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Arbeit mit dem Inneren Team bei Krebs und anderen Erkrankungen (Leben Lernen, Bd. 307)

Methoden- und Praxisbuch

AutorDagmar Kumbier
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl283 Seiten
ISBN9783608115437
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die plötzliche Konfrontation mit einer schweren Erkrankung löst auch bei psychisch stabilen Menschen nachhaltige Erschütterungen aus. Wir alle verlieren in dieser Situation die Sicherheit, mit der wir uns bisher durch unser Leben bewegen konnten. Im Bild des »Inneren Teams« gesprochen, drängen nun ängstliche, wütende, verzagte oder pessimistische Anteile in den Vordergrund und dominieren die psychische Verfassung. Die Autorin zeigt an zahlreichen erprobten Interventionen, wie durch Würdigung und Akzeptanz aller Anteile mit einem aus der Balance geratenen Inneren Team wirksam gearbeitet werden kann. Krebserkrankungen stehen als die häufigste der lebensbedrohlichen Diagnosen im Zentrum des Buches, doch die positiven Ergebnisse der Inneren-Team- Arbeit zeigen sich auch bei anderen schweren Krankheiten wie zum Beispiel Multiple Sklerose oder Parkinson. Dieses Buch richtet sich an - PsychotherapeutInnen aller Schulen - Psycho-OnkologInnen - Schwer erkrankte Menschen, die nach einem hilfreichen Weg durch ihre Krankheit suchen

Dagmar Kumbier, Diplom-Psychologin und Geisteswissenschaftlerin, ist als Psychologische Psychotherapeutin in Hamburg niedergelassen. Sie war Mitarbeiterin von Friedemann Schulz von Thun an der Universität Hamburg und als Psychotherapeutin in Kliniken tätig (Schwerpunkt Traumatherapie). Heute leitet sie das Institut für Integrative Teilearbeit in Hamburg, ist Lehrtrainerin am Schulz-von-Thun-Institut und als Dozentin, Supervisorin und Lehrtherapeutin in der Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten tätig. >> Das Institut für integrative Teilearbeit im Internet >> Dagmar Kumbier im Internet

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Leseprobe

Einführung


Ich kenne den Tod schon lange,

doch jetzt kennt der Tod auch mich.

Benedikt Wells
Vom Ende der Einsamkeit

»Es war schlimm – und es ist vorbei.« Diesen Satz können wir unseren Klienten in der Traumatherapie in aller Regel sagen. Wenn wir Klienten durch lebensbedrohliche oder chronische körperliche Krankheiten begleiten, dann gilt dieser Satz nicht. Hier ist das Schlimme nicht vorbei, hier müssen Klienten mit der Möglichkeit rechnen, dass die Krankheit bleibt, voranschreitet oder wiederkommt, dass die Krankheit oder deren Behandlung ihren Körper beschädigt, dass sie daran sterben werden.

Das verändert nicht nur das, was der Klient oder die Klientin vom Therapeuten braucht und erwartet, es verändert auch das Verhältnis zwischen Therapeut und Klient grundlegend. Denn das, was dem Klienten hier widerfährt, kann jederzeit auch dem Therapeuten widerfahren: Krankheiten gehören zu unserem Alltag. Ebenso wie andere Menschen haben auch Therapeuten Angst, dass sie selbst oder Menschen, die sie lieben, schwer erkranken könnten. Der Therapeut oder die Therapeutin ist daher hier sehr viel stärker als bei anderen Themen mit eigenen Ängsten konfrontiert. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum das Thema »Psychotherapeutischer Umgang mit lebensbedrohlichen und chronischen Erkrankungen« in der psychotherapeutischen Aus- und Fortbildung kaum eine Rolle spielt. Es wird an die Psychoonkologie delegiert und ausgelagert. Das wird der Vielfältigkeit und Relevanz des Themas in der alltäglichen therapeutischen Praxis nicht gerecht.

