KAPITEL 2
Kapitel 2
2Das Alter
Was geschieht im Gewebe, wenn der Körper altert? Können wir das beeinflussen?
Die Frage nach der Definition „Ab wann bin ich Senior?“ steht im Vordergrund, wenn man über das Altern spricht. Wir alle wollen alt werden, aber niemand möchte wirklich altern. Irgendwie verständlich, denn allgemein verbindet sich dieser Begriff mit Verschleiß und Leistungsverlust. Die Eigenschaften Belesenheit, Erfahrung und Lebensweisheit sollten hier deutlich mehr Beachtung finden, sind jedoch wenig von Belang, wenn es um die Zellalterung des Bewegungsapparats geht, denkt man zumindest.
Liest man die gängigen Aussagen, beginnt die Verlangsamung der Zellerneuerung ca. ab dem 35. Lebensjahr, ein demotivierender Mittelwert, aber glücklicherweise gibt es Studien, die Bewegung als „Jungbrunnen“ und Zellaktivator bestätigen.
Heißt Zellaktivator nun Zellteilung?
Und haben wir dazu genug Zellen?
Hat unser Denken nicht doch etwas Einfluss auf ein Jungbleiben im Alter?
2.1Zellalterung geht uns alle an
Was hat Altern mit Schnürsenkeln zu tun?
Die schlechten Nachrichten zuerst: Sicher kommen wir um eine erblich angelegte Alterung nicht herum, aber versteht man die Zellalterung ein wenig, findet sich vielleicht ein Licht am Horizont und die Grundeinstellung zum Alter entspannt sich ein wenig. Solange wir leben, erneuern sich einige unserer Fasern stetig, nun müssten wir noch schnell klären, wie diese Erneuerung der Zellen funktioniert.
2.1.1Zellerneuerung
Besitzen wir viele verschiedene Arten spezifischer Zellen?
Oder sind unsere Stammzellen multifunktionsfähig?
Eine gute Frage, tatsächlich haben wir vorinformierte Stammzellen. Einige, z. B. Mesenchymzellen oder Myozyten, haben wir bereits aufgeführt. Sie entwickeln sich nach der Teilung in eine neue, differenzierte Zelle und in eine junge Stammzelle.
Optimalerweise sind diese Zellen schon dort angesiedelt, wo ihre Funktion sinnvoll ist. Eine Art embryonale Vorsortierung des Körpers. Einige dieser Stammzellen werden sich, wie bereits erwähnt, bis an unser Lebensende immer und immer wieder teilen. Sie werden als vermehrungsfähige Zellen bezeichnet und befinden sich u. a. in der Haut und den Knochen, dem Darm, der Lunge, Leber, Muskulatur und natürlich auch in allen lebenswichtigen Organen und Gefäßwänden.
Diese schlauen Zellen warten aufmerksam in der für sie gedachten Körpernische auf das Signal zur Teilung. Mit der Teilung entstehen aus der Stammzelle zwei neue Jungzellen. Eine der beiden tritt in den für sie vorgesehenen Dienst z. B. als Muskelzelle und lässt ihre Schwester als neue, teilungsbereite Stammzelle zurück.
Abb. 2.1: Zellerneuerung
Um die Teilung und die Funktion zu gewährleisten, benötigen auch die Zellen Antriebskraft. Sie sind bestückt mit einem energiebringenden, für den Zellstoffwechsel zuständigen Kraftwerk (Mitochondrium) und dem funktionsspezifischen Chromosomensatz, auf dem die Erbinformationen der Zelle gespeichert sind. Zum Schutz dieser Informationen befinden sich „Schutzkappen“, sogenannte Telomere, an ihren Enden, die sich mit jeder Zellteilung weiter und weiter verkürzen. Fehlen diese Kappen, verliert der Chromosomensatz seinen Schutz und die Zelle ihre Funktion.
Abb. 2.2: Schnürsenkel als Beispiel der Telomerfunktion
Stellen Sie sich dies wie einen Schnürsenkel vor, der nach und nach seine Kunststoffkappe verliert und dann fransig keinem Zug mehr standhält, durch keine Öse mehr geschoben werden kann. Diese funktionsgestörten Zellen werden in ein Ruhestadium (Seneszenz) versetzt. Sie teilen sich nicht mehr, können so keine faserbildenden Zellmoleküle für das Bindegewebe oder neue Muskelzellen erzeugen und haben keine Energie mehr, um Informationen auszusenden oder zu verarbeiten. Ohne diesen Ruhezustand liefe der Organismus Gefahr, dass diese Zellen falsche Signale aussenden, entarten oder Entzündungsprozesse auslösen könnten. Also ein gesundes „Hoch“ auf ausreichend lange und intakte Telomere. Früher ging man davon aus, dass sich diese ausschließlich verkürzen.
