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E-Book

Zwei Papas und ein Baby

Unser Leben als (fast) ganz normale Familie

AutorTobias Rebisch
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641178826
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Eltern über Nacht
Nach ihrer Heirat beschließen Tobias Rebisch und sein Mann, ihr Glück perfekt zu machen: Sie wollen ein Kind adoptieren. Doch der Adoptionsprozess ist langwierig und nervenaufreibend, die Bürokratie und das lange Warten sind eine Belastungsprobe für die Beziehung. Als sie schon fast aufgeben wollen, geschieht das Wunder: Das Jugendamt meldet sich, schon am nächsten Tag sind sie Eltern eines neugeborenen Jungen, der ihr Leben durcheinanderwirbelt.

Tobias Rebisch beschreibt offen und ehrlich, wie es ist, von heute auf morgen Eltern zu sein, und berichtet vom Leben als schwules Paar mit Kind. Er erzählt von Müttern, die Männern grundsätzlich die Eignung zur Kindererziehung absprechen, und davon, was ihm durch den Kopf geht, als sein Sohn eines Tages nach der Krippe verkündet, er wolle seinen Kita-Freund Stefan heiraten . . .

Tobias Rebisch gewährt uns Einblicke in eine etwas andere Familie - wunderbar ehrlich und berührend!

Tobias Rebisch wurde 1979 in einem Bergdorf in Österreich geboren und lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Nach seiner Ausbildung zum Hotelfachmann arbeitete er in der internationalen Luxus-Hotellerie. Heute ist er für den Vertrieb eines renommierten Hotels verantwortlich - und Vollblutpapa.

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Leseprobe

Vorwort

»Die Sonne scheint«, sagte ich. »Auf, Luis! Wir holen den Papa ab.«

Leicht verschlafen rieb er sich mit seiner kleinen Faust die Augen. Dann strahlte er. »Papa!«

Es war einer dieser Tage, an denen die Sonne nach Wochen des Regens endlich durch die Wolken drängt. Alle wollten nach draußen, ans Licht und in die Sommerluft, und mir ging es nicht anders.

Rasch wechselte ich die Windel, zog Luis an und schnappte mir die Windeltasche, Marke umfunktioniertes Laptop-Bag. Vorsichtshalber nahm ich den Buggy mit. Auch wenn Luis seit seinem ersten Geburtstag laufen konnte, überkam ihn manchmal eine gewisse Bequemlichkeit. Doch zum Tragen war er mir mit seinen eineinhalb Jahren auf Dauer schon zu schwer.

»Entlein füttern«, sagte er und sah mich auffordernd an.

»Ja, wir gehen die Enten füttern, das hab ich dir ja versprochen.«

Ich packte die Tüte mit dem harten Brot in die Buggytasche, und los ging’s.

An der Uferpromenade spazierten Einheimische und Ausflügler gleichermaßen entlang. Ich atmete tief durch.

»Schau mal, wie schön!«, sagte ich zu Luis.

In der Tat war das Panorama überwältigend. Mein Blick schweifte über den glitzernden See, die grünen Hügel und weiter hinauf zu den Bergen. Die Sicht war so klar, dass auf den hohen Gipfeln noch Schnee zu erkennen war.

Marc, mein Mann, musste dieses Wochenende an einem auswärtigen Finanzseminar teilnehmen. Also hatten wir spontan beschlossen, die Fahrt auf uns zu nehmen und die wenige freie Zeit hier gemeinsam zu verbringen.

Luis war meinem Blick gefolgt, aber anstelle des Bergpanoramas hatte er etwas viel Wichtigeres entdeckt: die Enten. Jetzt war er kaum mehr zu halten. Ich nahm ihn an die Hand, es konnte nicht schnell genug gehen. Im Stillen bereute ich, den Buggy mitgenommen zu haben. Das ewig gleiche Elternthema.

Am Ufer drängte sich eine ganze Schar Enten. Ein Schwan schwebte über das Wasser, den Hals gereckt. Ich gab Luis das Brot und half ihm dabei, kleine Brocken abzubrechen. Er nahm sich einen und überlegte kurz, ob er ihn sich nicht lieber selbst in den Mund stecken sollte. Dann entschied er sich, holte aus und warf das Brotstück Richtung Wasser.

