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Vergleich von Kierkegaard und Dostojewskij unter besonderer Berücksichtigung ihrer Religionsvorstellungen

AutorEvgenij Haperskij
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl56 Seiten
ISBN9783640249756
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Philosophie - Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, Note: 1,0, Technische Universität Dortmund (Institut für Journalistik), Veranstaltung: Ethik, 22 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die europäische Kultur ist historisch betrachtet eine christliche Kultur. Die Grundlage für die europäische Wissenschaft wurde in Klöstern gelegt, die Ausbildung der Menschen begann viele Jahrhunderte lang mit dem Lesen der Bibel, zu den wichtigsten Fakultäten an den ersten europäischen Universitäten zählte die Theologie. Die Malerei, Literatur, Musik und Philosophie waren stark beeinflusst vom Christentum. Michelangelo, Bach, Dante, Thomas von Aquin - diese berühmten Namen sind untrennbar mit dem christlichen Glauben verbunden. Doch nach vielen Jahrhunderten hat die Bedeutung des Christentums in der Aufklärung abgenommen, insbesondere nach der Französischen Revolution. Die sozialen Theorien traten an die Stelle des Christentums. Die Wissenschaft verdrängte die Religion. Die religiöse Abstraktion machte dem Konkreten und Fassbaren Platz. Kierkegaard und Dostojewskij lebten in eben dieser Zeit, in der die Wichtigkeit der Religion schwand. Ihr Leben fiel in eine Umbruchzeit, in der die religiösen Grundsätze von Sozialen Theorien erschüttert wurden. Beide wendeten sich gegen diesen Prozess der Säkularisierung, führten einen Kampf gegen die Entchristlichung, weshalb sie auch als 'Ritter des Christentums' bezeichnet wurden. Sie waren Irrationalisten und stellten die Subjektivität und Transzendenz der Religion der objektiven Wissenschaft als überlegen gegenüber.

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Leseprobe

1. Biografie

 

Die äußeren Lebensumstände von Kierkegaard und Dostojewskij könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine, Kierkegaard, war niemals verheiratet und hatte keine Kinder, der andere, Dostojewskij, war zwei Mal verheiratet und hatte mehrere Kinder. Kierkegaard hatte wegen eines großen Erbes lebenslang keine Geldsorgen, Dostojewskij dagegen kämpfte immer wieder gegen finanzielle Nöte. Das Leben von Kierkegaard war arm an Ereignissen, Dostojewskijs Leben war abenteuerlich. Die Reihe der äußeren Unterschiede ließe sich beliebig fortsetzen. Die beiden haben sich niemals getroffen, haben niemals die Werke des jeweils anderen gelesen, ja ahnten nicht einmal etwas über die Existenz des anderen. Doch lässt sich eine geistige Nähe von Kierkegaard und Dostojewskij nicht abstreiten.

 

Die Weltsicht von beiden ist sehr autobiografisch geprägt, ist beeinflusst von ihrem Charakter und ihrem inneren Befinden. Besonders die Betrachtung der Kindheit ist entscheidend, wenn man Kierkegaard und Dostojewskij vergleicht. Kierkegaard schrieb: „Jeder Mensch [ist] wesentlich das, wozu er als Zehnjähriger geworden ist“[1]. Auch Dostojewskij unterstrich die Bedeutung der Kindheit im Leben eines Menschen. Und gerade in der Kindheit gibt es viele Parallelen in ihrem Leben. Deswegen widme ich diesem Lebensabschnitt die größte Aufmerksamkeit bei der Beschreibung ihrer Biografie.

 

Sören Abbye Kierkegaard wurde am 5. Mai 1813 in Kopenhagen als siebtes und letztes Kind von Michael Pedersen Kierkegaard und Anne Sörensdatter Lund geboren. Zu diesem Zeitpunkt war sein Vater bereits 56 Jahre alt. Anne Sörensdatter Lund war die zweite Ehefrau von Michael Pedersen. Zuvor war sie ein Dienstmädchen in Kierkegaards Haus gewesen, doch nach dem Tod seiner ersten Frau, mit der er keine Kinder hatte, heiratete Michael Pedersen Anne Sörensdatter Lund. Seine Mutter erwähnte Kierkegaard niemals in seinen Werken, aber „ihr Tod im Jahr 1834 [hat] ihn sehr tief getroffen“[2]. Sie starb, als Kierkegaard 21 Jahre alt war. Peter Christian, ein Bruder von Kierkegaard wies bei der Grabrede von Kierkegaard darauf hin, dass er in seinen Schriften viele Redewendungen seiner Mutter übernommen hat[3].

