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Wald wird´s erst mit vielen Bäumen. Chancen und Grenzen integrativer Förderung autistischer Kinder im Waldkindergarten

AutorStefanie Schellpeper
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783638508612
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,5, Katholische Hochschule Freiburg, ehem. Katholische Fachhochschule Freiburg im Breisgau (Fachbereich Heilpädagogik), 43 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Idee zur vorliegenden Diplomarbeit entstand im Kontext einer Integrationsmaßnahme, welche die Autorin seit März 2005 im Auftrag einer Frühförderstelle durchführt. Sie begleitet den 5-jährigen Jungen Lasse mit Asperger-Syndrom in den Waldkindergarten 'Amselnest, e.V.'. Im Laufe der ersten Monate wurde deutlich, dass die Struktur des Kindergartens, bedingt durch den Wald und die Konzeption gute Möglichkeiten für die Entwicklung des Jungen bietet. Besonders zeigte sich dies in den Bereichen Kommunikation, Wahrnehmung und Sozialkompetenz. Diese Beobachtung und die Erfahrungen der Autorin in der täglichen Arbeit, legten die Vermutung nahe, dass der Waldkindergarten auch für andere autistische Kinder besonders gute Entwicklungsmöglichkeiten bieten könnte. In der Literatur zum Thema Waldkindergärten ließ sich erfahren, dass in der Pädagogik der Waldkindergärten den Entwicklungsbereichen, die besonders bei Kindern mit autistischen Verhaltensweisen förderbedürftig sind, eine große Bedeutung beigemessen wird. Außerdem sind Kinder mit Behinderungen hier konzeptionell erwünscht. Diese Sachverhalte wurden zum Anlass genommen, sich intensiver mit dem Zusammenhang Autismus und Waldkindergarten zu beschäftigen. In dieser Diplomarbeit soll herausgestellt werden, welche Chancen und Grenzen die Integration von Kindern mit autistischen Verhaltensweisen im Waldkindergarten bergen kann.

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Leseprobe

3.        Kapitel

 

Der Waldkindergarten

 

3.1      Der Waldkindergarten - einleitende Gedanken

 

„Wir hatten ja Spielplätze, wir waren immer beschäftigt, hatten die Natur, die uns immer aufgeregt hat, die Jahreszeiten, die immer etwas Neues anzubieten hatten.“

 

(LINDGREN, 2000, S. 17)

 

Waldkindergärten verstehen sich als Alternative zu Regeleinrichtungen in der Vorschulpädagogik. Sie geben die Antwort auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen, die „...im Laufe der Zeit zu einer Beeinträchtigung der Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern führte...“ (vgl. HÄFNER, 2002, S. 32).

 

Besonders die Bewegungsmöglichkeiten von Kindern sind eingeschränkter als noch vor wenigen Jahrzehnten. „Die Technisierung, die Medien und vor allem vorgefertigtes Spielzeug, welches der Förderung von Kreativität und Phantasie nicht dienlich ist, verstärken den Verlust an Primärerfahrungen, sinnlicher Wahrnehmung und Bewegung“ (LUDWIG, 2004, S. 11). Computer, Fernsehen und Videospiele verlagern den Spielplatz der Kinder nach drinnen statt nach draußen. Auch der zunehmende Straßenverkehr bedeutet für die Kinder neben der Abgasbelastung eingeschränktere Möglichkeiten in der Bewegung. „Die Straßenkindheit ist zunehmend verschwunden“ (LUDWIG, 2004, S. 11). Ferner haben die Kinder zunehmend fixe Termine in der Freizeit. Diese „Terminkindheit“, wie LUDWIG sie nennt, erschwert spontane Begegnungen und Freispiel (vgl. ebd., S. 12). Dementsprechend haben Kinder oft gesundheitliche Defizite. Übergewicht, Haltungsschäden, ein schwaches Herz- Kreislaufsystem, sowie „...muskuläre Schwächen und Koordinationsstörungen bei Bewegungsabläufen“ (MIKLITZ, 2004, S. 20, vgl. auch LUDWIG, 2004, S. 12) seien als Beispiele genannt. Unfälle kommen immer häufiger vor, da ihnen Bewegungserfahrungen und somit -strategien fehlen, die sie dazu befähigen würden, auf motorische Anforderungen zu reagieren. MIKLITZ macht zusätzlich „...voll möblierte Kinderzimmer und Kindergartenräume, sowie ein Überangebot an Spielmaterial...“ für Platzmangel und damit eingeschränkte „...Bewegungs- und Gestaltungsmöglichkeiten...“ verantwortlich (2004, S. 12).

