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Thich Nhat Hanh - Ein Leben in Achtsamkeit

Die Biografie

AutorBernard Baudouin, Céline Chadelat
VerlagLotos
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641218805
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Ein leuchtendes Beispiel für menschliche Größe und spirituelle Tiefe
Er hat sein Leben dem Frieden im Inneren und in der Welt verschrieben: Der Zen-Mönch, Meditationslehrer und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh. Geboren 1926 in Vietnam, wird er Zeuge der verheerenden Kriege in seinem Land. Das Leiden der Menschen dort prägt sein Denken und sein ganzes weiteres Leben. »Unsere Feinde sind niemals Menschen«, so lehrt er, »sondern nur menschenverachtende Ideologien und Systeme.« Schnell gerät er zwischen alle Fronten und wird von den kommunistischen Machthabern ins Exil verbannt. Von nun an reist Thich Nhat Hanh durch die Welt, um seine Botschaft des inneren und äußeren Friedens zu verbreiten. So bringt er auch die heutzutage so populäre Praxis der Achtsamkeit in den Westen, die das Leben zahlloser Menschen grundlegend verändert hat.
Diese Biografie zeichnet ein berührendes Bild des weltbekannten buddhistischen Lehrers, der in vieler Hinsicht zum spirituellen, sozialen und politischen Gewissen unserer Zeit geworden ist.

Céline Chadelat ist eine auf Religion und Spiritualität spezialisierte Journalistin und Historikerin.

Bernard Baudouin ist Autor von mehr als 50 Büchern über verschiedene Religionen und spirituelle Bewegungen.

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Leseprobe

DER SPROSS EINES LANDES AUF DER SUCHE NACH SICH SELBST

»Ich gehöre dem Geschlecht der Drachen an, du stammst aus dem Geschlecht der Unsterblichen. Wasser und Feuer sind unvereinbar: es fällt uns schwer, in Einklang miteinander zu leben. Wir müssen uns nun trennen.« Mit diesen Worten verabschiedete der legendäre König Lac Long Quan, Beschützer und Volksheld Vietnams, seine Ehefrau, die schöne Unsterbliche Au Co. Die Ursprünge des Landes verbergen sich in dieser uralten Mär, die das Innerste der Erde mit den tiefsten Tiefen des Wassers vermischt. Die Vietnamesen glauben, sie seien aus der Vereinigung von Erde und Wasser geboren, dank dieses dem Wasser entstiegenen Mannes mit ungewöhnlichen Kräften aus dem Geschlecht der Drachen und der schönen Bergfee Au Co.

Der Legende zufolge entstanden die Landschaften Vietnams, wie zum Beispiel die Halong-Bucht, durch die Schlachten schrecklicher Ungeheuer gegen Wesen, die halb Gott, halb Mensch waren. In einem dieser Kämpfe rettete der König die schöne Bergfee. Sie hatten zusammen einhundert Kinder. Die Vietnamesen sollen die Nachfahren dieser gemeinsamen Eltern sein. In ihren Adern fließt ein wenig Blut des Drachen und der schönen Fee. Die eine Hälfte der Kinder sei unter dem Schutz ihrer Mutter in die Berge gegangen, während die andere Hälfte mit dem Vater in die Ebenen Richtung Meer zog, um die Dynastie der Hung zu begründen. Die Geschichte offenbart, dass die Bevölkerung, die sich zuerst im Bergvorland niederließ, das Delta des Roten Flusses erst später erobert hat, nämlich als sie groß genug geworden war, um die Deiche entlang der Flüsse und der Küste zu errichten.

Unter dem Zeichen des Feuer-Tigers

11. Oktober 1926. Es ist ein Jahr unter dem Einfluss des Feuer-Tigers. Im Herzen Vietnams in einem Dorf namens Qu’ng Ngai in der Provinz Thua Thien-Hue erblickt ein Kind das Licht der Welt in einer Familie einfacher Dörfler. Sie entstammt der Hauptethnie der Viet, deren Wesen als feinsinnig, geschickt und ausdauernd gilt. Es wird auf den Namen Nguyen Xuan Bao getauft. In dieser trockenen Jahreszeit am Anfang des tropischen Winters herrscht zunehmender Mond. Dies ist ein Glück verheißendes Vorzeichen, das auf ein wohlwollendes und optimistisches Temperament schließen lässt.