 

Die meisten Brüder und Schwestern von Kierkegaard starben früh, einzig Peter Christian überlebte ihn. Er studierte in Kopenhagen Theologie und promovierte[4]. Danach war er Pfarrer, später Bischof. Für kurze Zeit war er sogar Kultusminister von Dänemark.

 

Den entscheidenden Einfluss übte der Vater auf Sören Kierkegaard aus. Deswegen muss näher auf seine Person eingegangen werden. In seiner Kindheit war der Vater ein Hirte in der dänischen Provinz Jütland gewesen. Erst mit 12 Jahren kam er nach Kopenhagen, wo er ein kleiner Kaufmann wurde, zuerst bei seinem reichen Onkel (Kleidungshändler) und später selbstständig. Als Kaufmann häufte Michael Pedersen ein großes Vermögen an und kaufte sich sechs Häuser. Bereits mit 40 Jahren ging Michael Pedersen in Ruhestand, denn er hatte genug Geld angehäuft und musste nicht mehr arbeiten.

 

Michael Pedersen war ein tief religiöser Protestant und diese religiöse Haltung hatte einen wesentlichen Einfluss auf den Werdegang von Sören, denn der Vater übernahm in der Kindheit seine Erziehung. „Als Kind wurd ich strenge und mit Ernst im Christentum erzogen“[5], sagte Kierkegaard. Noch in seinen Tagebüchern erinnerte er sich an die Belehrungen seines Vaters: „Sieh zu, dass du Jesus Christus recht lieben kannst“[6]

 

Auch die Schwermütigkeit des Vaters färbte stark auf den jungen Kierkegaard ab. Deswegen war Sören Kierkegaard in seiner Kindheit ein verschlossener Einzelgänger. Die Schwermütigkeit des Vaters lag daran, dass Michael Petersen in seinem Leben zwei Sünden begangen hatte, mit denen er sich nicht arrangieren konnte. Die erste Sünde war, dass er als kleiner Junge ob der harten Arbeit als Hirte Gott verflucht hatte. Und die zweite Sünde war, dass er Kierkegaards Mutter geheiratet hatte, als sie bereits schwanger war, was gegen seine religiöse Überzeugung verstieß.

 

Über den beruflichen Werdegang entschied ebenfalls der Vater. Nach der Schule musste Kierkegaard auf seinen Wunsch hin Theologie studieren. Während dieser Studienzeit in Kopenhagen (22 Semester) war Sören kein vorbildlicher Student, feierte häufig und ging oft ins Theater. Dieser Lebenswandel missfiel Sören und führte bei ihm zu Depressionen. Später sollte er eine solche auf Genuss ausgerichtete Lebensführung in seinen philosophischen Werken als ästhetisch bezeichnen. Daraus kann man erkennen, dass Kierkegaards Werk stark autobiographisch motiviert ist, denn das Stadium der Ästhetik bezeichnete Kierkegaard in seinen Werken als das niedrigste, was vor allem auf diesen Lebensabschnitt von ihm zurückzuführen ist.

 

Aus den Depressionen wurde der 24-Jährige Kierkegaard durch die Bekanntschaft mit der 14-jährigen Regina Olsen befreit. Drei Jahre nach ihrem ersten Treffen verlobten sie sich. Auch hier ist eine Verbindung von Biografie und Philosophie erkennbar. Nach dem ästhetischen Stadium folgt bei Kierkegaard das ethische Stadium, ein Stadium, das sich durch die Pflichterfüllung anderen Menschen gegenüber auszeichnet; vor diesem Hindergrund kann man die Verlobung mit Regina Olsen als Pflichterfüllung ihr gegenüber sehen. Doch ein Jahr später löste Kierkegaard die Verlobung auf. Zieht man wieder eine Parallele zu seiner Philosophie, stellt man fest, dass nach dem ethischen Stadium das religiöse Stadium folgt. Kierkegaard wollte wohl nicht im ethischen Stadium bleiben und löste deswegen die Verlobung auf. Das mag zumindest ein Grund für die Trennung gewesen sein.