Wenig später war er von quakenden Enten umringt, und ich hörte sein helles Kinderlachen. In diesem Moment wünschte ich mir, er könne sein ganzes Leben so unbeschwert lachen und damit seine ganze Umgebung anstecken wie auch jetzt. Ich fühlte die wohlwollenden Blicke, die uns streiften. »Wie nett, ein Vater, der sich Zeit für seinen Sohn nimmt.«

Als das Brot verfüttert war, schmiegte Luis sich an mich. Dann plötzlich richtete er sich auf.

»Papa!«, rief er, machte sich los und stürmte mit seinen strammen Beinchen auf Marc zu, der uns auf der Promenade entgegenkam.

Luis landete in seinen ausgebreiteten Armen, wurde durch die Luft gewirbelt und quietschte vor Vergnügen.

Ich blieb stehen und ließ den beiden ihren Raum, wusste ich doch, dass sie einander vermisst hatten. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie gern ich selbst manchmal auf Marc zugelaufen wäre, am Flughafen, nach Tagen der Trennung, und ihn umarmt hätte. Aber ich hatte es nie gewagt. Hatte es uns, aber auch unserem Umfeld nicht zumuten wollen. Zwei Männer, die sich lieben und in aller Öffentlichkeit in die Arme fallen … ging das? War das denkbar?

Luis scherte sich nicht darum, warum auch? Mit der Selbstverständlichkeit eines Kindes folgte er einfach seinem Herzen. Marc war sein Papa, der gemeinsam mit mir die Verantwortung für ihn trug, ihn unendlich liebte, sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte.

Eineinhalb Jahre waren vergangen, seit wir Luis adoptiert hatten. Er war das größte Geschenk unseres Lebens. Wir hatten einen langen Weg zurücklegen müssen, bis es so weit gewesen war.

Ich sah, wie Luis sich in Marcs Armen zu mir umdrehte.

»Papi!«, rief er und lächelte mich an. Ich machte mich mit dem Buggy auf den kurzen Weg zu ihnen, zwirbelte Luis’ Haar und schloss beide in die Arme. Die Blicke der Spaziergänger, die Zeugen dieser Szene geworden waren, ließ ich zurück, dort bei den Enten und Schwänen.

»Komm, wir gehen ein Stück«, schlug Marc vor. »Dort drüben kann man gut mit den Füßen ins Wasser.«

Luis wollte selbst laufen. Wir nahmen ihn links und rechts an die Hand und liefen unserem Samstagnachmittag entgegen. Eine (fast) normale Familie eben.

* * *

Als ich mich entschied, dieses Buch zu schreiben, geschah es zum einen aus dem Bedürfnis heraus, Paaren, die adoptieren möchten, Mut zu machen. Diese Liebe, die man seinem Kind gegenüber empfindet, ist völlig unabhängig davon, ob es blutsverwandt ist oder nicht. Denn sie ist bedingungslos.

Zum anderen ist unsere Situation auch im Jahr 2016 immer noch eine besondere: Luis hat zwei Väter. Er ist Teil einer sogenannten Regenbogenfamilie, von denen es in Deutschland rund fünftausend gibt: zwei Frauen oder zwei Männer, die gemeinsam ein Kind oder mehrere Kinder großziehen.

Als Marc und ich über eine Adoption nachdachten, geschah dies aus dem tiefen Wunsch heraus, einem Kind Liebe zu schenken, es zu beschützen, zu fördern und zu einem glücklichen, stabilen Menschen heranwachsen zu sehen. Wie heterosexuelle Paare sehnten wir uns danach, eine Familie zu gründen, und hinterfragten uns gleichzeitig immer wieder, ob wir der Verantwortung gerecht werden könnten. Wie würde es sich auf unser Kind auswirken, dass es keine Mutter hätte? Wären wir in der Lage, ihm alles zu geben, was es für seine Entwicklung braucht? Würde es im Kindergarten und in der Schule unseretwegen gehänselt werden? Welches Rollenbild würden wir ihm vorleben, und wie würde das sein späteres Leben prägen?

