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E-Book

Städtebaurecht

Einführung und Handbuch

AutorBernhard Weyrauch, Gerd Schmidt-Eichstaedt, Reinhold Zemke
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl559 Seiten
ISBN9783170336247
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Das bewährte Studienbuch enthält eine allgemein verständliche Darstellung der Regelungen des Baugesetzbuchs und der daraus entstandenen Verordnungen - insbes. der Baunutzungsverordnung, eingerahmt durch eine Einführung in die Rechtsordnung für Nichtjuristen und genaue Hinweise auf die Rechtsprechung. Die Anwender aus der Praxis finden präzise Informationen zu den neuen Vorschriften im Baugesetzbuch, die seit der Vorauflage bis zur jüngsten Novelle hinzugekommen sind. Dr. Gerd Schmidt-Eichstaedt, Professor i.R. für Bau- und Planungsrecht an der TU Berlin, ist Leiter und Geschäftsführer des Planungsbüros Plan und Recht GmbH, Berlin. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch ist Professor an der Brandenburgische Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Geschäftsführer des Planungsbüros Plan und Recht GmbH, Berlin. Dr.-Ing. Reinhold Zemke ist Professor an der Fachhochschule Erfurt, Fakultät Architektur und Stadtplanung und Gesellschafter der Stadt I Ökonomie I Recht - Steinke & Zemke GbR.

Dr. Gerd Schmidt-Eichstaedt, Professor i.R. für Bau- und Planungsrecht an der TU Berlin, ist Leiter und Geschäftsführer des Planungsbüros Plan und Recht GmbH, Berlin. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch ist Professor an der Brandenburgische Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Geschäftsführer des Planungsbüros Plan und Recht GmbH, Berlin. Dr.-Ing. Reinhold Zemke ist Professor an der Fachhochschule Erfurt, Fakultät Architektur und Stadtplanung und Gesellschafter der Stadt I Ökonomie I Recht - Steinke & Zemke GbR.

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Leseprobe

A.Annäherung an das Bau- und Planungsrecht


I.Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?


Es entspricht einer gern geübten Gewohnheit, den Beginn eines wissenschaftlichen Textes mit einem Zitat in lateinischer Sprache zu schmücken. Für ein juristisches Buch kann man dazu auf eine große Auswahl zurückgreifen; denn die Traditionen der Rechtswissenschaft reichen bis weit in das Römische Recht zurück. Zwei lateinische Sätze sollen zitiert werden, um den Sinn, aber auch die Beschränkungen einer Rechtsordnung deutlich werden zu lassen.

Der erste Satz lautet: „Autoritas, non veritas facit legem“1 (Durchsetzungskraft, nicht Wahrheit macht das Gesetz aus). Der zweite Satz heißt: „Securitas, non iustitia facit pacem“2 (Sicherheit, nicht Gerechtigkeit schafft den Frieden).

Das sind zwei provozierende Sätze. Soll es für eine Rechtsordnung wirklich nicht auf „veritas“, also auf Wahrheit, und nicht auf „iustitia“, also Gerechtigkeit, ankommen, sondern nur auf „autoritas“, also Durchsetzungskraft, und „securitas“, also Sicherheit? In dieser Umkehrung darf man die Sätze nicht lesen. Denn eine lügnerische und ungerechte Rechtsordnung schafft weder Sicherheit noch Frieden. Was hier gemeint ist, ist etwas anderes:

