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'Bewegte Ganztagsschule' - wirksame Gesundheitsförderung?

AutorIdealverein für Sportkommunikation und Bildung (Hrsg.), Karin Eberle
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783956873720
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Gesundheit - Sport - Sportmedizin, Therapie, Prävention, Ernährung, Note: 2,3, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Veranstaltung: Gesundheitsmanagement, Sprache: Deutsch, Abstract: In den letzten Jahren sind verstärkt Veränderungen in der gesellschaftlichen Entwicklung hinsichtlich Familienstrukturen, Mediatisierung, Urbanisierung und des demografischen Wandels zu beobachten. Diese Veränderungen tragen unter anderem auch zu einer wachsenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuung bei. In der Wissenschaft bereits vielfach thematisiert und belegt wurden die vielen positiven Effekte von Bewegung, Spiel und Sport auf die physische, psychische und soziale Entwicklung im Kindesalter. Der verstärkte Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland bietet die Möglichkeit, regelmäßige bewegungsorientierte Ganztagsangebote ins Leben zu rufen und dadurch Kinder und Jugendliche gezielt von diesen positiven Effekten profitieren zu lassen. Bemerkenswert ist, dass durch Ganztagsangebote - anders als beispielsweise bei gewöhnlichen Sportvereinsangeboten - alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Ganztagsschule erreicht werden und zu Bewegung motiviert werden, unabhängig von körperlicher Konstitution sowie sportlichen Fähigkeiten und Interessen. Der Idealverein für Sportkommunikation und Bildung greift diesen Aspekt auf und setzt ihn in seinem Modellprojekt 'Bewegte Ganztagsschule' um. An den Standorten der 'Bewegten Ganztagsschule' finden täglich sportartungebundene, niedrigschwellige Bewegungsangebote statt. Grundlegendes pädagogisches Projektziel ist neben der Förderung physischer, psychischer und sozialer Kompetenzen die Begünstigung eines Zuganges aller am Projekt teilnehmenden Ganztagsschülerinnen und Ganztagsschüler zum sozialen System Sport. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich insgesamt mit der Frage, inwieweit ein Bewegungsprogramm an Ganztagsschulen ein wirksames Setting darstellt, um gezielt physische und psychische Kompetenzen, sowie Verhaltens- und Verhältniswirkungen, beispielsweise ausgedrückt durch die Häufigkeit von Vereinsmitgliedschaften, zu fördern. Untersucht wird dies anhand der Study of Active Full Time School Quality (SAFTSQ), eine durch Mitarbeiter des ISB entwickelte Evaluation, um die Ergebnis-, Struktur-, und Prozessqualität des Projekts der Bewegten Ganztagsschule zu messen.

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Leseprobe

2. Theoretische Grundlagen


 

Nach Betrachtung der verschiedenen Sinndimensionen von Sport in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute sowie deren möglicher Umsetzung in Schulen durch Sportvereine wie den ISB besteht jedoch die Notwendigkeit, intensivere Einblicke in die Themenkomplexe „Sport in Schule und Verein“, Ganztagsschulentwicklung in Deutschland sowie Bildungs- und Gesundheitsaspekte von Sport zu gewinnen. Um abschließend die im Rahmen der Forschungsfrage ausdifferenzierten physischen und psychischen Aspekte sowie die Verhältnis- und Verhaltenswirkungen untersuchen zu können, bedarf es vorbereitend einer grundlegenden Analyse dieser Begriffe.

 

2.1 Sport in Schule und Verein


 

Es existieren entsprechend der sozialen Instanz verschiedene Ansätze, um Kompetenzen im und durch Sport zu entwickeln. Sportvereine kennzeichnen sich eher durch Arbeit in homogenen Gruppen, die auf freiwilliger Basis zusammenkommen, um gemeinsam ein überwiegend leistungsorientiertes Ziel zu erreichen; eingesetzte Übungsleiter arbeiten in der Regel ehrenamtlich. Schulen hingegen fördern eine heterogene Gesamtheit an Kindern. Hier arbeitet hochqualifiziertes hauptberufliches Personal, die Arbeit nach formalisierten pädagogischen Konzepten ausrichtend. [33]

 

Zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind institutionell angelegte Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen die Ausnahme. Es existieren unverbindliche Kooperationen, primär begründet durch beispielsweise Nutzung derselben Sportanlagen. Lediglich in Nordrhein-Westfalen (1985) und Baden-Württemberg (1987) werden bereits zu dieser Zeit formalisierte Landesprogramme eingerichtet. Zwischen 1992 und 1996 ziehen jedoch alle Bundesländer in dieser Sache nach; die Kooperationslandschaft in Deutschland verändert sich beachtlich. Bislang geduldete unverbindliche Kooperationen erhalten nun eine formale Basis.

