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E-Book

Warum Mönche länger leben

Die Weisheit der Klöster für Körper, Geist und Seele

AutorManfred Böhm
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783451338533
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Das klösterliche Leben ist eine Quelle der Weisheit und ein praktischer Ratgeber für die Gesundheit von Leib und Seele. Dieses Buch nimmt den Alltag der Mönche und Nonnen in den Blick und zeigt, wie sich die etwa beständige Rhythmen, die Nähe zur Natur zum Jahreskreis und eine intensiv gelebte Work-Life-Balance für Menschen von heute darstellen.

Manfred Karl Böhm, Jahrgang 1956, Diplom-Theologe; Forschungs- und Referententätigkeit für klösterliche Spiritualität und Lebensweise.

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Leseprobe

3. Geistig fit trotz hohem Alter: die Nonnenstudie


Bei Marc Luy stehen die erhöhte Lebenserwartung männlicher Klosterbewohner und deren Gründe im Zentrum. Wie steht es aber um die Gesundheit alter Ordensfrauen? Damit hat sich der amerikanische Epidemiologe David Snowdon in seiner Nonnenstudie ( „Nun-Study“) beschäftigt. Er ist, wie er in seinem Buch „Lieber alt und gesund“ schreibt, auf der Suche nach der Lösung für die Geheimnisse des Alterns. Während dieser Suche stieß er auf eine Erscheinung, die vielen heutzutage als schreckenerregend, ja als Inbegriff der Altersgebrechen gilt: die Alzheimersche Krankheit. An einer Gruppe von Nonnen untersuchte Snowdon deren Ursachen, Entstehung und Entwicklung. Wissen hierüber ist auch außerhalb des Rahmens dieser Studie dringend nötig in einer Zeit, in der die Häufigkeit von Demenzerkrankungen zunimmt und auch die Neuerkrankungsrate mit zunehmendem Lebensalter ansteigt.

 

Demenz

Etwa 60 Prozent der Demenzkranken in Deutschland sind vom Alzheimertyp betroffen; das sind derzeit etwa 700.000 Personen, die bereits das 65. Lebensjahr überschritten haben. Insgesamt lag die Anzahl der Demenzkranken in Deutschland im Jahr 2010 bei 1,2 Millionen. Man schätzt, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 2,3 Millionen ansteigen wird.

Demenz (lat. de-mentia: nicht bei Verstand, ohne Geist) ist eine Erkrankung des Gehirns. Damit sie diagnostiziert werden kann, muss mindestens eines von zwei Grundsymptomen auftreten: Gedächtnisverlust und eine weitere Funktionsstörung des Gehirns, die die Ausführung von Alltagsaktivitäten wie Anziehen, Haushalt, Wäsche oder Einkauf beeinträchtigt.

Es gibt eine ganze Reihe von Demenzarten. Die heute am häufigsten auftretende Demenz ist nach dem deutschen Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer (1864  1915) benannt. Die vaskuläre, gefäßbezogene Demenz steht an zweiter Stelle. Sie geht auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurück. Lähmungen, Seh- und Sprachstörungen treten auf, es kann zu Depressionen kommen.

Alzheimer hatte seit 1901 im „Irrenschloss“ in Frankfurt am Main – so nannte man damals die dortige Nervenheilanstalt – die 56-jährige Patientin Auguste Deter ärztlich betreut. Die Frau war wegen starker Vergesslichkeit und Verwirrtheitszuständen stationär aufgenommen worden. Sie starb 1906 in Folge ihrer Gehirnerkrankung. Alzheimer untersuchte ihr geschrumpftes Gehirn unter dem Mikroskop und beschrieb die diagnostizierten Veränderungen: Eiweißablagerungen (Amyloidplaques) außerhalb der Nervenzellen und Verklumpungen des so genannten Tau-Proteins (neurofibrillary tangles) innerhalb der Nervenzellen. Beide Erscheinungen gelten seither als die wichtigsten neuropathologischen Merkmale dieser Demenzform.

