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E-Book

Väter in der Bibel

20 Porträts für unsere Zeit

AutorUwe Birnstein
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451345999
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wann ist ein Mann ein Mann? Was heißt es, Vater zu sein? Streng oder vergebend, weich oder autoritär, gnädig oder fordernd. Das Verhalten des Vaters prägt Menschen ihr Leben lang. Die biblischen Vatergeschichten sind erstaunlich aktuell: keine 'Heile Welt'-Familien, sondern Erzählungen von gelingenden und scheiternden Vater-Rollen. Wichtige Impulse für Väter (und Kinder) heute, wenn es darum geht, die eigene Rolle und Identität zu finden.

Uwe Birnstein, geb. 1962, ev. Dipl.-Theologe, seit 1989 Schriftsteller und Journalist für Print, Hörfunk und Fernsehen. Kolumnist beim Bayrischen Rundfunk und beim 'Sonntagsblatt' der ev.-luth. Kirche Bayern. Mehrere Buchveröffentlichungen, zuletzt im Verlad Herder: 'Väter in der Bibel. 20 Porträts für unsere Zeit' (2013).

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Leseprobe

Adam


Vaterschaft jenseits von Eden


Vaterfreuden und Kindergeschrei im Paradies? Irgendwie passt das nicht zusammen. Die Stille des Gartens Eden wurde höchstens durch die Stimmen der Tiere durchbrochen: ein Klangteppich aus Grillengezirpe, hier und da Schlangenzischeln und Löwengähnen. Aber kein Kind. Nirgends. Denn Adam und Eva waren kinderlos. Geschaffen zwar „als Mann und Frau“. Aber dem Auftrag, der mit ihrer Erschaffung verbunden war – „seid fruchtbar und mehret euch!“ –, dem kamen sie nicht nach. Obwohl Gott genau das im Sinn hatte: Wie die Tiere sollten auch die Menschen sich vermehren. Gott dachte nicht zeitlos, sondern in Generationen. Die Weitergabe des Lebens werde quasi automatisch geschehen, kündigte Gott an: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch“ (1. Mose 2,24).

Adam und Eva allerdings haben sich genau damit viel Zeit gelassen. Nackt lebten sie im Garten Eden „und schämten sich nicht“. Doch reizten die beiden zunächst eher die von Gott verbotenen Früchte als das andere Geschlecht. Weder Zeugung noch Geburt geschahen im Garten Eden.

Der Fortgang der Geschichte ist allseits bekannt und hat sich in das Weltkulturgedächtnis eingeprägt (1. Mose 3). Von der Schlange in Versuchung geführt, kostete Eva eine verbotene Frucht und reichte sie Adam. Auch er griff zu und probierte. Sofort wurden die beiden „gewahr, dass sie nackt waren“, und sie „flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze“. Gottes Strafe folgte auf den Fuß: Um weiteres eigenmächtiges Handeln der beiden zu verhindern, warf er sie aus dem Garten Eden hinaus. Rückkehr ausgeschlossen. Streng bewachen Engel das Tor.

Die Strafe für den sogenannten „Sündenfall“ ist ein Leben jenseits des Paradieses. Es eröffnet neue und für Adam wie Eva ungeahnte Perspektiven, Chancen und Erfahrungen. Eltern zu sein war bis dahin nur eine theoretische Möglichkeit. Nun wird sie Realität. Das Verlangen der Frau nach dem Mann werde wachsen, hatte Gott angekündigt. Das ist schwerlich anders zu interpretieren denn als deutliche Aufforderung, nun doch endlich mal den Fruchtbarkeitsauftrag ernst zu nehmen. Und für Adam war es ein Hinweis darauf, dass er demnächst Vater wird. Was mag er gedacht haben angesichts der mühevollen Geburt, die Gott Eva angekündigt hatte? Konnte er sich überhaupt vorstellen, was diese neue Lebensrolle für ihn bedeuten wird: Kindern ein Vater zu sein und „mit Mühsal“ arbeiten zu müssen, um die Familie zu ernähren?

Es kommt, wie Gott es vorhergesagt hat. Kaum ist das Paar aus dem Paradies vertrieben, kaum haben die beiden die erste Erfahrung der Scham gemacht – da erwacht die Lust. „Adam erkannte seine Frau Eva, und sie ward schwanger“ (1. Mose 4,1). Adam wird Vater. Kain („Schmied“) ist der erstgeborene Mensch der Welt, gleichzeitig der erste Sohn. Das schamvolle junge Elternpaar „erkennt“ sich abermals, Adam wird zum zweiten Mal Vater. Wieder ein Sohn, Abel („Hauch“) ist sein Name.

„Vater werden ist nicht schwer – Vater sein dagegen sehr.“ Der Volksmund ist hier lebensklüger als die erste Vatergeschichte der Bibel. Nichts berichtet die biblische Urgeschichte darüber, wie Adam seine Vaterschaft wahrnahm. Als erstem Vater der Welt fehlte ihm jedes Vorbild. Was aber macht ein Vater mit seiner gebärenden Frau und dem Neugeborenen in Zeiten ohne Hebammen und Geburtsvorbereitungskurse? Wie geht er später mit dem Kind um? Wie verhielt sich Adam gegenüber Eva, der Mutter, seiner Frau? Wie gewichtete er seine Arbeit auf dem Acker und seine Berufung als Vater?