 

Zum einen sollen mit diesen formalisierten Kooperationen die Ressourcen von Schule und Verein effizienter genutzt werden, andererseits betrachtet man sie zudem als wichtig für die Erfüllung pädagogischer Aufgaben des Schulsports.[34]

 

Kooperation meint […] eine Arbeitsweise, bei der die Produzenten aufeinander angewiesen sind, Leistungen also nur durch die Zusammenarbeit erstellt werden können[…].[35]

 

Nach Fessler lassen sich drei Charakteristika des Kooperationsbegriffs ausdifferenzieren. „Kooperation ist nicht Hierarchie[…], nicht nebeneinander[…] und nicht gegeneinander[…].“[36] Dies stelle eine gute Basis für die Kooperation von Sportverein und Schule, mitsamt ihrer jeweils unterschiedlichen Strukturen dar. Jede Institution habe hierbei eine gewisse Autonomie mit vielen Berührungspunkten, an denen zusammen gearbeitet werden müsse. Der Grundgedanke der Zusammenarbeit sei, Kinder zu lebenslangem Sport zu erziehen. Um diesen Gedanken gemeinsam leben und anstreben zu können, öffnen sich Schulen immer mehr gegenüber Sportvereinen.[37]

 

Eines der ersten Kooperationsmodelle von Schule und Sportverein in Bayern ist das Modell „Sport nach 1“ in Schule und Verein. Dieses Programm wird seit 1991 vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Bayerischen Landes-Sportverband mit Hilfe der kommunalen Spitzenverbände entwickelt. In erster Linie betreuen Übungsleiter der Sportvereine Schülerinnen und Schüler in diesem Programm. Im Jahr 2006 existieren bereits 2.200 Kooperationen in über 70 Sportarten.

 

Das Programm soll Schule als Ort des Lernens mit der außerschulischen Lebenswelt von Kindern verbinden, sie für den Sport begeistern, ihre Begabungen fördern und die Bedeutung der Bewegung für ein gesundes Leben vermitteln.

 

 

Abbildung 1: Entwicklung der Sport-nach-1-Sportarbeitsgemeinschaften in Bayern [38]

 

Eine Kooperation kann in unterschiedlichen Bereichen eingegangen werden. Zum einen gibt es die sogenannten Sportarbeitsgemeinschaften (SAGs), diese werden von qualifizierten Übungsleitern bzw. Lehrkräften geleitet, sind entweder sportartenbezogen oder sportartenübergreifend. Weiterhin kann eine Kooperation in Form eines leistungsorientierten Stützpunkts eingegangen werden; hierbei werden neben dem Vereinstraining zusätzlich vier Stunden Sportunterricht an der Schule in der Stützpunktsportart erteilt. Darüber hinaus existieren noch einige alternative Möglichkeiten einer Ausgestaltung wie Fitnessprogramme, Sportfeste oder die Abnahme von Sportabzeichen. In Bayern steigt die Anzahl der Kooperationen im Bereich der SAGs über alle Regierungsbezirke seit Einrichtung des Programms hinweg stetig, wie in Abbildung 1 zu erkennen ist.[39]

 

Ein weiteres Programm, welches das Ziel verfolgt, mehr Bewegung in Schulen zu bringen, ist das Konzept der Bewegten Schule. Entsprechende Konzepte werden seit den neunziger Jahren mit hohem Aufwand entwickelt; man erfindet den Rahmen zu dieser Zeit nicht neu. Im weitesten Sinne als Vorläufer dieses Konzepts können unter anderem Wandertage, Bundesjugendspiele oder der Bundeswettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ bezeichnet werden.

