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E-Book

Schriftverständnis und die Folgen für die Lebensführung

AutorBernhard Olpen, Marcel Locher, Matthias C. Wolff
VerlagForum Theologie & Gemeinde
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783942001915
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Das Schriftverständnis ist bei der Frage nach Normen für Lehre und Leben von entscheidender Bedeutung. Handelt es sich bei der Bibel um ein historisches Dokument wie jedes andere aus vergangenen Zeiten? Oder kann sie für sich in Anspruch nehmen in Inhalt und Form Dokument des Handelns Gottes in der Geschichte zu sein und zuverlässige Quelle, um den Willen Gottes für unser Leben zu erfahren? Ausgehend von einem historischen Blick auf das Verständnis der Schrift in der Geschichte, stellt der Band den hermeneutischen Ansatz vor, wie ihn das Präsidium des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden KdöR (BFP) vertritt und entfaltet ihn in einer exegetischen Anwendung zur Frage des Sex vor der Ehe.

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Leseprobe

 

B Sacra scriptura sui ipsius interpres (Die Schrift legt sich selbst aus).
Auf dem Weg zu einer biblischen Hermeneutik

Matthias C. Wolff, M. Th.

I Vorbemerkungen

1 Hermeneutik – was ist das?

Hermeneutik (gr. hermeneia) = Wissenschaft/Kunst der Auslegung
(altgr. ἑρμηνεύειν hermēneúein: erklären, auslegen, übersetzen).

Die Hermeneutik ist die Wissenschaft der Auslegung (biblischer) Texte. Es sind die Regeln, die bei der Bibelauslegung zur Anwendung kommen. Was darf man mit biblischen Texten machen und was nicht?

2 Reformatorische Grundsätze der Bibelauslegung

Sola Scriptura. „Allein die Schrift.“ Die Bibel gilt als alleinige Grundlage für Leben und Lehre.

Sacra scriptura sui ipsius interpres. „Die Heilige Schrift legt sich selbst aus.“ Wir lesen und verstehen Bibeltexte immer in ihrem Gesamtzusammenhang und nutzen die ganze Bibel, um einzelne Stellen richtig auszulegen.

Wie will die Bibel verstanden werden? – Die Frage können wir nur beantworten, wenn wir Hintergrund, Sprache und Zusammenhang eines Bibeltextes gründlich erforschen. Zwei Fallen wollen wir dabei meiden:

• Die Falle des Fundamentalismus: Der Fundamentalismus neigt zu einem wörtlichen Bibelverständnis und läuft Gefahr, den Kontext zu vernachlässigen und alle Stellen für gleich wichtig zu halten. Es besteht das Risiko, die Bibel als Gesetzbuch misszuverstehen und den Kern christlicher Existenz darin zu sehen, sich an die Regeln zu halten, die man – ohne sie zu gewichten – in den Texten findet.

• Die Falle des Liberalismus: Der theologische Liberalismus ist stark von der Aufklärung und einer naturwissenschaftlichen Erkenntnistheorie geprägt. So werden Denkvoraussetzungen in die Bibelauslegung hineingetragen, die übernatürliches oder wunderhaftes Handeln Gottes von vornherein infrage stellen oder gar ausschließen. Es besteht die Gefahr, v. a. unbequeme Stellen zeitbedingt oder kulturell abzuwerten und nur noch das gelten zu lassen, was vor dem Urteil der menschlichen Vernunft und dem Empfinden des Zeitgeistes bestehen kann. Wenn auf diese Weise sogar biblisch-theologische Kernaussagen wie die Menschwerdung Gottes in Christus oder die Auferstehung Jesu abgelehnt oder umgedeutet werden, wird das Evangelium seiner Kraft entkleidet und der persönliche Glaube ausgehöhlt.