Es genügt nicht für eine Rechtsordnung, wohltuende Programmsätze aufzustellen und milde Gutmütigkeit zu verkünden. Von einer Rechtsordnung kann man vielmehr erst dann reden, wenn bestimmte Regeln mit Durchsetzungskraft, mit Autorität versehen sind und wenn diese Regeln auch gegenüber Anfechtungen derart verteidigt werden, dass die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft vor Unrecht von außen und vor Willkür von innen verschont bleiben und somit „Sicherheit“ genießen. Von einer Rechtsordnung kann also erst dann gesprochen werden, wenn ihre Regeln hoheitlich durchgesetzt werden. Diese Ordnung darf nicht ungerecht und unsozial sein, wenn sie auf Dauer Bestand haben soll. Ob ein Gesetz, eine Rechtsregel jedoch inhaltlich „wahr“, ob sie „gerecht“ ist, das lässt sich in vielen Fällen nicht eindeutig beantworten. Die Geltungskraft einer Regel darf man von diesem Befund nicht prinzipiell abhängig machen. Man sollte die Bedingung vielmehr umgekehrt formulieren: Wenn eine Norm nicht eindeutig lügnerisch, wenn sie nicht eindeutig ungerecht ist, dann ist ihrer Geltung der Vorzug gegenüber der regellosen Unordnung zu geben. Denn ohne eine funktionierende Rechtsordnung kann eines der höchsten Güter der Gemeinschaft, der innere Frieden, nicht aufrechterhalten werden. Ohne Rechtsordnung gilt das Faustrecht, der Schwache muss sich dem Starken beugen. Die Ungerechtigkeit und Rechtlosigkeit, die unter dem Faustrecht herrschen, sind umso vieles schlechter als eine auch nur mäßige Rechtsordnung, dass es sich lohnt, sich auch dann auf die Seite des Gesetzes zu stellen, wenn man selbst als Gesetzgeber anders gehandelt hätte.

Aus dem Gesagten lässt sich eine erste Definition der modernen Rechtsordnung ableiten: Rechtsordnung, das ist der Inbegriff der hoheitlich durchzusetzenden, mindestens gerichtlich feststellbaren Regeln für alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens mit dem erkennbaren Ziel, eine gerechte soziale Ordnung herzustellen und zu erhalten. Ob diese Definition für alle Zeiten gilt und gegolten hat, ob und welche anderen Definitionen möglich sind, soll hier nicht erörtert werden, bis auf den Hinweis, dass andere Meinungen dazu möglich sind und auch vertreten werden.3

In der obigen Definition ist davon die Rede, dass manche Rechtsregeln doch nicht hoheitlich durchsetzbar, aber wenigstens gerichtlich feststellbar sein müssen. Was ist damit gemeint?

Die Rechtsregeln sind nicht die einzigen Regeln, die in einer Gesellschaft Geltung beanspruchen. Neben den Rechtsregeln gibt es moralische Regeln, es gibt den „Anstand“ und die „guten Sitten“ (man spuckt nicht auf den Bürgersteig, auch wenn es nicht verboten ist); auch die Mode und die wechselnden Umgangsformen können beinahe zwingende Regeln auferlegen.

Auch diese Regeln dienen dem menschlichen Zusammenleben, sie werden aber nicht hoheitlich durchgesetzt. Das liegt teilweise daran, dass sie von minderer Bedeutung sind (wie z. B. die Mode), teilweise aber auch daran, dass man ihre Einhaltung nicht mit den Mitteln des äußeren Zwanges durchsetzen kann. Dies gilt zum Beispiel für hohe moralische Forderungen. Moralische Forderungen richten sich an das innere Verhalten des Menschen, an sein inneres Selbst. Moralisch handelt nicht schon der, der äußerlich Gutes tut und Schlechtes vermeidet, sondern nur der, der das Gute um des Guten willen tut und das Schlechte nicht, weil er es innerlich verabscheut. Ein solches Verhalten kann man nicht erzwingen.

Nicht oder kaum erzwingen kann man auch höchstpersönliche Verhaltensweisen von einiger Dauer, die eigentlich die ständige aktive Mitwirkungsbereitschaft des Betroffenen voraussetzen. Wer solches durchsetzen will, muss sehr direkt auf die Person einwirken, er muss in Konfliktfällen ihren Willen mit physischer Gewalt brechen. Das ist immer schwierig und oft schmerzhaft. Wenn es nicht dringend geboten ist, sollte der Rechtsstaat sich nicht mit Brachialgewalt durchsetzen. In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz sind einige Rechtsnormen, durch die jemand auf Dauer zu einem nur von ihm persönlich erreichbaren Erfolg verpflichtet wird, nur gerichtlich feststellbar, aber nicht hoheitlich durchsetzbar. Die wichtigsten dieser Rechtsregeln sind

–  die Verpflichtung zu einer bestimmten Arbeit durch einen Arbeitsvertrag und

–  die Pflichten aus einer Ehe.