 

Der Waldkindergarten versucht all dem entgegen zu wirken. In ganz Deutschland erfreut er sich, als alternative Form zum Regelkindergarten, immer größer werdender Beliebtheit. Hier kann den Kindern die Bewegungsmöglichkeit gegeben werden, die sie für eine gesunde Entwicklung benötigen. Das direkte Erleben der Jahreszeiten, der heimischen Pflanzen und Tiere soll auch das Umweltbewusstsein in Zeiten einer hochtechnisierten Welt wieder stärker in den Vordergrund rücken.

 

3.2      Ein Abriss der Geschichte von Waldkindergärten in Deutschland

 

1954 wurde in Dänemark der erste Waldkindergarten als Elterninitiative von Ella Flatau gegründet. Bereits Ende der 60er Jahre arbeitete in Wiesbaden Ursula Sube ähnlich, jedoch ohne Konzeption, staatliche Anerkennung und Finanzierung. Die Privatinitiative finanzierte sich damals ausschließlich über Elternbeiträge (vgl. HÄFNER, 2002, S. 34). Anfang der 90er Jahre waren Flensburg und Lübeck in Deutschland die „...Vorreiter einer Bewegung, die wenige Jahre darauf auch im süddeutschen Raum Fuß fassen konnte“ (Konzeption Waldkindergarten „Amselnest, e.V., 2000, S. 1). Waldkindergärten werden seither auch in Baden- Württemberg staatlich anerkannt und finanziell gefördert (ebd.). Zurzeit gibt es deutschlandweit ca. 350 Waldkindergärten (vgl. HÄFNER, 2002, S. 7).

 

3.3      Formen des Waldkindergartens

 

In Deutschland konnten sich unterschiedliche Formen von Waldkindergärten durchsetzen. Im Folgenden wird mit dem Begriff Waldkindergarten immer der reine Waldkindergarten gemeint sein. Abzugrenzen sind der integrierte Waldkindergarten, bei dem das „...pädagogische Konzept des Waldkindergartens in einen Regelkindergarten integriert...“ (MIKLITZ, 2004, S. 17) wird. In Deutschland gibt es zum Beispiel Regelkindergärten mit festen Waldgruppen oder Kooperationsmodelle zwischen Wald- und Regelkindergärten (vgl. MIKLITZ, 2004, S. 18).

 

Flexible Wald- oder Wandergruppen in Regelkindergärten lassen die Kinder selbst entscheiden, ob sie in den Wald gehen oder in den Räumlichkeiten bleiben wollen (vgl. HÄFNER, 2002, S. 46).

 

Ferner beschreibt MIKLITZ Formen der Waldkindergartenpädagogik, wie z.B. Projektwochen im Regelkindergarten, die sich intensiv mit den Themen Wald und Naturleben beschäftigen, oder Kindergärten mit regelmäßig stattfindenden Waldtagen.

 

Der reine Waldkindergarten ist in Deutschland am weitesten verbreitet. Von ihm soll an dieser Stelle die Rede sein.