Für mich hat das Thema »Krankheit« seit jeher eine wichtige Rolle gespielt. Ich machte früh die Erfahrung, dass auch junge Menschen lebensbedrohlich und chronisch erkranken können, dass der Tod auch Jugendliche, Kinder und Babys holt. Da mein Mann zwei chronische Erkrankungen hat, gehört das Leben mit Krankheit seit vielen Jahren zu meinem Alltag. Daher fühlte ich mich im psychotherapeutischen Umgang mit Klienten, die körperlich schwer krank waren, kompetent und unbefangen und hatte das Gefühl, vielen von ihnen helfen zu können.

Dennoch änderte sich mein Blick auf Krankheit grundlegend, als ich selbst 2015 an Krebs erkrankte. Manche Irritationen, auf die ich in der Arbeit mit schwer erkrankten Klientinnen und Klienten gestoßen war, erkannte ich nun als meine eigenen Grenzen. Nicht die Klienten hatten sich an bestimmten Punkten nicht weiter vorgewagt, sondern ich. Und erst im Umgang mit meiner eigenen Erkrankung wurde mir klar, mit welcher Selbstverständlichkeit ich zuvor (wider mein bewusstes Denken) ein Leben mit Krankheit als beschnittenes Leben angesehen hatte und wie sehr mir diese unbewusste Überzeugung dabei im Weg gestanden hatte, Klienten darin zu unterstützen, ihre Krankheiten anzunehmen und in ihr Leben zu integrieren.

Auf der Suche nach einem Weg durch meine Erkrankung veränderte sich mein Bild von Krankheit und vom Leben mit Krankheit tief greifend – und ebenso änderte sich mein Verständnis dessen, was Menschen in schwerer Krankheit an Unterstützung brauchen. Da ich psychotherapeutisch intensiv mit dem Inneren Team arbeite (Schulz von Thun 1998, Kumbier 2013 & 2016), lag es nahe, während meiner Krankheitszeit Unterstützung in dieser Arbeitsweise zu suchen. Ich hatte das Glück, ein wunderbares Netzwerk dafür zu haben, nämlich meine Intervisionsgruppe und Tom Holmes (Holmes 2010). Die Stunden mit meinen Kolleginnen und mit Tom waren kostbar und unterstützend für mich. Zugleich arbeitete ich intensiv mit mir selber, las über Ansätze in der Arbeit mit Krebspatienten und fand heraus, was mir hilfreich war und was nicht.

Nach meiner Genesung erprobte ich das, was ich gelernt hatte, in meiner Praxis als Psychotherapeutin und Lehrende. Der Drang, die Konzepte auszuarbeiten und aufzuschreiben, war groß. Zugleich hatte ich Scheu davor, ein Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen. Denn ich wusste, dass Bücher Anfragen von Klienten nach sich ziehen, und ich wusste auch, dass ich nicht als Psychoonkologin arbeiten will. Das schien mir zu nah an meinen eigenen Themen. Und so prägend meine Krankheit auch für mich und mein Leben war, ich wollte und will diese nicht zu einem Mittelpunkt meiner Identität machen. Natürlich werde ich Klienten, die während oder nach der Therapie bei mir erkranken, begleiten, aber ich will keinen Praxisschwerpunkt daraus machen. Dennoch ertappte ich mich dabei, wie ich gewissermaßen hinter meinem eigenen Rücken an dem Manuskript weiterarbeitete. Zugleich wurde ich in Fortbildungen immer wieder nach Veröffentlichungen zu just diesem Thema gefragt. Das Buch wollte und sollte also offenbar zur Welt kommen, und so entschied ich mich dafür, meine Erfahrungen schreibend und lehrend zugänglich zu machen.

In den ersten drei Kapiteln werde ich Krankheiten aus der Perspektive des Inneren Teams beleuchten. Welche Wirkung hat es auf das Innere Team, wenn eine lebensbedrohliche oder chronische Krankheit in das Leben einbricht? Und hat umgekehrt die Psyche einen Einfluss auf die Entstehung schwerer Krankheiten? Ich werde davor warnen, Krankheiten per se psychosomatisch zu deuten, und ich werde der Frage nachgehen, wie mögliche psychosomatische Perspektiven behutsam und respektvoll erkundet werden können – und wann man die Finger davon lassen sollte. Da Partnerinnen, Partner und Kinder von schwer erkrankten Menschen ebenfalls stark durch die Erkrankung belastet sind, werden wir anschließend einen Blick auf das Innere Team von Familienangehörigen werfen. Vor welchen Herausforderungen stehen Paare, wenn ein Partner schwer erkrankt ist, und wie können diese Herausforderungen gut bewältigt werden?