 

Viele dieser nicht typischerweise dem Kern der schulischen Programme zurechenbaren Maßnahmen sind dennoch neben dem Basissportunterricht inzwischen fester Bestandteil des sportbezogenen Schullebens. Der Grundgedanke der bewegten Schule geht auf den Schweizer Urs Illi zurück. Seinem Ziel eines „bewegteren gesamten Schullebens“, um langes „falsches“ Sitzen zu vermeiden, soll durch Bausteine wie bewegtes Sitzen, bewegtes Lernen, bewegungsfreundliche Schulraumgestaltung und Bewegungspausen, ergänzend zu Sportunterricht und außerschulischen Bewegungsangeboten nähergekommen werden.[40]

 

Die Idee der bewegten Schule prägt die Diskussion um die Schulprogrammentwicklung im Jahr 2008; viele Bundesländer entwickeln ihr eigenes Programm unter Bezeichnungen wie „Schule als Bewegungsraum“ (Sachsen-Anhalt), „bewegungsfreudige Schule“ (NRW), „sport- und bewegungsfreundliche Schule“ (Baden-Württemberg) oder „bewegte Schule“ (Bayern, Berlin).[41] Alle Konzepte fokussieren „Bewegung als Prinzip schulischen Lernens und Lebens“ [42]

 

In diesem Zusammenhang werden drei wissenschaftliche Positionen entwickelt, mittels deren Grundannahmen an die Umsetzung des Programms herangegangen werden kann.

 

(1) Die kompensatorische Position geht von der Problematik des Stillsitzens und langen Konzentrationsphasen aus, die zu Gesundheitsproblemen führen können. Hinzu kommt, dass die heutige Lebenswelt von Kindern oftmals durch einen hohen Medienkonsum geprägt ist. Durch mehr Bewegung im Unterricht und Schule soll dem im Sinne des „Salutogenese-Modells“ entgegengewirkt werden.

(2) Die schulreformerische Position unterliegt dem anthropologischen-bildungstheoretischen Gedanken, der durch eine bewegte Schulkultur gelebt werden kann. Es soll sich mehr als nur im Sportunterricht bewegt werden. Bewegung, Spiel und Sport soll in das pädagogische Gesamtkonzept der Schule aufgenommen werden und verwirklicht werden.

(3) Die pragmatische Position lässt sich zwischen die beiden ersten Positionen einordnen. Diese sieht sich eher darin, auf bestehende Konzepte zurückzugreifen, diese zu analysieren und Empfehlungen für die Praxis zu geben. Sie sollen eine Orientierungshilfe in der Konzeptionsvielfalt sein.

 

Für welche Grundannahmen sich eine Schule entscheidet, variiert; selbstverständlich werden auch Mischformen der verschiedenen Positionen umgesetzt. [43]

 

2.2 Ganztagsschulentwicklung


 

Nicht nur die Konzeptentwicklung von Schulen, auch die Überlegungen zu grundlegenden Formen von Schule, Ganztagsschule oder Regelschule, verändert die Schullandschaft in den letzten Jahren erneut. In Deutschland besteht die Diskussion um Ganztagsschulen seit Beginn der Reformpädagogik um 1890. Hier beziehen sich die Neuerungen auf Reformmotive der klassischen Pädagogik des 19. Jahrhunderts - Hauptanliegen der Bemühungen ist eine ganzheitliche Förderung des Individuums mitsamt der Entfaltung seiner Kräfte.[44] Zentraler Kritikpunkt an der „alten Ganztagsschule“ mitsamt der dort stattfindenden ausschließlichen Unterrichtsstoffvermittlung umfasst die in diesem formalen Rahmen beinahe gänzlich außer Acht gelassene Eigenaktivität der Schüler.

 

Es sind vor allem auch Gedanken der Reformpädagogen, die „entscheidende Anstöße zur Konzeption und Realisierung moderner Ganztagsschulen[45] in Deutschland“ [46] geben.

 

[...] zentrale Strukturelemente für eine moderne Ganztagsschule [...] [sind] vor allem diese: Mittagsmahlzeit und Freizeitangebote, Arbeitsgemeinschaften und Neigungsgruppen,...

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