Kinder bzw. Jugendliche zwischen zehn und vierzehn Jahren haben an Wochentagen im Durchschnitt knapp sechs Stunden Freizeit (vgl. Statistisches Bundesamt 2003, S. 41). Die Ausgestaltung dieser Freizeit hat sich in der Vergangenheit sehr gewandelt. Unter anderem durch die Verstädterung der Landschaft und den zugenommenen Straßenverkehr veränderten sich die Spiel- und Aktionsräume von Kindern. Hinzu kommt, dass es durch den demographischen Wandel häufig an Spielkameraden z.B. für spontane Gruppenspiele mangelt (vgl. Jürgens/Sacher 2000, S. 3; Prahl 2002, S. 251). Ebenfalls einen großen Einfluss auf das individuelle Freizeitverhalten hat die Zunahme von Massenmedien.
Das individuelle Muster des Freizeitverhaltens ist relativ stabil, es kann sich aber auch ändern. Besonders geeignet für deutliche Veränderungen sind neben kritischen Lebensereignissen vor allem Statuspassagen wie beispielsweise der Übergang von der Kindheit zur Jugend oder zum Erwachsenwerden (vgl. Prahl 2002, S. 191). In einer Querschnittsstudie, deren Zielgruppe Schüler und Schülerinnen aus fünften, siebten und neunten Jahrgangsstufen in Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien waren, ergab sich folgende Entwicklung des Freizeitverhaltens (vgl. Bofinger 2001, S. 6): „Je älter die Schüler waren, (1) desto konkreter, selektiver und zielstrebiger (man könnte aber auch sagen: einseitiger) wurden ihre Freizeitinteressen, (2) desto stärker war die Ablösung von der Familie, verbunden mit einem wachsenden Freizeitanteil außer Haus und mit Freunden und (3) desto wichtiger wurde der Konsum neuer Unterhaltungsmedien vielfältigster Art – ein insgesamt erwartungsgemäßes und wenig überraschendes Ergebnis, das die an sich normale Sozialisationsentwicklung von Kindern und Jugendlichen widerspiegelt“ (Bofinger 2001, S. 27).
Zu Veränderungen des Freizeitverhaltens in der Jugendphase ist noch anzumerken, dass sich sowohl die Gesellschaft als auch das Individuum die „Jugend“ in zeitlicher, emotionaler und sozialer Hinsicht leisten können muss. Früher wurde die Jugendphase häufiger unter anderem durch niedrige Lebenserwartung, geringes Haushaltseinkommen, kopfstarke Familien und hohem Arbeitsanfall verkürzt (vgl. Prahl 2002, S. 262). Das heißt auch für die heutige Zeit, dass beispielsweise das Freizeitverhalten eines 20-jährigen verheirateten erwerbstätigen Mannes vermutlich ganz anders aussieht als das eines 20-jährigen Studenten, der noch bei seinen Eltern lebt.
Mit durchschnittlich 1,34 Kindern pro Frau hat Deutschland eine der niedrigsten Geburtenraten in der Europäischen Union (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund 2007, S. 20). Im Jahr 1990 war die Zahl der Lebendgeborenen in Deutschland noch bei 905.675, im Jahr 2005 nur noch bei 685.795 (vgl. Statistisches Bundesamt 2007, S. 50). Nach Vorraussagen soll die Zahl der Geburten auf ca. 500.000 im Jahr 2050 zurückgehen (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund 2007, S. 20). Anteilsmäßig haben sich hierbei die Einzelkinder vermehrt. Das heißt in den Familien – deren Formen im Übrigen vielfältiger geworden sind – fehlen Geschwister als Kontaktpartner und Orientierungsmuster. Etwas zynisch ausgedrückt könnte man sagen, dass Geschwister heute durch Besitz ersetzt werden, welcher die Kinder unterhält und erfreut (vgl. Prahl 2002, S. 259; Hobmair u.a. 2002, S. 279).
Im Folgenden soll auf die Verhäuslichung und auf die Verinselung der Freizeit eingegangen werden. Selbstverständlich stehen die beiden Begriffe nicht absolut. Dennoch ist das Freizeitverhalten enorm durch diese zwei Aspekte geprägt, weshalb näher darauf eingegangen wird.
