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E-Book

Weder arm noch ohnmächtig

Eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weisse Helfer

AutorAxelle Kabou
VerlagLenos Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl260 Seiten
ISBN9783857879210
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
In ihrer provozierenden Analyse rechnet die Kamerunerin Axelle Kabou mit den afrikanischen Eliten ab - und mit einer Haltung, die mehr als vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit immer noch alle Schuld am Elend Afrikas der Sklaverei und dem Kolonialismus zuweist. Ihre brisante Hauptthese: 'Afrika will sich nicht entwickeln.' Mit Blick auf Asien, das es geschafft habe, aus der Abhängigkeit vom Westen herauszukommen, meint die Autorin, es sei höchste Zeit, dass Afrika sich für seine Geschichte selbst verantwortlich fühle und sein Schicksal in die eigenen Hände nehme. Afrika sei nämlich 'weder arm noch ohnmächtig'.

Axelle Kabou, geboren 1955 in Douala (Kamerun). Studium der Anglistik, Ökonomie und Kommunikation in Paris. Übersetzung zahlreicher Publikationen aus dem Englischen ins Französische. Tätigkeit u.a. als Beraterin und als Koordinatorin von Entwicklungsprojekten in Westafrika sowie beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP in Abidjan (Côte d'Ivoire).

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Leseprobe

2. Kapitel


Die Vorwände für die Verweigerung des Fortschritts


1. Eine Fülle von Antworten


Über die Unterentwicklung Afrikas ist schon so viel nachgedacht und geschrieben worden, dass man meinen könnte, unter all den Analysen über die Ursachen des Rückstandes und den Lösungsvorschlägen nur die Qual der Wahl zu haben. Alles ist als Ursache schon einmal genannt worden: Kannibalismus, Tribalismus, Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus, Korruption, Trockenheit, Heuschrecken, die Gehirnmasse des schwarzen Mannes usw. Die Liste ist lang, aber nur im Hinblick auf die ideologischen Postulate interessant, auf denen die Diagnosen beruhen. Erstens einmal fällt auf, dass es wenige systematische afrikanische Analysen zu den innenpolitischen Ursachen für die Unterentwicklung Afrikas gibt. Die Afrikaner sind offensichtlich wenig geneigt, selbst über ihren Rückstand nachzudenken. Hingegen gibt es eine Fülle von positiven oder negativen Reaktionen auf die Theorien oder Konzepte zur Unterentwicklung von Nicht-Afrikanern. Zweitens erweisen sich die immer wieder genannten Ursachen für die Unterentwicklung bei näherer Betrachtung als gar nicht so breit gefächert, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die einzelnen Punkte stellen eher politische Glaubensbekenntnisse dar, als dass sie auf wissenschaftlichen Analysen beruhten. Sie bestehen aus einer eigenartigen Mischung von Ticks und Manien, hinter denen man fünf ideologische Schulen erkennen kann. Diese sind jedoch mehr damit beschäftigt, ihre jeweilige Theorie zu verteidigen, als die Menschen in Afrika in ihrer Eigenart zur Kenntnis zu nehmen. Beim Thema Entwicklung – und das ist bei sämtlichen Theorien der Fall – kann über alles gesprochen werden ausser über die Afrikaner. Ist das ein Zufall?

Den Modellen, die Afrika für seine Entwicklung vorgeschlagen wurden, wirft man oft vor, sie würden ein Konsumverhalten fördern, das für die afrikanische Seele und die Ressourcen des Planeten gefährlich sei, und sie würden zweifelhafte politische und kulturelle Ideologien vermitteln. Aber das sind nur ihre geringsten Mängel. Viel gravierender ist die Tatsache, dass diesen Theorien die eigenartige Tendenz zueigen ist, die geistige Trägheit des Afrikaners zu übersehen und an seine Stelle einen Phantasie-Menschen zu setzen, der folglich gar nicht agieren kann. Die offiziellen Ursachen für den Rückstand Afrikas sind – selbst oder gerade wenn man die Afrikaner verteidigen will – so abstrakt, dass man auf jeden Fall das seit dreissig Jahren bestehende Analyse-Schema zerstören muss, damit der Afrikaner endlich den Anteil seiner Denkweisen und seiner sozialen und wirtschaftlichen Entscheidungen an seinen verschiedenen Fehlleistungen erkennen kann.

