend! Ganz herzlich danken möchte ich Thomas Hensel für seine langjährige und unermüdliche Unterstützung - auch und gerade in kritischen Momenten meines Weges als Therapiepionierin! Er und meine Kollegin und Mitarbeiterin Heidi Zorzi sowie meine Schwester Gunhild Vestner haben viel von ihrer knappen Zeit investiert, um mein Manuskript zu studieren und mir Anregungen und kritische Rückmeldungen zu geben. Danken möchte ich auch meiner Tochter Hannah, die mir ihr Bild »Licht der Welt« für das Buchcover überließ! Ihnen allen meinen herzlichen Dank!! Erläuterung: Bellinda ist die zweite Tochter einer Mutter mit einer komplexen Entwicklungsstörung nach Frühtraumatisierung und einer darauf aufbauenden schweren Persönlichkeitsstörung. Diese Frau spaltete generell gut und böse und auch in Bezug auf ihre Töchter. Sie war zwanghaft reinlich und ordentlich, und während die ältere Tochter jegliche kindliche Impulsivität und Spontanität aufgegeben hatte, konnte sich die kleine Bellinda nicht so anpassen. Bellinda war schon als Kleinkind eine Kämpferin: für Gerechtigkeit und gegen ihre irrsinnige Mutter. Obwohl sie so für ihre gesunden kindlichen Ansprüche gekämpft hat, sind ihr doch alle kindlichen Fähigkeiten darüber abhanden gekommen: Bellinda hatte in ihren ersten sechs Lebensjahren nie spielen dürfen und es auch später nicht entdeckt. Sie hatte nie Freunde haben dürfen und konnte später keine gesunden sozialen Netze aufbauen. In ihr war alles Vertrauen in die Welt zerschlagen worden, und alle Liebe und Bemühen konnten das nicht rückgängig machen. Hinter ihrem ungezügelten, oft aggressiven Verhalten verbarg sich eine abgrundtiefe Einsamkeit. 2. Konzept der Traumabezogenen Spieltherapie (tSt)in seiner Weiterentwicklung Einführung Die tSt ist keine fest umrissene manualisierte Behandlungsform, sondern eine sich organisch entwickelnde Behandlungsmethode, die zunächst aus meinen psychotherapeutischen Ausbildungen, Erfahrungen und traumatherapeutischen Veränderungsversuchen entstanden ist. Kaum aber, dass ich diese neuen behandlungsmethodischen Ansätze in meine ersten traumatherapeutischen Fortbildungen für KollegInnen eingebracht hatte, musste ich daraus ein Konzept machen. Auf diesem ersten tSt-Konzept und auf der damals schon manualisierten Strukturierten Trauma-Intervention fußend, entstand dann mein erstes Buch »Traumatherapie mit Kindern« (2005). Seitdem haben viele hundert KollegInnen im Rahmen meiner Fortbildungen mit mir zusammen dieses Konzept weiterentwickelt und fassbar gemacht. Denn durch die kritischen Nachfragen, die fallbezogenen Supervisionen und Workshops wird unsere Sprache immer präziser, die Problempunkte in der Umsetzung werden offenbar und können dann eben auch geknackt werden, und neue Fälle geben immer wieder auch Anstöße für konzeptionelle Weiterentwicklungen 49 . Außerdem habe ich das erweiterte Behandlungsrepertoire systematisiert, sodass der Anwender sich jetzt leichter orientieren kann und den Überblick behält. Die Systematisierung des Methodenrepertoires der traumabezogenen Spieltherapie wird am Ende dieses Kapitels erfolgen. In diesem Prozess von Lehre, Anwendung und Weiterentwicklung hat sich herausgestellt, dass das Verständnis der Regeln und der Ebenentrennung die absoluten Voraussetzungen für die Funktionstüchtigkeit der tSt ist. Zuweilen glauben KollegInnen, dass diese Dinge ja »kalter Kaffee« sind - in den Rollenspielen im Zuge der Fortbildungen stellt sich dann aber heraus, dass sie ein ganz anderes Verständnis davon haben, nämlich üblicherweise ein wesentlich »imaginativeres«, viel weniger sinnfälliges. Die Folge davon ist, dass die kleinen Patienten viel zu wenig zur Ruhe kommen und dementsprechend die impliziten Interventionen nicht wirklich klappen - und man erst recht kaum jemals zu den expliziten Interventionen übergehen kann. Weil es jedoch von