Wie verändert es die therapeutische Beziehung, wenn ein Klient oder eine Klientin körperlich schwer erkrankt ist? Diese Frage steht im Mittelpunkt des vierten Kapitels. Das Gelingen oder Misslingen einer Therapie entscheidet sich nicht an den verwendeten Methoden, sondern am Kontakt: Kern jeder Psychotherapie ist die therapeutische Beziehung. Was ist also in der psychotherapeutischen Arbeit mit schwer erkrankten Menschen wichtig? Einigkeit besteht darüber, dass sie »ressourcenorientiert« sein sollte – aber was ist Ressourcenorientierung? Ich werde darstellen, dass Ressourcenorientierung mehr und anderes ist als die Konzentration auf das Heile und Hilfreiche, denn in der Arbeit mit schweren Erkrankungen kommen wir um die Beschäftigung mit Angst, Verzweiflung und Verletzung nicht herum. Wie kann also ein ressourcenorientierter Umgang mit dem Schweren aussehen? Und was bedeutet es schließlich für den therapeutischen Prozess, wenn die Psychotherapeutin schwer erkrankt? Wie können wir als Psychotherapeuten im Umgang mit unserer eigenen Krankheit uns selbst und unseren Klienten gerecht werden und was bedeutet es, als Psychotherapeut Klienten erkrankter Kollegen zu übernehmen?

In Kapitel fünf bis sieben breite ich den Handwerkskoffer aus. Welche methodischen Möglichkeiten stellt das Innere Team für die Arbeit mit lebensbedrohlichen und chronischen Krankheiten zur Verfügung? Wie kann das Innere Team schwer erkrankte Menschen dabei unterstützen, sich zu stabilisieren, mit schwer erträglichen Gefühlen umzugehen, Vorverletzungen zu bearbeiten, psychosomatische Phantasien zu erkunden und hilfreiche innere Bilder für belastende Behandlungen und für den Umgang mit der Lebensbedrohung zu entwickeln? Im achten Kapitel schließlich schildert eine Kollegin, die selbst chronisch an Krebs erkrankt ist, ihren Weg durch die akute Krankheitsphase und die Rolle, welche die Arbeit mit inneren Anteilen dabei gespielt hat.

Das Buch wendet sich einerseits an Kolleginnen und Kollegen, die therapeutisch mit Menschen arbeiten, die schwer körperlich erkrankt sind. Manche Interventionen setzen Grundlagenwissen und Erfahrung in der Arbeit mit inneren Anteilen voraus, andere nicht. Wer sein Grundlagenwissen zur psychotherapeutischen Arbeit mit dem Inneren Team vertiefen möchte, sei auf mein Basisbuch zu diesem Thema verwiesen (Kumbier 2013). Zugleich wendet sich das Buch an erkrankte Menschen und ihre Angehörigen, die auf der Suche nach einem Weg durch ihre Krankheit oder mit ihrer Krankheit sind. Auch wenn sicherlich nicht alle Methoden zur Selbstanwendung geeignet sind, gehe ich davon aus, dass Beschreibungen, Fallbeispiele und die Haltung, die sich im Buch vermitteln, hilfreich sein können.

Es wird in diesem Buch viel um Krebserkrankungen gehen. Da Krebs eine häufige Erkrankung ist, wurde der psychotherapeutische Umgang mit dieser Krankheit besonders gut erforscht, und deshalb ist man als Psychotherapeutin mit Krebs häufiger konfrontiert als mit anderen Erkrankungen. Aus diesen Gründen und natürlich auch wegen meiner eigenen...

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