Wie wir in Fragen der Sexualethik entscheiden, hängt maßgeblich von unserem Schriftverständnis und von unserer Hermeneutik ab. Daher soll im Folgenden gezeigt werden, wie wir aufgrund der Bibel zu grundlegenden sexualethischen Aussagen gelangen und welche Auslegungsgrundsätze uns dabei leiten können.

II Thesen zum Umgang mit der Bibel in sexuellen Fragen

These 1: Auf das Handeln kommt es an!

Das Verhalten des Menschen (des Gläubigen, des Christen) ist Gott (der Bibel) wichtig. Es geht nicht nur um das Herz. Das Verhalten ist sogar so wichtig, dass es als Erkennungszeichen von Glauben und Rettung sowie für Zugehörigkeit zu Gott und Gemeinde gelten kann (Mt 7,16.20; Joh 13,35; Jak 2,14; Phil 1,27 u. v. a. m.). In der Tat kann sogar das persönliche Heil infrage gestellt werden, wenn eine Lebensveränderung ausbleibt und der Lebensstil nachhaltig den christlichen Maßstäben zuwiderläuft (siehe Hebr 12,14; Gal 5,21; 1Kor 6,9). Das umschließt auch das sexuelle Verhalten (z. B. Hebr 13,4; 1Thess 4,3).

These 2: Sex ist nicht egal!

Die Bedeutung der Sexualethik ergibt sich aus der Heiligkeit des Leibes, unseres Körpers, der als „Tempel des Heiligen Geistes“ charakterisiert wird (1Kor 6,19-20). Nach biblischer Überzeugung gehört der Christ nicht sich selbst, sondern Jesus Christus. Für ein christliches Verständnis ist wichtig, nicht allein aus der Summe aller Bibelstellen ein sexualethisches Regelwerk zusammenzustellen, an das man sich halten sollte, sondern den Kern zu verstehen, warum ein so privates Thema wie Sexualität überhaupt einer Reglementierung oder gar einer göttlichen Vorschrift unterliegen sollte. Es geht im Kern tatsächlich nicht um willkürliche Festlegungen oder spaßverderbende Einschränkungen, womöglich noch aus einem fremden Zeitalter unpassenderweise auf uns übertragen, sondern um ein tiefes Verständnis der Heilsabsichten Gottes und der Verwandlung, der wir Gläubige in unserer Beziehung zu Christus unterliegen. Eckpunkte der biblischen Sexualethik sind daher

• die Heiligkeit des Leibes als Tempel des Heiligen Geistes und

• das Verständnis, dass Christen nicht sich selbst gehören, sondern Jesus Christus und daher zu einem Leben zu seiner Ehre berufen sind.

Durch die Christen – auch durch ihren Leib und ihren Umgang damit – will sich Gott der Welt offenbaren. Aus diesem Grunde ist Sex nicht egal.

Wie kann man entscheiden, ob ein Text für heute Relevanz hat?

These 3: Bibeltexte müssen immer im Kontext verstanden werden.

Gemeint ist damit (1) zunächst der literarische Kontext, also der Text in seinem biblischen Zusammenhang, sodann (2) auch der geschichtliche Kontext, also der Text in seinem historischen Zusammenhang. Kontextualisierung bedeutet schließlich, dass (3) biblische Aussagen und Wahrheiten in unserem Kontext und im heutigen Lebensumfeld zur Sprache gebracht werden müssen. Da die Bibel in eine andere Zeit, Sprache, Kultur und Umwelt hineinspricht, müssen nicht nur Wörter allein übersetzt werden.

3 Die Bibel in ihrem literarischen Kontext verstehen

Jede Aussage steht in einem Zusammenhang. Wir dürfen nicht einzelne Bibelverse herausgreifen und sie wörtlich auf uns übertragen.

Textzusammenhang. Jeder Vers steht (1) in einem größeren Textzusammenhang und ist Teil eines Buches. Hier muss der Gesamtzusammenhang erfasst werden. Handelt es sich um eine normative (präskriptive) oder eine nur deskriptive Aussage? Steht sie im Ersten (Alten) oder im Neuen Testament? Die Umgebung einer Aussage ist für ihr Verständnis von großer Wichtigkeit.