entscheidender Bedeutung ist, dass die Kinder zur Ruhe kommen, sich in das sicher geführte und geregelte Spiel mit einem klar erkennbaren Erwachsenen fallen lassen und so zu ihren eigentlichen Themen kommen können, möchte ich diese Voraussetzungen im Folgenden möglichst anschaulich erläutern. Auch bezüglich der expliziten Interventionen hat sich einiges weiterentwickelt, denn sie konnten jetzt fast alle aufgrund der vielfachen Anwendungserfahrungen manualisiert werden (s. Anhang) und bieten dadurch inzwischen mehr Sicherheit für Durchführung und Wirkungsweise. Das heißt also, dass zusätzlich zur Strukturierten TraumaIntervention/STI (Weinberg, 2005) jetzt auch das explizite Arbeiten mit Spaltungen und die Rekonstruktion von Traumabildern, das Traumspiel und die beiden Bau-Instruktionen manualisiert dargestellt werden. Da es bei den expliziten Interventionen immer um konfrontatives Arbeiten an der Traumabiografie geht, ist dort gegen das erhebliche Heilungspotenzial auch immer das mögliche Schädigungsrisiko abzuwägen. Ich denke, dass die nun erfolgte Manualisierung diesbezüglich einen großen Fortschritt bedeutet, indem sie Patienten wie Therapeuten einen starken Halt bietet. Unter dem Gesichtspunkt des Schädigungsrisikos sind die impliziten Interventionen, obwohl deren Anwendung ja hoch komplex, vielschichtig, spontan und immer stark intuitiv ist, übrigens wesentlich sicherer. Denn dadurch, dass wir mit den Kindern innerhalb einer starken Regelstruktur auf der zweiten Realitätsebene symbolisch spielen, erfahren sie einen massiven Reizschutz gegen mögliche Trigger und erleben keine Retraumatisierungen. Sie fühlen sich nicht persönlich gemeint! Bei Kindern und Jugendlichen mit komplexer Entwicklungsstörung nach Frühtraumatisierung (KEF) ist es nicht selten notwendig, dass ihre Therapiezeit in zwei Hälften geteilt wird: Eine, in der sie bestimmen, was wir machen, und eine, in der wir Vorschläge machen. Es gibt zwar viele KEF-Kinder, die allein von der tSt profitieren, all ihre Konflikte und Traumata kreativ und spontan einfließen lassen und nichts anderes brauchen. Aber wir müssen immer damit rechnen, dass KEF-Kinder und Jugendliche ein manifestes Vermeidungsverhalten leben, auch in der Therapie. Sie spielen dann vielleicht dauerhaft nur Regelspiele oder klammern sich an verbale Interaktionen oder kommen in ihrer tSt-Behandlung nicht über einen bestimmten Punkt hinaus. Für diese ist es wichtig, irgendwann die Teilung der Stunde einzuführen, sei es, um bestimmte explizite Interventionen vorzustellen und anzubieten, sie ins Rollenspiel einzuführen oder um ins konkrete Training der Affektregulation einzusteigen und damit konkrete Alltags katastrophen so aufzuarbeiten, dass sie sozial kompetenter damit umgehen können. Wenn es Protest gibt, erläutere ich meinen beruflichen Auftrag: »Weißt du, ich spiele (unterhalte mich) wirklich gerne mit dir! Aber die Krankenkasse bezahlt jedes Mal, wenn du zu mir kommst, 80 ? dafür! Das machen die natürlich nicht, damit wir beide nur Spaß miteinander haben. Die wollen nämlich, dass es für dich und deine Familie/deine Schule leichter wird miteinander. (Oder andere Zielsetzungen, z. B.: dass du ein glückliches starkes Kind werden kannst!) Darum müssen wir einfach mal bestimmte Dinge in Angriff nehmen, und dazu brauche ich die eine Hälfte.