 

Bei dieser klassischen Form des Waldkindergartens, verbringen die Kinder den gesamten Vormittag in einem räumlich begrenzten Gebiet im Wald. Dieser ist „...leicht erreichbar...“ und „...öffentlich zugänglich“ (MIKLITZ, 2004, S. 16). In der Regel werden die Kinder an fünf Tagen in der Woche täglich 4-6 Stunden betreut. In den Wintermonaten werden die Öffnungszeiten zum Teil verkürzt. In den wärmeren Monaten wird dies in Form von längerer Betreuungszeit ausgeglichen (ebd.). „Der Anteil der Waldkindergärten mit verlängerten Öffnungszeiten wächst“ (MIKLITZ, 2004, S. 17). Ein festes Kindergartengebäude existiert nicht, jedoch gibt es einen „Schutzraum“ (ebd.) für Tage mit extremen Wetterlagen. In der Regel dient dazu ein umgebauter Bauwagen. Hier wird z.B. Werkzeug, Bastelmaterial und Ersatzwäsche gelagert. Die Gruppe setzt sich aus maximal 20 Kindern zwischen drei und sechs Jahren zusammen und wird von zwei pädagogischen Fachkräften, sowie einer Drittkraft betreut. Letztere ist entweder eine Praktikantin im Anerkennungsjahr zur Erzieherin oder wird durch einen „Elternmitgehdienst“ bereitgestellt (vgl. MIKLITZ, 2004, S. 16f.).

 

3.4      Konzeptionelle Grundlagen und pädagogische Ziele

 

„Für den Waldkindergarten scheint es mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit zu sein, über eine (...) schriftliche Konzeption zu verfügen“ (HUPPERTZ, 2004,S. 167). Es liegt zwar keine einheitliche Konzeption für Waldkindergärten in Deutschland vor, jedoch existieren Fassungen mit individuellen Profilen der einzelnen Waldkindergärten, die sich z.T. aneinander anlehnen (vgl. Konzeption Waldkindergarten „Amselnest, e.V.“, 2000). Grundlage für Konzeptionen in Waldkindergärten sind laut MIKLITZ „...reformpädagogische Leitlinien, wie die Förderung der Eigenverantwortlichkeit, Lernen in ganzheitlichen Zusammenhängen, (...) Umwelterziehung und Naturpädagogik und das Lernen auf der Grundlage praktischen Anschauens und Tuns“ (ebd., 2004, S. 23). HUPPERTZ schreibt den Waldkindergärten die „...konsequenteste Anwendung...“ eines „...Lebensbezogenen Ansatzes“ zu (ebd.).

 

Zentrale Themen in allen Konzeptionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

„Förderung der Motorik durch natürliche, differenzierte, lustvolle Bewegungsanlässe und –möglichkeiten,

 

Erleben der jahreszeitlichen Rhythmen und Naturerscheinungen,

 

Förderung der Sinneswahrnehmung durch Primärerfahrungen,

 

ganzheitliches Lernen, das heißt Lernen mit den Sinnen, mit dem Körper, alle Ebenen der Wahrnehmung ansprechend,

 

Erleben der Pflanzen und Tiere in ihren originären Lebensräumen,

 

Möglichkeit, körperliche Grenzen zu erfahren,

 

Erfahren von Stille und Sensibilisierung für das gesprochene Wort,

 

Sensibilisierung für ökologische Zusammenhänge und Vernetzungen,

 

Wertschätzung der Lebensgemeinschaft Wald und des Lebens überhaupt“ (MIKLITZ, 2004, S. 24).

 

MIKLITZ und HÄFNER beschreiben, dass man einer Aufnahme von behinderten oder benachteiligten Kindern „...grundsätzlich positiv gegenüber...“ stehe. „Dies trägt bereits im Kindergartenalter maßgeblich zum Abbau von Vorurteilen gegenüber behinderten Menschen bei“ (vgl. HÄFNER, 2002, S. 37 und MIKLITZ, 2004, S. 24).

 

 

Abbildung 2.:„Die wichtigsten Ziele der pädagogischen Arbeit“

 

Als die „...wichtigsten Ziele der pädagogischen Arbeit“ beschrei-ben von HUPPERTZ befragte Walderzieher vor allem die Sozialerziehung, Umwelterziehung und Naturverbundenheit, Stärken des Selbstwertgefühls, Autonomie und Entwicklungsförderung. Weitere Ziele gehen aus nebenstehender...

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