Bevor er geboren wurde, hatte seine Mutter eine Fehlgeburt gehabt. Als erster Hinweis auf die künftige Weisheit des Jungen löste dieses Ereignis tiefgründige Fragen bei ihm aus.

»Als ich jung war, fragte ich mich oft: War das mein Bruder, oder war ich es? Wer hat zu jener Zeit versucht, sich zu manifestieren? Dass das Kind verloren wurde, bedeutet, dass die Bedingungen für seine Manifestation nicht gegeben waren, und so hat das Kind sich zurückgezogen, um auf bessere Voraussetzungen zu warten. […] War dies mein Bruder, den meine Mutter bei ihrer ersten Schwangerschaft verloren hatte? Oder war es vielleicht ich, der sich anschickte zu kommen, aber stattdessen sagte ›Der Augenblick ist noch nicht gekommen‹ und sich wieder zurückzog?«7

Die Weisheit, die Thich Nhat Hanh Jahre später lehrte und der zufolge jedes Ereignis sich zu seiner ihm eigenen Zeit nur dann manifestiert, wenn alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, ist das Gesetz der Natur selbst.

Das Gesicht des Kindes wird als ernst und gelassen beschrieben. Es wächst im Schutz einer intakten und üppigen Natur auf. Im kollektiven Bewusstsein der Bewohner besitzen die Natur, die Bäume, die Vegetation und die Elemente eine eigene Sensibilität. Das Feuer, das reinigt, das Wasser, das beruhigt und die Erde und die Reisfelder überschwemmt. Der Wind, der die starken und frischen Gerüche der Erde verbreitet.

Dem Wasser kommt in der Geschichte Vietnams eine besondere Rolle zu. Es hat tausend Gesichter und ebenso viele Farben wie Gerüche. Turbulent und unvorhersehbar im Roten Fluss mit seinen alluvialen Ablagerungen in tiefem Rotbraun, Dunkelblau und Türkis entlang der Ufer. Seine zerstörerische Macht, wenn der Fluss über die Ufer tritt und das Land überschwemmt, wie auch seine wohltuende und nährende Kraft haben die Identität der Bewohner des Landes geprägt. Das vietnamesische Volk hat versucht, das Wasser durch die Kanalisierung in Dämmen und Reisfeldern zu zähmen. Vielleicht wird Vietnam deshalb manchmal »das Land aus Wasser und Legenden« genannt.

Die Beziehungen der Menschen verweben sich mit einer unsichtbaren Welt, in der bestimmten Tieren übernatürliche Kräfte zugesprochen werden. Die Beiträge von Konfuzianismus, Daoismus und besonders dem aus China eingeführten Buddhismus, und nicht zu vergessen der Einfluss der katholischen Missionare, sind hier ebenfalls auf eine Weise spürbar, die eher einem spirituellen Synkretismus als einer spezifischen Religion entsprechen.

Zu jener Zeit verschreibt sich das Dorf einer lokalen Kultur, und in dem viele Jahrtausende alten Ahnenkult mischen sich die Einflüsse der buddhistischen, konfuzianistischen und daoistischen Philosophie. Die Ahnenverehrung ist ein Erbe der Epoche der Hung-Könige8, die jedem Haus seinen Altar beschert hat, vor dem der Toten von vier vorangegangenen Generationen gedacht wird. Zur Zeit des kleinen Jungen sind die vietnamesischen Bauern keine feinsinnigen Theologen, doch auch wenn sie nicht fähig sind, ihren Glauben in Worte zu fassen, gibt es nichts, was in ihrem Geist klarer präsent wäre. Das Dorfleben ist vom Rhythmus der religiösen Feste bei Mondschein bestimmt.