« Es gelingt so zuweilen, auch diese Kinder noch zum Rollenspiel zu bringen und ihnen den sanften Weg in der Traumabehandlung zu eröffnen. Gehemmte und überangepasste Kinder dagegen sollten in ihren minimalen Spielimpulsen personzentriert ermutigt und bestätigt werden, weil das Regelwerk der tSt - zu früh eingeführt - sie wiederum hem men könnte. Generell empfehle ich dringend eine spieltherapeutische Ausbildung für die Anwendung der tSt. 2.1 Die Regeln 1. Keinem wird wehgetan 2. Nichts geht kaputt 3. Klare Trennung von erster und zweiter Realitätsebene (RE) 4. Keiner wird zu einer Rolle oder deren Fortführung gezwungen und 5. Bei jeder Irritation wechseln wir auf die Ebene der ersten Realität. Wie diese Regeln im therapeutischen Kontext zur Wirkung kommen, wird im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit der Ebenentrennung erläutert. Die Regeln werden keineswegs wie in einem Therapievertrag zu Beginn der spieltherapeutischen Behandlung vorgetragen, denn dies würde den Charakter einer Spieltherapie völlig verzerren. Stattdessen werden sie von der Therapeutin fallweise eingeführt und erläutert. Damit dies geht, greift man von vorneherein auf die klare Ebenentrennung zurück. 2.2 Trennung der ersten von derzweiten Realitätsebene Die erste Realitätsebene (1. RE) ist der in unserer Gesellschaft gepflegte respektvolle zwischenmenschliche Umgangsstil und unsere soziale und materielle Realität. Die 1. RE muss auch in der tSt gepflegt und intakt gehalten werden, d. h., traumabedingte Interaktionen, Unhöflichkeiten und andere Grobheiten werden hier nicht akzeptiert. Die 2. RE ist hin gegen die Ebene des symbolischen Rollenspieles, innerhalb dessen traumabedingte Projektionen, die unerfüllten Sehnsüchte oder die sozialen Lernerfahrungen des Kindes aus Familie, Schule oder Peergroup dargestellt werden dürfen. Die saubere Trennung dieser beiden Ebenen muss dem Kind ausdrücklich beigebracht werden, und dies beginnt im Moment übergriffigen Verhaltens mit der Einführung . Dies soll hier anhand der ersten Regel des Nichtwehtuns ausgeführt werden: Mario (10 Jahre) Das Kind hat nach mir geschlagen, nachdem ich beim Fußballspiel in sein Tor getroffen habe. »Du stopp mal gerade: Ich bin ja die Frau Weinberg, und ich möchte nicht geschlagen werden. Das mag ich nämlich nicht. Aber ich könnte ja jemanden spielen, der immerzu schlecht behandelt wird. Zum Beispiel jemand, der beim Fußballtraining viele Fehler macht. Was meinst du? Wer könntest du dann sein?« »Wie soll ich heißen und wie alt wäre ich im Spiel?« In den ersten Wochen und Monaten ist es ganz wichtig, dass der Einstieg in die Rolle und damit in die zweite Realitätsebene (2. RE) absolut sinnfällig ist, z. B. durch Verkleidungsaccessoires, | Vergabe von Rollennamen, Geschlecht, Alter, Eigenarten wie Kraft und Geschicklichkeit 50 , | Wechsel von Körperhaltung und Stimme. Weiterhin ist unerlässlich, dass der Therapieraum gemäß des Spielthemas umgestaltet wird. Will das Kind Prinzessin spielen, dann bauen wir auch ein Schloss! Es muss sichtbar werden und ernst genommen werden; wir können also nicht einfach durch seine Wände gehen oder über den Wassergraben schreiten. Dadurch stabilisieren wir auf jeden Fall den rechten Hippocampus (räumliche Wahrnehmungen ordnen und Orientierung ermöglichen) des Therapiekindes, was unmittelbar zu einer spürbaren Erleichterung und Entspannung beim Kind führt. Es wird sanft und sicher in einem realistischen Phantasie-Spiel gehalten, das leichter auf impulsive und unverständliche Ideenabrisse und -sprünge verzichten kann. Zudem reichert die räumliche Gestaltung das Spiel enorm an und erleichtert den Aufbau von Narrativen (linker Hippocampus). Denn jetzt kann nach Dienern, Kammerjungfrauen und Wachsoldaten gefragt werden - ja sogar die Frage nach den Eltern der Prinzessin ist jetzt möglich. Darüber hinaus haben wir als Therapeuten die Möglichkeit, verborgene Themen des Kindes sanft anzubieten. Bei früh deprivierten Therapiekindern sollte man niemals das Versorgungsthema vergessen, also je nach Spielsujet zum Beispiel eine Schlossküche, Vereinskantine, oder Omas Herd einbauen. Beispiel (Fortsetzung): Das Kind - ein kleiner Club-Fan - erklärt sich selbst zu Raphael Schäfer und mich zu Angelos Charisteas. Wir nehmen uns Accessoires für unsere Rollen, basteln für den Torhüter z. B. dicke Knieschützer und geben ihm Handschuhe und natürlich ein Tor. Dann wird geklärt, was Charisteas für Fehler machen soll und wie Schäfer darauf reagieren wird: Welche Beleidigungen und welche Handgreiflichkeiten: »Aber nur im Spiel wehtun - nicht in echt!