 

Die Alzheimer-Demenz beginnt schleichend, schreitet allmählich fort und endet mit dem Tod. Die Krankheit dauert zwischen drei und sieben Jahren. Heute kann sie durch Kombination unterschiedlicher Untersuchungsverfahren, unter anderem Gedächtnistests, Fremdanamnese, Blut- und Liquoranalysen sowie bildgebende Verfahren (unter anderem Magnetresonanz-Tomographie) mit einer Treffsicherheit von über 95 Prozent diagnostiziert werden. Eine definitive Bestätigung der Diagnose liefert jedoch erst eine pathologische Untersuchung des Gehirns nach dem Tod des Patienten.

 

Die Therapieerfolge sind immer noch recht bescheiden. Medikamentöse Behandlung, unterstützt durch psychosoziale Therapieformen, zum Beispiel Spiel-, Tanz- und Musiktherapie, können den Krankheitsprozess der Alzheimer-Demenz verlangsamen, aber letztlich nicht stoppen. Umso wichtiger ist es, Risikofaktoren zu erkennen und auszuschalten sowie Schutzfaktoren zu stärken. David Snowdons Nonnenstudie gibt dazu interessante Hinweise. Im Laufe der Forschungsarbeit erkannte er, dass die Alzheimersche Krankheit nicht, wie es bisher die Überzeugung der Wissenschaftler gewesen war, unvermeidlich ist. Im Gegenteil: Er fand sogar vielversprechende Hinweise darauf, wie man sich vor ihr schützen kann.

Snowdons immer noch laufende Langzeitstudie startete 1986 mit der Untersuchung von fast 680 Nonnen, den School Sisters of Notre Dame (USA). Als Mindestalter für die Teilnahme wurden 75 Jahre vorausgesetzt. Die älteste Teilnehmerin war 94 Jahre alt. Snowdons Interesse galt zunächst der Langlebigkeit der Nonnen. Dazu untersuchte er die Lebensgeschichten und die medizinischen Befunde der Schwestern, testete ihre geistige Leistungsfähigkeit und obduzierte ihre Gehirne, nachdem sie gestorben waren.

Schon bevor er sich der Untersuchung der Alters-Demenz selbst zuwandte, entdeckte er einen interessanten Zusammenhang. Es stellte sich nämlich heraus, dass Schwestern mit Collegeabschluss weitaus größere Chancen hatten, im hohen Alter selbstständig zu bleiben, d. h. die normale Alltagsaktivität beizubehalten, keinen Pflegedienst zu benötigen und ihr Leben aktiv und kreativ zu gestalten. Bei den weniger gebildeten Schwestern war Snowdon eine höhere Sterberate und eine größere Einschränkung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufgefallen. Da alle Schwestern in Bezug auf Wohnsituation, Ernährung, Einkommen und medizinische Versorgung die gleichen Lebensbedingungen hatten, konnte man schließen, dass das Bildungsniveau für ein langes Leben und unbeeinträchtigtes Altern eine große Rolle spielt.

 

Als nächstes widmete Snowdown seine Aufmerksamkeit der Alzheimer-Demenz. Was er hier herausfand, deutet nachdrücklich darauf hin, dass diese chronische Alterskrankheit keineswegs ein unweigerlich eintretendes Schicksal ist, das jeden treffen kann. So stellte er fest, dass sie überwiegend bei Nonnen mit niedrigerem Bildungsstand in Erscheinung trat. Viele Nonnen hingegen, die in ihrer Jugend eine höhere Bildung erhalten hatten, waren alzheimerresistent.