Auch wenn man sich in einem Arbeitsvertrag dazu verpflichtet hat, einem bestimmten Unternehmer oder einem bestimmten Betrieb Dienste zu leisten, kann man dazu vom Gerichtsvollzieher nicht gezwungen werden. Das Gericht kann zwar feststellen, dass man zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, aber man wird nicht zur Zwangsarbeit vorgeführt werden. Allenfalls muss man Schadenersatz leisten, wenn man seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht wie versprochen nachkommt.

Auch die Pflicht zur „Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ kann vom Gericht nur festgestellt, aber nicht durchgesetzt werden. Ein Eingriff des Staates in diesen Bereich hätte so starken Zwangscharakter, dass er wohl von niemandem akzeptiert würde.

Dieses sind jedoch Ausnahmefälle. Im Grundsatz und im Regelfall gilt: Eine Rechtsordnung muss hoheitlich durchgesetzt werden. Dies ist gleichsam die Bedingung und die Gegenleistung dafür, dass die Bürger untereinander darauf verpflichtet werden, außerhalb von Notwehr und Nothilfe auf jegliche Gewaltanwendung zu verzichten. Im Rechtsstaat hat der Staat das Gewaltmonopol inne: Allein die staatlichen Organe dürfen physische Gewalt anwenden. Erst durch diesen Grundsatz werden die archaische Blutrache im Strafrecht und die brachiale Selbsthilfe im Zivilrecht verhindert. Wenn Selbsthilfe in Form von „Bürgerwehren“ wieder auftaucht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass staatliche Ordnungsgewalt nicht hinreichend präsent ist.

Wenn der Staat durch seine Gesetze etwas verlangt, dann muss er auch dafür sorgen, dass man sich danach richtet. Häufige und hilflose Duldung von Unrecht im Kleinen zieht Ungehorsam und Unrecht im Großen nach sich. Aus diesem Grund liegt eine ernste Gefährdung des Rechtsstaates darin, wenn sich die Rechtsordnung außerstande zeigt, dem Beschmieren von Wänden und Gegenständen im öffentlichen Raum, dem Zerkratzen der Scheiben in Bussen und Bahnen wirksam entgegenzutreten. Das Strafrecht mit seinen Paragraphen über die Sachbeschädigung nützt hier offensichtlich gar nichts. Der Gesetzgeber muss sich zur Abwehr etwas anderes – etwas jugenderziehungsgerechtes – einfallen lassen.

Die auf dem Abschluss von Verträgen fußende Privatrechtsordnung muss dadurch effektiv gemacht werden, dass der Staat Gerichte und Gerichtsvollzieher bereitstellt, die es den Vertragspartnern erlauben, ihre vertraglich formulierten Rechte einzuklagen und auch zeitnah entschieden zu bekommen. Prozesse dürfen bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht lange dauern – sonst verzweifeln die Bürger an ihrem guten Recht. Und nicht zuletzt: Wenn der Staat sich selbst eine rechtliche Ordnung, eine Verfassung gibt, dann muss er sie auch selbst einhalten. Ein Rechtsstaat muss sich an seine eigenen Regeln halten, muss sie auch gegenüber sich selbst durchsetzen.

Für das Bau- und Planungsrecht gilt also ebenfalls: Es handelt sich um hoheitlich durchzusetzende Regeln mit dem Ziel, Ordnung herzustellen und zu erhalten. Diese Regeln gelten nicht nur für den Bürger, sondern auch und gerade für den Staat selbst, für die öffentliche Verwaltung.

Literatur:

Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?

Braun, Johann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 4. Aufl., Tübingen 2011;

Braun, Johann, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Tübingen 2011;

Engisch, Karl (Hrsg.), bearbeitet von Würtenberger, Thomas, Einführung in das juristische Denken, 11. Aufl. 2010;

Hoerster, Norbert, Was ist Recht?, 2. Aufl. München 2013;

Radbruch, Gustav, Einführung in die Rechtswissenschaft, Studienausgabe von Ralf Dreier, München 2011;

Wesel, Uwe, Geschichte des Rechts in Europa: Von den Griechen bis zum Vertrag von Lissabon, München 2010;

Wesel, Uwe, Juristische Weltkunde, Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl., Frankfurt am Main 2004.

II.Der Aufbau der...


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