2. Die fünf wichtigsten Theorien über die Ursachen der Unterentwicklung


Die geltenden Ursachen der Unterentwicklung unterscheiden sich je nach den Ideen, die gerade Mode sind; je nach Alter, politischer Einstellung oder sogar Hautfarbe des Verfechters dieser Ursachen. Daher entstehen unterschiedliche Diagnosen, je nachdem, ob die Vertreter einer Theorie alt oder jung, schwarz oder weiss, extrem rechts, rechts oder links eingestellt sind oder ob sie zu der schuldbewussten Linken gehören, die sich seit kurzem ganz begeistert auf eine Art „Soft-Ideologie“1 beruft. In der Tat gleichen sich heute durch die Verringerung der ideologischen Spannungen zwischen Ost und West die früher sehr unterschiedlichen Einstellungen zur Problematik der Unterentwicklung einander an.

Chronologisch gesehen kann man fünf Haupttheorien unterscheiden, die sich zeitlich überschneiden:

– Eine missionarisch-zivilisatorische Denkrichtung, die die Diskussion über die Frage der Unterentwicklung Afrikas überhaupt erst ausgelöst hat. Sie hat ihren Ursprung im 16. Jahrhundert und gilt bis heute, mit einem Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts2.

– Die Ideen einer ganzen Gruppe von „Dritte-Welt-Verbesserern“ („Tiers-mondistes“), viele von ihnen Marxisten, welche die missionarisch-zivilisatorische Denkrichtung ablehnen. Sie bestimmen von etwa 19553 an, aber vor allem seit Ende der sechziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre die öffentliche Diskussion zu diesem Thema.

– Eine neoliberale Strömung, die es schon immer gegeben hat und die vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank verkörpert wird.

– Eine re-aktionäre Strömung, die linke und rechte Afrikaner umfasst: Sie lehnen die Thesen der westlichen Zivilisatoren ab und predigen mit unterschiedlicher Vehemenz die Rückkehr zu den Ursprüngen der afrikanischen Kultur oder auch die Öffnung nach aussen, aber immer ausgehend von den ursprünglichen kulturellen Werten Afrikas.

– Schliesslich eine neue „softe“ Tendenz, die nach der Beendigung des Kalten Krieges und der Auflösung der Ost-West-Gegensätze entstanden ist und die den grössten Teil der marxistischen Theorie über Unterentwicklung und Entwicklung revidiert oder gar aufgibt4.

3. Die zivilisatorische Mission und die verletzte Empfindlichkeit der Afrikaner – „Ich Robinson, Du Freitag” oder „Die Sache der Weissen“


Ob sich die Theorien über die Unterentwicklung Afrikas vom wissenschaftlichen Sozialismus, vom Dogma des Liberalismus oder vom ursprünglichen Kommunismus inspirieren: alle unterschätzen den Umstand, dass sie sich an Menschen richten, denen die Weissen eingeredet haben, sie seien weniger wert, und die deshalb tief verletzt sind. Denn Entwicklung setzt notwendigerweise einen Rückstand voraus, was wiederum für den Afrikaner hartnäckig nach zivilisatorischer Mission, rassischer und kultureller Unterlegenheit riecht. Das sind Begriffe, die im kollektiven Bewusstsein der aus dem Kolonialismus Befreiten im Zusammenhang stehen mit Erniedrigung, mit Protest, mit neuem Selbstwertgefühl und mit der Vertreibung der Kolonisatoren.

