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Was ich dir sagen werde, wenn ich dich wiedersehe

Roman - Vom Autor des Bestsellers 'Club der roten Bänder'

AutorAlbert Espinosa
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641231781
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Roman zur Fernsehserie »Alive and Kicking«
Als Izan von seinem todkranken Vater um einen Gefallen gebeten wird, ahnt er nicht, dass ihm das größte Abenteuer seines Lebens bevorsteht: die gemeinsame Suche nach einem verschwundenen Mädchen. Sie bringt Vater und Sohn einander näher - entpuppt sich aber gleichermaßen als gefährliche Reise an die Grenzen des Denk- und Sagbaren. Alsbald findet Izan sich in der Vergangenheit wieder, wo die unbearbeiteten Schatten lauern. Als er drauf und dran ist, aus Rache einen Mord zu begehen, muss Izan sich entscheiden.

Einfühlsam und temporeich erzählt Bestsellerautor Albert Espinosa in seinem neuen Roman, wie Versöhnung gelingen kann.

Die Fernsehserie »Alive and Kicking«, die auf diesem Roman basiert, wird ab 27.04.2021 bei FOX ausgestrahlt.

Albert Espinosa, geboren 1973, ist Autor, Schauspieler, Film- und Theaterregisseur und lebt in Barcelona. Sein Erstling »Club der roten Bänder« erschien 2008, wurde weltweit in über 20 Sprachen übersetzt und in mehreren Ländern höchst erfolgreich als TV-Serie verfilmt. Seither hat Albert Espinosa diverse weitere Romane und Ratgeber veröffentlicht.

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Leseprobe

Es war beinahe acht Uhr abends in Lezzeno, ich lag in der Badewanne und schaute auf den Comer See. Ich wusste, dass mir die wichtigste Entscheidung meines Lebens bevorstand. Eine, die festlegte, wer ich war und was ich für den Rest meiner Tage sein würde.

Sollte ich mich von der Rache leiten lassen oder besonnen vorgehen? Aber mal ehrlich, wie soll man es in dieser Welt voller Verrückter denn schaffen, die Ruhe zu bewahren?

Der See war schöner denn je. Ich hatte noch nie so viele Farben auf dem Wasser schimmern sehen. Seit Tagen regnete es in Strömen, und an der Rezeption sprach man davon, dass er über die Ufer treten könnte.

Ich vermisste meinen Vater und wusste, dass ich euch diese Geschichte erzählen muss. Hoffentlich gelingt sie mir so, wie ich es mir vorstelle. Alles, wovon ich euch berichten werde, ist wahr. Es ist mein Leben, es sind meine Ängste und meine Sehnsüchte. Ich bin zwar nur ein Mensch, der eines Tages vergessen sein wird, aber meine Probleme wird es weiterhin geben, bei anderen Menschen, die vielleicht in Hunderten von Jahren leben werden.

Wieso schreibe ich dieses Buch eigentlich? Ich glaube, es hat etwas mit diesem Ort zu tun, damit, wie er die eigenen Ängste hervorlockt und zur Mitte des Sees bringt. Ich merke, wie der See alles aus mir hervorlockt, was ich loswerden will.

Ich habe gerade mit meinem Handy ein Selfie gemacht, weil ich das Bedürfnis habe, diesen Moment für immer festzuhalten. Das ist der Schwachsinn des Jahrhunderts, in dem ich gelandet bin: Alles muss für immer festgehalten werden, bis es eines Tages in einem riesigen Datenmeer untergeht und man es nie wiedersieht.

Aber trotzdem muss ich diesen Augenblick unbedingt einfangen. Weil ich nicht will, dass sich die Temperatur verändert oder dass sich der Himmel verdunkelt – und schon gar nicht, dass das Lied verstummt, das ich immer wieder von vorn höre. Es ist der Soundtrack dieses Augenblicks. Ich kann es zwar nicht hören, aber es vibriert in mir – in meiner Seele und in meinem Geist.

Das Stück, das unaufhörlich erklingt, heißt »Meraviglioso« und ist von Domenico Modugno. Es ist eins von den Liedern, die schon beim Zuhören wehtun, und handelt von den Teufeln in unserem Inneren.