In der Bundesrepublik Deutschland verbringen die Menschen ihre Freizeit größtenteils im Haus, insbesondere mit Medien (vgl. Prahl 2002, S. 180). Bereits Buber (1878 – 1965) konstatierte die zu seiner Zeit wachsende Abnahme von Unmittelbarkeitserfahrungen der Menschen untereinander. Die „Du-Welt“ wird zugunsten von Erfahrungen mit der „Es-Welt“ vernachlässigt. Für eine wuchernde Es-Welt aus dialogphilosophischer Sicht gibt auch Gerdes als Beispiele der heutigen Zeit die Vielzahl der heutzutage mittelbaren Kommunikationsformen bzw. -techniken des modernen elektronisch medialisierten Lebens an (vgl. 2001, S. 283 f). Für Postman besteht kein Zweifel daran, dass die Medien die Rolle der Familie bezüglich der Ausformung von Wertvorstellungen und Wahrnehmungsweisen von Kindern eingeschnürt haben (vgl. 2003, S. 168). Für den Konsum von Massenmedienerzeugnissen geben Hobmair u.a. die Suche nach Entspannung und Unterhaltung als wichtigstes Motiv an. Weitere sind z.B. das Vertreiben von Zeit und Langeweile, die Suche nach Vorbildern, Anregungen für die Meinungsbildung, Informationsbeschaffung und Ersatz für zwischenmenschliche Kommunikation. Medienerfahrungen sind zweifellos Bestandteile der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen (vgl. 2002, S. 267). Auch Prahl schreibt, dass die Kindheit heute vor allem Medienkindheit ist. Die Straßensozialisation wandelte sich in den letzten Jahrzehnten zur Wohnungskindheit. Somit weicht die Straßensozialisation der Wohnungssozialisation (vgl. 2002, S. 256).
Notwendigerweise muss durch Medienerziehung dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche verstehen, dass und in welcher Weise die politische und gesellschaftliche Beschaffenheit einer Gesellschaft durch Medien widergespiegelt und beeinflusst wird. So können und sollen sie lernen, sich für bestimmte Teile des Medienangebots bewusst zu entscheiden, diese kritisch zu betrachten und im Hinblick auf sich selbst und die Gesellschaft zu bewerten. Neben der kritischen Nutzung muss auch die Bedienung und Handhabung von Medien erlernt werden (vgl. Hobmair u.a. 2002, S. 266 und S. 276).
Je nach Geschlecht, Alter und psychosozialen Faktoren differiert die Massenmediennutzung (vgl. Prahl 2002, S. 263). Obwohl die Nutzung von Medien der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu Gute kommen kann, birgt sie auch und insbesondere bei deren Dauerkonsum große Gefahren in sich. So ist der steigende Medienkonsum Ursache dafür, dass außerfamiliäre soziale Kontakte häufig vernachlässigt werden und die Qualität der innerfamiliären personalen Kontakte leidet. Neben möglichen Angst- und Schockreaktionen vor allem bei Kindern verursacht der falsche Umgang mit den Medien zudem auch körperliche Schäden. Hobmair u.a. zählen hier beispielhaft Nervosität, Verdauungsschäden, Kreislaufprobleme, Haltungsfehler, Augenschäden, Kopfschmerzen und Schlafstörungen auf (vgl. 2002, S. 271 ff). Die Begegnung mit der Welt hat sich also grundlegend geändert. Direkte Ich-Du-Erfahrungen und Begegnungen zwischen Individuum und Gemeinschaft werden seltener und vielfach nur mittelbar erlebt. Hierzu gehören auch der E-Mail-Austausch und das Chatten im Internet.
Eine Erhebung in Großbritannien ergab, dass das Fernsehen als umfangreichste Freizeitaktivität in Erscheinung trat. Trotzdem waren Freizeitbeschäftigungen außer Haus wichtiger bzw. beliebter. So waren für einen wirklich tollen Tag die bevorzugten Freizeitaktivitäten erstens ins Kino gehen, zweitens Freunde treffen und drittens Spiel und Sport. Für einen wirklich langweiligen Tag waren dies erstens Fernsehen, zweitens Computerspiele spielen und drittens ein Buch lesen. Es zeigte sich somit, dass das Fernsehen eher eine Alternative zum Fehlen attraktiverer Freizeitangebote darstellt (vgl. Bofinger 2001, S. 20).
Einhergehend mit der allgemeinen Schulpflicht und dem Besuch anderer Einrichtungen, wie beispielsweise Kindergärten und Horte, spielt sich Kindsein für eine bestimmte Zeit des Tages in Institutionen ab (vgl. Prahl 2002, S. 252). Aber auch die Freizeit ist heutzutage charakterisiert durch die sogenannte Verinselung. Während Kinder den Raum in der Vergangenheit größtenteils noch ganzheitlich erlebten, tun sie dies mittlerweile vermehrt von unterschiedlichen Inseln aus. Zwischen diesen Inseln erleben sie den Raum in erster Linie durch die Fensterscheiben der PKW der Eltern oder öffentlicher Verkehrsmittel. So ist der erreichbare Radius größer, doch der Raum zwischen den Inseln wird zum „unbekannten Land“ für die Kinder (vgl. Prahl 2002, S. 254). So schreiben auch Jürgens/Sacher, dass Kinder täglich in einer nicht zu unterschätzenden Größenordnung von ihren Eltern zur Wahrnehmung von irgendwelchen Aktivitäten mit dem Auto gefahren werden. Vielfach werden für die Kinder sogar Verabredungen von ihnen vorgenommen (vgl. 2000, S. 3).
Aufgrund des Schwerpunktes dieser Arbeit wird naheliegender Weise noch näher auf den Sport im Zusammenhang mit Freizeit und Sportvereinen eingegangen, ohne diese Themen jedoch erschöpfend zu behandeln.
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