Snowdon berichtet von Schwester Bernadette. Sie besaß einen Magistergrad, hatte zweiundzwanzig Jahre an Grundschulen und weitere sieben an High Schools unterrichtet. Die Nonne verstarb Mitte der Neunzigerjahre im Alter von 85 Jahren. Bei der Obduktion ihres Leichnams zeigte sich, dass ihr Gehirn nur 1.020 Gramm wog, also weniger als das von gesunden Menschen. Zudem wies es eine Unmenge von Plaques und Tangles auf, so dass man die schlimmste Ausprägung von Alzheimer-Demenz annehmen musste. Schwester Bernadette war aber bis zu ihrem Tod geistig völlig intakt gewesen. Der Tod war eingetreten, ehe sich Alzheimer-Symptome hatten ausbilden können.

Wie war das möglich? Mit Magnetresonanztomographie ging Snowdon dem überraschenden Phänomen auf den Grund. Auf diese Weise sah er, dass im Gehirn von Schwester Bernadette eine ungewöhnliche Menge der so genannten grauen Substanz vorhanden war, einer Schicht von Nervenzellen im Neocortex, der als Teil der Großhirnrinde für Zeitorientierung, Sprachkompetenz und die Ordnung der Wahrnehmungen zuständig ist. In Zahlen: Die Schwester besaß neunzig Prozent mehr graue Substanz als die anderen untersuchten Nonnen! Das Gehirn war gewachsen, hatte so die Auswirkungen der umfangreichen Gehirnschädigung kompensieren können. Und dies war kein Einzelfall: Bei einem Drittel der Schwestern waren trotz fortgeschrittener Schädigung des Gehirns durch Alzheimer keine Symptome wie Vergesslichkeit oder der Verlust der Selbstständigkeit im Alltag aufgetreten.

 

Snowdon konnte also zeigen: Auch wenn eine krankheitsbedingte Hirnschädigung vorliegt, muss das noch keine Demenzsymptome verursachen. Die Erklärung dafür sehen er und andere Forscher in der so genannten Gehirnreserve (brain reserve) bzw. kognitiven Reserve (cognitive reserve). Damit ist gemeint, dass in einem stärkeren, d. h. leistungsfähigeren Gehirn mehr neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen gebildet werden, die eventuelle krankheitsbedingte Verluste ausgleichen können. Die Stärke der Gehirnstruktur wird im Mutterleib, in der frühen Kindheit und während der Adoleszenz, das heißt etwa zwischen dem zehnten und 20sten Lebensjahr, herausgebildet und hängt von Faktoren wie Ernährung, Krankheiten, Verletzungen, Bildung, Beruf und Ähnlichem ab.

Ausdrucks- und Sprachbegabung sind zwei wichtige Kennzeichen der Gehirnreserve und somit der Widerstandsfähigkeit gegen Alzheimersymptome. Um diesen Zusammenhang tiefer zu ergründen, befasste sich Snowdon mit Texten, die die Schwestern noch als Novizinnen über ihren bisherigen Lebensweg verfasst hatten, und die seither im Klosterarchiv aufbewahrt worden waren. Diese Autobiografien überprüfte er auf Wortschatz und Ideendichte.

 

Die Auswertung der Verwendung von ein- und mehrsilbigen Wörtern in den handschriftlichen Aufzeichnungen der Schwestern ergab: Die Schwestern, die auch im hohen Alter noch geistig gesund waren, hatten damals die Tendenz zu mehrsilbigen Wörtern wie etwa „particulary“ (besonders), „privileged“ (priviligiert), „quarantined“ (unter Quarantäne gestellt). Zudem fanden sich in ihren Texten Worte aus der Literatursprache, zum Beispiel „grandeur“ (Größe). Die Schwestern, die später unter der Alzheimerschen Krankheit litten, verwendeten in ihren Texten dagegen bevorzugt einsilbige Wörter wie „girl“ (Mädchen), „boy“ (Junge), „sick“ (krank) und nur Wörter aus der Alltagssprache. Schon auf dieser sprachlich rein formalen Ebene zeigte sich also ein Unterschied zwischen den Schwestern. Diejenigen, die im Alter von den Alzheimer-Symptomen verschont...

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