Von meiner Badewanne aus sehe ich ein kleines Boot genau in der Mitte des Sees. Am liebsten würde ich vom Balkon meines Hotels springen und bis dahin schwimmen. Ich spüre, wie mich der See mit aller Macht ruft, und würde am liebsten in seine Wasser abtauchen und mir dabei vorstellen, dass sie endlos sind.

Was hat der Comer See, dass er fähig ist, mich bei meinen Teufeln zu packen und zu schütteln?

Ich war ein junger Mann mit klaren Zielen, aber was mir in den letzten Monaten passiert ist, hat mich ziemlich mitgenommen. Alles verändert sich so rasend schnell, man wird emotional überrumpelt, und während der Erziehung bereitet einen niemand darauf vor. Mit unnötigen Lektionen wird man dann ins Leben entlassen und ist überhaupt nicht richtig gewappnet. Das ist der Grund, weshalb es so viele emotionale Spinner gibt, die den vernunftgesteuerten Normalos den Kampf ansagen.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das jetzt schon der Anfang vom Roman ist. Ich schreibe in der Badewanne und werde Stunden darin zubringen, ehe ich euch alles geschildert habe. Wenn ihr das hier lest, dann war das der Einstieg, so wie ich es versprochen habe.

Keine Ahnung, ob ich diesen Anfang noch mal ändere, jedenfalls hilft er mir, mich zu zentrieren. Als Erstes möchte ich euch wärmstens empfehlen, an den Comer See zu fahren, wenn ihr euch einen Teufel austreiben müsst. Wenn ihr spürt, dass er in euch sitzt, und ihr euch von ihm befreien wollt, dann kommt hierher und lasst ihn mitten auf dem See raus.

Es kommt mir so vor, als hätte das Wasser des Sees diese unglaubliche Energie, weil die Tränen all der Menschen darin sind, die jahrhundertelang hierhergekommen sind, um ihren Schmerz loszuwerden. Denn dies war ein spiritueller Rückzugsort für Hunderttausende bedrängter Seelen, seit jeher.

Aber erst mal muss ich euch vom Tod meines Vaters erzählen, davon, wie das war. Das ist der Ausgangspunkt. Deshalb bin ich hier, und deshalb muss ich die lebenswichtige Entscheidung treffen, von der ich schon gesprochen habe.

Man bräuchte eine Anleitung, um mit dem Verlust des eigenen Vaters umgehen zu lernen, weil damit die gewohnten Spielregeln außer Kraft gesetzt werden. Es ist wie beim Schach: Wenn die wichtigste Figur vom Brett geht, bekommen alle anderen einen neuen Wert.

In meiner Familie war ich ein Bauer oder ein Turm, und meine Züge hatten keine Bedeutung; aber jetzt muss ich mich in einen geschickten Springer verwandeln oder in einen weitblickenden Läufer.

Ich habe einen Doktor in Epigenetik, bin also DNA-Spezialist. Bei meiner Forschung gehe ich vor allem der Frage nach, wie DNA-Veränderungen dazu beitragen, dass man für bestimmte Erkrankungen anfällig wird. Vorher war ich Kindergärtner, wahrscheinlich, weil mich der Beruf meines Vaters geprägt hat, also sein Wunsch, die Kindheit zu schützen.

Ich habe immer behauptet, dass Kinder in ihrer DNA etwas haben, was sie so einzigartig macht. Es muss damit zu tun haben, dass sie keine Ahnung vom Tod haben und davon, eines Tages sterben zu müssen. Das macht sie sorglos.

Denn unsere ganze Unruhe entsteht nur aus der Angst, zu sterben – oder zu leben. Egal, was das Thema ist: Arbeit, Sinnkrise, Liebe, Sexualität … unsere Ängste tauchen erst auf, wenn wir uns unserer eigenen Sterblichkeit bewusst werden.

Mit den Jahren, wenn man älter wird, lässt sich diese Unruhe in den Träumen nieder, und man beginnt nachts schlecht zu schlafen. Dann macht man sich nicht nur Sorgen, wenn man wach ist, sondern auch, wenn man schläft.