In neueren Arbeiten konnten die Forscher glücklicherweise herausfinden, dass wir durchaus Einfluss auf ihre Länge und damit auf unseren Alterungsprozess nehmen können. Telomere lassen sich tatsächlich verlängern. Das Enzym Telomerase übernimmt diese Arbeit und verkapselt praktisch die Enden der Schnürsenkel neu. Jedoch auch hier kommt es nach sehr tatkräftigen jungen Jahren zu einer Abnahme der Telomeraseaktivität. Diese mit künstlichen externen Enzymen aufzubauen, findet bis heute keine wissenschaftliche Unterstützung.
Ein weiteres Problem dieses Enzyms besteht darin, dass es sowohl gesunde als auch kranke, funktionsgestörte Chromosomenenden bedient und somit Fluch und Segen zugleich zu sein scheint. Ist eine Zelle entartet, hilft die Telomerase unter Umständen auch dieser Zelle, weiterzuleben, obwohl hier ein Ruhestadium oder sogar ein Zellselbstmord (Apoptose) nötig wäre.
Nur so bleibt der Organismus gesund. Was ihn dabei unterstützt, ist die Reduzierung von oxidativem Stress. Dazu gehören die Worte „freie Radikale“ und „Antioxidantien“. Puh, jeder spricht davon, doch kaum jemand weiß genau, was das bedeutet. Wir starten mal einen Erklärungsversuch.
Exkurs
Oxidation beschreibt die chemische Reaktion von Sauerstoff (O2), Stress beschreibt ein Ungleichgewicht. So viel ist klar! Wie Sie richtig erkannt haben, atmen wir Sauerstoff (O2) ein. Da Sauerstoffatome (O) sich immer mit einem weiteren Atom oder Molekül verbinden, entsteht aus zwei Sauerstoffatomen das Sauerstoffmolekül O2. In Muskeln und Zellen wird diese Partnerschaft getrennt und einer der beiden wieder ausgeschieden.
Nehmen wir unsere Partnerschaft als Beispiel. Rosenkrieg, heißt das Motto. Zwei Partner sind glücklich, bis sich einer der beiden neu verliebt und den anderen zurücklässt. Was wird passieren? Richtig, der Alleingelassene (hier unser ausgeschiedenes Sauerstoffatom O) grämt sich, sucht radikal Streit und, ohne Rücksicht auf Verluste, nach einem neuen Partner. Da haben wir unsere negativ geladene Sauerstoffspezies „freie Radikale“. Sie sind in der Lage, negative Kettenreaktionen (z. B. Entzündungen) im Körper auszulösen, wenn sich kein Bindungspartner findet.
Zurück zum Beispiel: Kommt gleich jemand einigermaßen Passendes zum Trost und nimmt die arme, zurückgelassene Person in den Arm, hat sie jemanden, an dem sie sich festhalten und praktisch neu binden kann. Und schon haben wir die „Antioxidantien“ mit im Boot. Im Fall des Sauerstoffs stellt ein anderes Molekül oder Enzym mit freiem Elektron diesen neuen Partner dar, der sich mit dem Sauerstoffatom verbindet. Zu ihnen gehören u. a. Vitamin A, C, E und Spurenelemente (z. B. Selen).
Nun stellt sich noch die Frage, was den Stress dieser Reaktion ausmacht, außer, dass diese Beispielsituation im echten Leben oxidativen Stress auslöst. Nun, der Stress beschreibt das Ungleichgewicht zwischen „freien Radikalen“ und „Antioxidantien“. Zu viele Singles wüten durch die Welt und finden nicht rechtzeitig einen passenden Partner, so ziehen sie mitunter unzählige Freunde und Bekannte mit in ihren Streit. In unserem Körper ist es wichtig, die Parteien in der Waage zu halten, denn ein Ungleichgewicht führt immer zur Störung des empfindlichen Milieus und wird so mit der vorzeitigen Zellalterung in Verbindung gebracht. Ein bisschen Rosenkrieg im Körper!
Ja, fürwahr, kein schönes Beispiel, aber schon irgendwie passend. Vor allen Dingen können Sie sich vorstellen, dass dieses Szenario nicht nur den Alterungsprozess beschleunigt.
Was also können Sie tun, um Ihren oxidativen Stress zu minimieren?
Unsere Auswahl ist passenderweise RADIKAL:
Raus – bewegen Sie sich viel draußen (Sonnenschutz nicht vergessen!).
Aussortieren – überprüfen Sie Ihre Körperpflegeprodukte (chemische Zusätze minimieren).
Diät – essen Sie bunt und gesund (gemüselastig, ohne Fertigprodukte).
Initiative – versuchen Sie, Stresssituationen aktiv zu minimieren.
Kurieren – kurieren Sie Infekte...