In Schwarzafrika ruft der Begriff „Entwicklung“ nicht die Einsicht in die Notwendigkeit hervor, für die Verbesserung der Lebensbedingungen zu kämpfen. Er provoziert vor allem die Haltung, jeglichen Wunsch nach Veränderung einer Situation, die schon als genügend prekär empfunden wird, gar nicht ins Bewusstsein dringen zu lassen. Entwicklung wird wie eine grosse Last erlebt, welche die durch Sklavenhandel, Kolonialismus und Neokolonialismus geschwächten Kulturen schlecht ertragen. Der Druck zur Entwicklung löst ein grundlegendes anhaltendes Unwohlsein aus. Ausdrücke wie „unterentwickelte Länder“ oder, weniger abfällig, „Entwicklungsländer“ werden als kaum verhüllte Feststellungen einer kulturellen und technischen Unterlegenheit empfunden.

Dieses Bewusstsein, von dem man eigentlich annehmen sollte, es sei längst überwunden, kennzeichnete damals die Reden der Gründerväter der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) und bildet bis zum heutigen Tage die Grundlage für jedwelche afrikanische Betrachtung zur Zukunft Afrikas.

Es ist, als ob Afrika trotz der Werke bekannter Historiker und Soziologen5 stillschweigend übereingekommen wäre, dass es erst seit der Ankunft des weissen Mannes existiert. Dabei gibt es dieses Problem nicht erst seit Beginn der Unabhängigkeit. Keine bekannte Theorie zur Unterentwicklung jedoch stellt einen Zusammenhang her zwischen dieser massiven psychischen Hemmung und den Schwierigkeiten, auf die jene stossen, welche den Fortschritt als Konzept der Zukunft in Schwarzafrika wieder verankern möchten.6

Kein Experte führt das schlechte wirtschaftliche Abschneiden Afrikas auf dieses permanente Unbehagen zurück. Ohne Leidenschaft indessen kann nichts Grossartiges entstehen. In den siebziger Jahren hat eine wohl von der „Négritude“ inspirierte und revanchistische Soziologie sogar vorgeschlagen, die Entwicklung den traditionellen Realitäten Afrikas anzupassen: Dabei verteufelte sie Fabriken in Fertigbauweise, importierte Technologien usw. Aber worum ging es eigentlich: um Entwicklung oder um eine Abrechnung mit den verschiedenen Zivilisationen? Muss man Afrika wirklich als ein bedrohtes, unter Denkmalschutz stehendes Bauwerk ansehen?

Das Gift der falschen Evolutionstheorie7 spukt bis heute in den Köpfen der Afrikaner. Aber statt dies zu berücksichtigen, sind die Entwicklungstheoretiker davon überzeugt, dass es ausreiche, die UNO-Kriterien der Unterentwicklung8 vom Geruch der Minderwertigkeit zu befreien, die solchen Listen immer innewohnt, damit befriedigende Entwicklungsstrategien für die Afrikaner entstehen. Dem ist bei weitem nicht so. Zunächst ist jede Entwicklungstheorie ihrer Natur nach evolutionistisch. Allein diese Aussage ist schon ein enormes Problem in Afrika, wo man überzeugt ist, nichts erfunden zu haben9. Das daraus entstehende Gefühl der Demütigung erklärt zweierlei: Einmal wird Unterentwicklung von den Afrikanern häufig mit dem angeblichen Unverständnis gleichgesetzt, auf das ihre Kultur bei den Ausländern stösst. Zweitens werden die Entwicklungsanforderungen von der afrikanischen Intelligenz systematisch manipuliert, und zwar zugunsten eines nebulösen Rechts auf Unterschied, wodurch Afrika zunehmend ins Abseits gerät. Schliesslich sind die Afrikaner überzeugt, dass sie – als Folge der rassistischen sozialen Hierarchie während der Kolonialzeit – bis heute aufgrund ihrer Hautfarbe beherrscht werden10, und übersehen die anderen Mittel der Unterdrückung. Die Reaktion der „Organisation für Afrikanische Einheit“ auf die Apartheid ist ein gutes Beispiel für diese...

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