Wie Françoise Sagan sagte: »Wahres Glück besteht darin, angstfrei zu schlafen und sorglos aufzuwachen.«

Damals, in meiner Zeit als Kindergärtner, war ich mir meiner eigenen Sterblichkeit zwar bewusst, aber die Tatsache, dass ich mit Kindern zwischen drei und fünf Jahren arbeitete, machte mich frei. Sie konnten mich manchmal sogar mit ihrer Gelassenheit anstecken, sodass ich in der Lage war, dieses oder jenes Problem zu vergessen.

In meinem Kindergarten waren alle gehörlos, so wie ich. Deshalb fühlte ich mich, was das Hören anging, ganz und gar zu Hause.

Ich kann nämlich nicht behaupten, dass es mir damals mit meiner Gehörlosigkeit gutging. Ich konnte nicht richtig damit umgehen. Ich fühlte mich minderwertig, oder vielleicht vermittelte mir auch die restliche Welt dieses Gefühl.

Damals habe ich bei den Kindern Zuflucht gesucht, ehe ich wagte, wieder hinaus in die Welt zu gehen. Aus meiner heutigen Sicht glaube ich, dass ich mein Leben für eine Weile angehalten habe, wie mein Vater es nennen würde. Bei den Kindern fühlte ich mich sicher. Ich sagte fast kein Wort, obwohl ich es konnte, weil ich nicht von Geburt an gehörlos bin.

Es ist einfach, sich aus der Welt zurückzuziehen, weil man nicht von ihr verletzt werden will, aber dorthin zurückzukehren, wenn man sich einmal entzogen hat, ist ziemlich schwierig.

Jetzt sah ich das alles anders. Irgendwie hatte ich die Punkte verbunden, von denen Steve Jobs sprach, wenn er sagte: »Manche Dinge ergeben erst einen Sinn, wenn man rückwärts schaut. Deshalb: Vertraue darauf, dass einzelne Punkte in deinem Leben sich irgendwann verbinden und einen Sinn ergeben.«

Hier in der Badewanne und in diesem Augenblick waren die Punkte dabei, sich zusammenzufügen. Ich hoffe, ich kann euch das alles gut und in der richtigen Reihenfolge erklären, sodass ihr es auch versteht.

Damals im Kindergarten, da war ich glücklich, denn die Kinder sorgten dafür, dass ich mich wie einer von ihnen fühlte. Intelligenz ist eine Gabe, die wir mitbringen, aber Gutherzigkeit ist eine Entscheidung, die wir treffen müssen – davon bin ich fest überzeugt. Kinder haben beides serienmäßig.

Vielleicht ist damit schon alles gesagt. Bei der Entscheidung, die mir bevorstand, ging es um beide Konzepte: Intelligenz und Gutherzigkeit.

Doch ich glaube, ich schweife gerade ziemlich ab. Ich muss euch eins nach dem anderen erzählen. Gerade geht zu viel durcheinander, einiges davon ist für meine Geschichte unwichtig, anderes dagegen sehr bedeutsam. Also der Reihe nach.

Alles fing mit einer Reise an, die ich vor sechs Monaten mit meinem Vater unternommen habe. Sie ist der Ausgangspunkt, deshalb will ich euch als Erstes davon erzählen.

Und ich muss euch von meinem Vater erzählen, wie ich ihn verloren habe und wie ich ihm Vorwürfe machte.

Meine Mutter hatte ich schon vor längerer Zeit verloren. Zwar möchte ich nicht so viel von ihr reden, aber ich will euch erzählen, dass sie mir vor ihrem Tod einen Brief geschrieben hat. Darin ging es um unser gemeinsames Leben und um die falschen Brunnen:

Izan,

wenn du dein Leben damit verbringst, in falschen Brunnen zu schöpfen, wird es unglücklich werden.

Die Brunnen sind deshalb falsch, weil dir von klein auf gesagt wurde, dass dort dein Weg und der Sinn deines Lebens zu finden seien.

Das ist der Grund, weshalb du immer und immer wieder dorthin zurückgehst … Dein ganzes Leben lang gehst du zu diesen Brunnen, aber was du dort findest, vergiftet dich und führt dich zu anderen Brunnen, die noch viel falscher sind.

Nicht meine Mutter hatte mich zu diesen falschen Brunnen geführt, es war mein Vater. Aber er tat es ohne böse Absichten, einfach nur durch seine ständigen Ratschläge in meiner Kindheit und Jugend.

Das, was du deinen Kindern immer und immer wieder...

Blick ins Buch

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