 

Zur Zeit der Trennung von Regina Olsen (1841) promovierte Kierkegaard. Seine Promotionsarbeit hatte das Thema „Der Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates“. Im Jahr 1843 erschien sein wohl bis heute bekanntestes Werk „Entweder-Oder“ unter dem Pseudonym Viktor Eremita. Überhaupt verfasste Kierkegaard alle seine Werke – bis auf die letzten kurz vor seinem Tod – unter verschiedenen Pseudonymen, weil er diese Form der indirekten Mitteilung für die bestmögliche hielt. Nur durch ein Pseudonym könne seiner Meinung nach eine Subjektivität – die einen Kern seiner Philosophie ausmacht - erreicht werden und der Leser könne eine eigene subjektive Wahrheit finden.

 

In den letzten Jahren seines Lebens kämpfte Kierkegaard gegen die seiner Meinung nach scheinheilige Kirche. Dieser Kampf erschöpfte ihn sowohl gesundheitlich als auch finanziell. Kierkegaard hatte nämlich nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1838 sehr viel Geld geerbt, musste nicht mehr arbeiten und konnte auch alle seine philosophischen Werke selbst publizieren. Auch die Schriften gegen die Kirche publizierte er auf eigene Kosten, was sehr viel Geld in Anspruch nahm. Auch war der Kampf gegen die Kirche eine sehr starke nervliche Belastung für ihn, weil er sich damit ins gesellschaftliche Abseits stellte. Am 2. Oktober 1855 erlitt Kierkegaard auf offener Straße einen Schlaganfall, wurde ins Krankenhaus eingeliefert und starb dort wenig später (11. November). 

 

Über den Erfolg von Kierkegaards Arbeit kann man sagen, dass sie aus ökonomischer Sicht nicht erfolgreich war. Einzig „Entweder-Oder“ verkaufte sich gut. Nur die kirchenfeindlichen Artikel wurden noch stark rezipiert. Auch Dostojewskijs Werke verkaufen sich nicht alle gut. Doch wenn man über den ökonomischen Erfolg der Arbeiten spricht, muss man die Zeit bedenken, in denen die beiden gewirkt haben. Es gab sowohl in Kopenhagen als auch in St. Petersburg eine sehr dünne Bevölkerungsschicht, die die Bücher hätte lesen können. Die meisten Menschen konnten nicht lesen und nur die wenigsten waren an philosophischen Themen interessiert.

 

Dostojewskij wurde am 30.Oktober 1821 in St. Petersburg in einem Armenhospital geboren, wo sein Vater als Arzt arbeitete. Der Vater von Dostojewskij, Michail Andrejewitsch, stammte aus einer Priesterfamilie und hätte ebenfalls Priester werden sollen, schloss sogar ein geistiges Seminar ab, wurde aber dennoch Arzt[7]. Mit dem Vater von Kierkegaard hatte Michael Andrejewitsch nicht nur den Vornamen gemein. Auch er war ein verschlossener und pedantischer Mensch und übte einen entscheidenden Einfluss auf seinen Sohn aus. „Die freudlose, deprimierende Atmosphäre, die er um sich verbreitete, hat zweifellos die düster-tragische Tonart mitbestimmt, die für die Werke seines Sohnes typisch ist“[8]. Er maß der Erziehung seines Sohnes eine hohe Bedeutung bei und brachte ihm schon in der Kindheit Latein bei.

 

Die Mutter von Dostojewskij Maria Fjodorowna hatte im Gegensatz zum Vater „ein gutmütiges, heiteres, sehr liebevolles Wesen“[9]. Sie war ein tief religiöser Mensch.

 

Dostojewskij hatte drei jüngere Schwestern und zwei jüngere Brüder, die er fast niemals erwähnte und einen älteren Bruder Michail, mit dem er in einem sehr engen Verhältnis stand.

 

Genauso wie Kierkegaard war Dostojewskij ein sehr verschossener Junge, las viel (bereits mit vier Jahren hatte er das Lesen gelernt) und neigte zur Melancholie.

 

Obwohl die Familie von Dostojewskij in der Literatur als arm dargestellt wird, so gehörte sie doch zum...

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