Gattungsanalyse. Zudem (2) bilden Texte unterschiedliche Literaturgattungen ab. Steht der Vers in einem Brief, in einem Gesetz oder in der Wiedergabe einer Unterhaltung? Ist es ein Wort Gottes oder Jesu oder nur Redebeitrag irgendeiner Person (siehe Hiob)? Die Literaturgattung verrät etwas über die Aussageabsicht des Verfassers und spielt daher für die Auslegung des Textes eine wichtige Rolle.

Frequenz. Zum literarischen Kontext gehört (3) auch die Häufigkeit, mit der eine Aussage getroffen wird. Gibt es nur eine Belegstelle? Dann lässt sich daraus schwerlich eine Lehre zimmern. Kommt ein Gebot oder Sachverhalt immer wieder vor, wird im Neuen Testament eine ersttestamentliche Verfügung aufgegriffen, gehört etwas zur Lehre der Apostel und zur Praxis der ersten Gemeinde, dann tragen alle diese Faktoren zum wachsenden Gewicht dieser Aussage bei.

Eine gründliche Kontextanalyse setzt den reformatorischen Auslegungsgrundsatz um: die Heilige Schrift legt sich selbst aus.

4 Die Bibel in ihrem historischen Kontext verstehen

So gut wie alle biblischen Aussagen zur Sexualität sind in einem bestimmten Kontext entstanden, z. B. einer Gemeindesituation, einer Diskussionsfrage oder dem Prozess der Gesetzgebung nach dem Exodus. Wir müssen feststellen, wer wann wem was aus welchem Anlass geschrieben hat. Es gilt daher zu fragen: Was meinte der Verfasser? Was verstanden die Zuhörer oder Leser? Dazu muss man die Lebens-, Glaubens-, Gedanken- und Kulturwelt der damaligen Zeit kennen. Erst wenn wir verstanden haben, was der Autor damals meinte und was die Leser (oder Hörer) damals verstanden, können wir die Aussage in unsere Zeit übertragen.

Beispiele für kontextuelles Auslegen der Bibel

» Bsp. 1: Onan und die Frage der Selbstbefriedigung

1Mo 38,8-10: Da sagte Juda zu Onan: Geh zu der Frau deines Bruders ein, und geh mit ihr die Schwagerehe ein, und lass deinem Bruder Nachkommen erstehen! Da aber Onan wusste, dass die Nachkommen nicht ihm gehören würden, geschah es, wenn er zu der Frau seines Bruders einging, dass er den Samen auf die Erde fallen und verderben ließ, um seinem Bruder keine Nachkommen zu geben. Und es war böse in den Augen des HERRN, was er tat; so ließ er auch ihn sterben.

Diese Stelle ist Namensgeber für den Begriff „Onanie“ (für Selbstbefriedigung) und gleichzeitig für die Einordnung autoerotischer Handlungen als Sünde verantwortlich (kirchliches Onanieverbot). Dazu ist zu sagen:

• Der Tatbestand der Selbstbefriedigung wird gar nicht beschrieben. Es handelt sich um einen coitus interruptus.

• Das Problem ist nicht, dass Onan Befriedigung suchte (mit oder ohne Frau), noch nicht einmal, dass hier Sex ohne klare Zeugungsabsicht stattfand, sondern dass Onan sich weigerte, seine verwitwete Schwägerin zu schwängern, um sich stattdessen selbst in den Besitz ihres und seines Bruders Erbes zu setzen. Es wird also gar keine sexuelle Sünde beschrieben, sondern eine soziale. Onan verstieß gegen den Brauch, den Namen kinderlos Verstorbener zu erhalten, indem die Witwe des Verstorbenen als Nebenfrau des Bruders ihres Mannes schwanger wird (Schwagerehe) und die Kinder...

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