« Wichtig ist, dass ich wirklich die Rolle nach der Regieanweisung des Kindes ausfülle, z. B. dass Charisteas weint, nachdem deren Streit eskaliert ist und er nach einem »Tritt in den Arsch mit dem Kopf gegen den Pfosten« geflogen ist. Bevor das Spiel beginnt, kommt noch eine weitere Vorbereitung hinzu: Da wir uns im Training befinden, brauchen wir noch einen Trainer und ein paar Fans, die am Rand stehen. Diese werden von verschiedenen größeren Figuren (Puppen oder Tiere) dargestellt. Ein Tor und ein Spielfeld müssen sowieso her und eine Mannschaftskabine, wo schon die Physiotherapeuten und Masseure warten. Entscheidend ist, dass die 2. Realitätsebene mit den Sinnen erfahrbar wird, nicht imaginativ bleibt. Dadurch kommt eine große Beruhigung in das Spiel, denn zusätzlich zu den schon genannten Wirkfaktoren kommt hinzu, dass die Therapeutin nicht mehr als Person mit den traumabedingten Projektionen des Kindes vermischt wird, sondern sie kann als eine von ihrer Rolle getrennte erwachsene Person wahr genommen werden. Dies gelingt bei früh oder massiv traumatisierten Menschen nicht im üblichen Rollenspiel! In der tSt aber bekommen die traumabedingten Projektionen einen festen Platz, an dem sie bearbeitet werden können, ohne das Kind zu verängstigen. Die Beruhigung wird ganz wesentlich verstärkt durch die präzise Umgestaltung des Raumes und die Gestaltung der Rollen, die realistisch sein sollen . Dadurch erlebt das Kind eine intensive persönliche Wirkmächtigkeit. Wenn es zu Zauber und Verhexungen greift, müssen wir klären, ob wir ein Märchen spielen wollen (was natürlich auch in Ordnung ist, aber eben auch nach Regeln funktioniert), oder eine echte Geschichte. Das alles meint »zweite Realitätsebene«! Beispiel (Fortsetzung): So darf in unserem Beispiel niemand über die Kabinenwand hinwegsteigen, sondern man muss die Kabinentür nehmen, und Raphael Schäfer holt keine Pistole oder Laserkanone heraus, sondern setzt seine körperlichen und verbalen Strafen ein. Wenn diese dann völlig unrealistisch werden, sodass Charisteas ein Auge aus gehauen bekommt, wird im Spielstopp geklärt, dass das richtige Fußballer natürlich nicht machen. Ob Schäfer den Charisteas wohl vernichten wolle? Oder »nur« erniedrigen? Was zuvor passiert ist, wie ist die Feindschaft entstanden, dass es so weit kommen musste? Bei einer späteren Spieltherapiestunde nimmt das Kind die Trainerrolle an und lässt mich einen achtjährigen Benny spielen, der von seinem Trainer vor aller Welt gedemütigt und sozial vernichtet wird. In den vorbereitenden und regulierenden Sequenzen des Spielstopps baut das Kind mit unserer Hilfe locker ein Dutzend verschiedener Fähigkeiten auf: Es lässt sich bremsen, es lenkt seine Aggressionen in harmlose Pfade, es gestaltet einen Raum (rechter Hippocampus) und ein Narrativ (linker Hippocampus), es eignet sich ein Regelwerk an, das es bald selbstständig handhaben wird, es verbessert seine Realitätsprüfung, baut dissoziative Wahrnehmungen und Affekte ab und vieles andere mehr. Natürlich darf man das Kind während der Einführung der tSt nur dosiert frustrieren und keinesfalls den Spielprozess totplanen. Es geht also um eine diplomatische Schaukelbewegung zwischen Spiel laufen lassen und Spielstopps. Dieser Ein- und Ausstieg aus der zweiten RE funktioniert nur, wenn der Therapeut die erste RE absolut sicher repräsentiert und sie jederzeit wieder aufsuchen kann. Dies geschieht explizit mit dem Spielstopp. Die Spielstopps dienen nicht der therapeutischen Reflexion auf der Metaebene, sondern der Klärung des Spielverlaufes.
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