Studien in den USA und Australien haben sich mit homosexuellen Elternpaaren und ihren Kindern beschäftigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es »keinerlei wissenschaftliche Belege«1 für negative Auswirkungen auf das Kindeswohl gibt. Hinsichtlich des Gesundheitszustands, der emotionalen Stabilität, des Selbstbewusstseins sowie des familiären Zusammenhalts schnitten Kinder aus Familien zweier gleichgeschlechtlicher Partner zum Teil sogar besser ab.2 Auch in Deutschland zeigte sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung, die vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben wurde, dass Kinder aus Regenbogenfamilien selbstbewusst, autonom und psychisch stabil sind.3

Diese Ergebnisse wie auch die positiven Erfahrungen anderer gleichgeschlechtlicher Elternpaare haben uns in unserem Entschluss zur Adoption unterstützt. Nur finanzielle Zuwendung in Form einer Patenschaft zu geben, das war uns nicht genug. Das Bedürfnis, eine Familie zu haben, sie zu lieben und Tag für Tag die volle Verantwortung für sie zu tragen, ist meinem Gefühl nach zutiefst menschlich.

Homosexuellen, die hierzulande ein Kind adoptieren wollen, werden einige Steine in den Weg gelegt. Marc und ich durchlitten zeitweise immense Tiefen, doch es gelang uns, ein Hindernis nach dem anderen zu überwinden. Das Glück und auch das Jugendamt waren auf unserer Seite. Seit nunmehr drei Jahren ist Luis der Mittelpunkt unseres Lebens. Nichts unterscheidet uns von anderen glücklichen Familien – nichts außer der Tatsache, dass Luis einen Papi und einen Papa hat.

In den Diskussionen um das Kindeswohl, die angesichts der Debatte um die Homo-Ehe immer wieder aufflammen, wird oft außer Acht gelassen, dass es uns, den Eltern, selbst in allererster Linie darum geht, dass unsere Kinder glücklich sind, Vertrauen entwickeln und zu selbstbewussten Menschen heranwachsen.

»Kindeswohl« ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, die genaue Interpretation ist subjektiv. Das Wohlergehen von Kindern liegt uns Menschen aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit ganz besonders am Herzen, der Staat wacht darüber. Und das ist gut so. Doch während ich diese Zeilen schreibe, gibt es etwa drei Millionen Waisenkinder allein in Südafrika, die kaum eine Aussicht auf ein Leben haben, das ihnen die Geborgenheit und die Chancen eines stabilen Elternhauses schenkt. Sollten die Regierungen da nicht froh sein über jeden, der ein fremdes Kind aufnehmen möchte?

Aber wir sind nicht »jeder«. Die Geschichte von Marc und mir ist eine moderne Liebesgeschichte zweier Menschen, die ihr Leben teilen und sich nichts sehnlicher gewünscht haben als eine Familie. Als Homosexuelle können wir keine eigenen leiblichen Kinder haben. Doch wir können einem Kind eine Umgebung schaffen, in der es geliebt, wahrgenommen, geachtet und in seiner Entwicklung unterstützt wird. Diesen Anspruch teilen wir mit allen verantwortungsvollen Paaren, die sich ein Kind wünschen. Wir sind nicht anders als sie – nur vielleicht in der Hinsicht, dass wir noch ein wenig dankbarer für unseren Sohn sind. Jeden Morgen bedeutet es für uns ein kleines Wunder, wenn Luis uns mit seinem Lachen begrüßt und sich auf einen weiteren Tag seines Lebens freut. Einen Tag, an dem es so viel Neues zu entdecken und mit uns zu teilen gilt.

Insofern richtet sich dieses Buch an alle weltoffenen Menschen, die an unterschiedlichen Lebensformen interessiert sind und einen Blick über den Zaun des Gewohnten werfen möchten. Was anders ist, macht erst einmal Angst. Das ist ein natürlicher Prozess, der uns Menschen durch die Evolution begleitet hat. Wir alle haben unsere Schubladen, die uns dabei helfen, die vielen Eindrücke in einer sich ständig wandelnden Welt zu sortieren. Doch es tut keinem gut, die Schubladen und damit uns selbst verschlossen zu halten. Wir sind keine...

Blick ins Buch

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