Stopp. Die Paradiesgeschichte sei doch keine historische Erzählung, sagen viele. Die Geschichte der Entstehung der Welt und der Erschaffung der Menschen sei doch nicht mehr – und nicht weniger! – als ein Versuch, das Leben zu erklären. Die Menschen in frühen Zeiten haben das Leben als mühsam empfunden. Sie mussten sich mit Ungerechtigkeit und Gewalt, mit Neid und Mord, mit Leben und Tod, Gut und Böse auseinandersetzen. Fragen tauchten auf: Wie ist alles entstanden, wer hat es erschaffen? Weshalb ist da diese Spannung zwischen Männern und Frauen? Warum tun sich Menschen, sogar Geschwister, Gewalt an? Und wenn Gott es gut meinte mit den Menschen – wieso verhalten sie sich dann manchmal so unvernünftig, warum verstoßen sie gegen die Gebote Gottes, ihres Schöpfers?

Bibelforscher sind zu dem Schluss gekommen: Die Schöpfungsgeschichte ist ein nachträglicher Versuch, diese Lebenswirklichkeit zu erklären, ihr ein unhinterfragbares religiöses Fundament zu geben. Wer sie genau liest, erkennt sogar zwei unterschiedliche Weltentstehungsvarianten. Sie geben zwei Erklärungen, warum Mann und Frau, und damit auch Mutter und Vater, aufeinander bezogen sind.

Der älteren Erzählung zufolge (1. Mose 2,4b–25) erschuf Gott zunächst Adam, den Mann. Nach einiger Zeit sagte Gott sich: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei“ (1. Mose 2,18). In nächtlicher Kreativität formte Gott aus einer Rippe Adams Eva, sein Weib. „Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“, freute sich Adam, nachdem er aus dem Schlaf erwacht war. Dieser Schöpfungsgeschichte zufolge ist der Mann der Ersterschaffene, die Frau die Zweite. Eine Reihenfolge mit verheerender Wirkungsgeschichte. Auf sie berufen sich bis heute all jene Patriarchen, die die Männer als Krone der Schöpfung und als Herr über die Frau betracht(et)en. Diejenigen, die eine Begründung dafür suchen, dass sich die Frau dem Mann unterzuordnen habe: als Gehilfin, als Gespielin, als Magd. Ein gleichberechtigtes Miteinander von Mann und Frau ist so nicht möglich. Im Namen des unverheirateten und kinderlosen Apostels Paulus wurde diesem Konstrukt gar theologische Würde verliehen (1. Timotheus 2,11-15): „Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre … sondern sie sei still.“ Die Begründung: „Denn Adam wurde zuerst gemacht, dann Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen.“ Deshalb sei die Frau hauptsächlich für eines geschaffen: „Sie wird aber selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt.“

Männer, die sich und ihre Beziehung zur Frau so verstehen, übertragen dies oft auch auf ihr Vatersein. Sie fühlen sich dann als Familienoberhaupt, das die letzte Entscheidungsmacht für sich beansprucht. Frauen sind für sie Gehilfinnen, um den Vermehrungsauftrag erfüllen zu können. Die Frau soll sich um „die Brut“ kümmern, wie manche Männer despektierlich ihre Kinder nennen. Dieser Rollenverteilung nach sind Frauen für „Kinder, Küche, Kirche“ zuständig. Drei Begriffe, die in dieser Macho-Terminologie einen minderwertigen Beigeschmack bekommen. Ein ganzer Kosmos männlicher Selbstherrlichkeit spiegelt sich darin. Als ob Kindererziehung nur eine Pflegetätigkeit wäre. Als ob das Kochen und Versorgen lediglich eine hauswirtschaftliche Arbeit wäre. Gerade im letzten der drei „K“s zeigt sich die unselige Selbstüberheblichkeit patriarchalen Denkens: Als ob der Glaube, als ob Spiritualität nur Sache von Frauen wäre! In Deutschland haben sich Väter mit solchen Ansichten lange selbst ins Abseits gekickt und sich wesentlicher Lebenserfahrungen beraubt. Sie haben ihre Kinder nicht gewickelt und getröstet; sie haben sie nicht gefüttert und versorgt; sie haben sich nicht mit ihnen gemeinsam der Frage nach Gott ausgesetzt, haben weder Glaube noch Zweifel geteilt. Vaterschaft bedeutete für sie Abstand und Autorität. Unzählige Kinder leiden unter der Sprachlosigkeit, die diese Art von Vaterschaft mit sich bringt. Aber nicht nur die Kinder: Auch die Väter selbst leiden unter ihrer eigenen Härte. Denn sie verhindert ein beidseitiges Kennenlernen. Und sie macht Seelennähe unmöglich.

Ganz andere Perspektiven ergeben sich aus der anderen biblischen Erzählung von der Erschaffung der Menschen (1. Mose 1,1 – 2,4a). Ihr zufolge schuf Gott „den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau“ (1. Mose 1,27). Mann und Frau zusammen – und nur zusammen! – sind ein Abbild Gottes. Hier ist nichts von Vor- und Unterordnung zu spüren, auch nichts von „Macher“ und „Gehilfin“. Ebenso fehlt die menschelnde Vorstellung, Gott habe quasi aus Langeweile Menschen geformt. Diese Schöpfungsgeschichte erlaubt andere und fantasievollere Deutungen. Vielleicht wollte Gott sich selbst in die Schöpfung begeben, von der er sah, „dass sie gut war“? Vielleicht hat er deshalb ein Abbild seiner selbst erschaffen? Und womöglich ist es ein Akt großer Weisheit, dass er sich in zwei unterschiedlichen Geschlechtern verkörpert, als Mann und als Frau? Die Gottesbilder der Bibel tragen beides in sich: Mal wird Gott...

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