Während also in der Ferne die Glocken des Dorftempels erklingen, der Hahn kräht und das langatmige Brüllen der Kühe zu hören ist, begleitet der kleine Nguyen Xuan Bao still seinen Vater zum Familienaltar und rezitiert gemeinsam mit ihm einige Gebete für den Frieden, die für einen Moment im Haus widerhallen. Sein ganzes Leben lang wird er niemals aufhören, diese Ehrerbietung und diesen tiefen Respekt gegenüber den Ahnen zu praktizieren. So wächst er in einer liebevollen und bescheidenen Familie auf. Seine Mutter trägt die schwere Last, für das Haus und die Hausarbeiten zu sorgen. Sein Vater verdient das Geld, mit dem er für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen kann. Thay weiß später zu berichten, dass seine Mutter nicht die Mittel besaß, ihm jeden Tag ein Glas Milch zukommen zu lassen, was sicherlich zu seiner kleinen Statur beigetragen hat. Sie hatten etwas zu essen und konnten sich kleiden, aber kaum mehr. Dennoch war ihre schlichte Existenz bedroht.

»Früher wollten meine Freunde und ich Helden werden, die fähig wären, das Leiden zu beseitigen und Unheil abzuwenden. Wir kannten damals jedoch noch nicht den Preis, den ein Held zu zahlen hat, und sicherlich wollten wir aus diesem Grunde die Ritter in alter Zeit imitieren.«9

Im Alter von sieben Jahren begegnet der Junge dem Buddha durch ein Bildnis, auf dem Siddhartha Gautama im Gras sitzend in Meditation versunken ist, das Gesicht von der ihn kennzeichnenden heiteren Ruhe erfüllt. Er empfindet sofort große Bewunderung für ihn. Von diesem Augenblick an hat er so etwas wie eine Vorahnung seiner Zukunft. Tag für Tag wird er seine Gedanken durch den tiefen Wunsch nähren, es möge auch ihm bald gelingen, in Frieden zu verweilen – während sich die Gesichter der Erwachsenen um ihn herum immer mehr verschließen.

Die bewegte Geschichte Indochinas wird den jungen Nguyen Xuan Bao auf geradem Weg zur Erfüllung seines Dharma als Mann des Friedens führen. Aus diesem Grunde müssen wir uns nun der Vergangenheit Vietnams widmen, insbesondere der Kolonisation, um die Wurzeln zu verstehen, aus denen das Engagement des jungen Mannes erwuchs.

Die Samen der Gifte

Der »schönste Edelstein des Reiches«, so nannten die Schulbücher und anderen Schriften, die der Verherrlichung des Kolonialepos’ Frankreichs gewidmet waren, Indochina. Wenngleich die französische Kolonisation im Vergleich zu der tausendjährigen Geschichte, während der das Land die chinesische Besatzung über sich ergehen lassen musste, nur ein Randphänomen darstellt, ist es doch wesentlich, die Kolonisation zu verstehen, um das Räderwerk des Konflikts zu begreifen, der den Norden und den Süden einige Jahrzehnte später vor dem Hintergrund des Kalten Krieges miteinander konfrontieren sollte.

Die Völker Indochinas kamen zum ersten Mal durch portugiesische, spanische, italienische und französische katholische Missionare, die im 16. Jahrhundert auf der Halbinsel Indochinas eintrafen, mit den Abendländern in Kontakt. Damals ging es nicht um Kolonisation, sondern um Christianisierung. Die vietnamesische Schrift wurde von den Jesuiten latinisiert und sollte die dem Chinesischen nachempfundene Schrift ersetzen. Um die Frohe Botschaft zu verkünden, wurden die katholischen Missionare in die Provinzen entsandt, wo Frankreich zudem noch die Gelegenheit erhielt, einen Zugang zum benachbarten China zu finden.

Die Kolonisation Indochinas begann ab 1858 unter Napoleon III. Als Grund hierfür wurde die Verteidigung verfolgter Christen geltend gemacht. Während der Jahrzehnte der Kolonisation sollten die Reichtümer des Landes von den Kolonisatoren unter dem Vorwand eines »Rechts auf Handel« mit großer Akribie nach Frankreich umgeleitet werden.

Bei der Geburt des Kindes im Jahre 1926 befindet sich Vietnam unter dem Joch des Kolonialreichs Frankreich, dem es 1883 offiziell angegliedert wurde. Die Lebensbedingungen sind sehr schwierig. Unerbittlich zieht der Krake des von dem Kolonialreich etablierten wirtschaftlichen Ausbeutungssystems Tausende von Leben ins Elend, worunter zuerst und vor allem die Schwächsten zu leiden haben. Hat das traditionell friedliche Volk Vietnams als...

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