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Die Stunde der Optimisten

So funktioniert die Wirtschaft der Zukunft

AutorThomas Straubhaar
Verlagedition Körber-Stiftung
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783896845542
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Handelskonflikte, Brexit und Euro-Turbulenzen lassen die Stimmung in den Keller rauschen. Unseren Wohlstand auch nur zu halten, scheint vielen unvorstellbar. All jenen ruft der Volkswirtschaftler Thomas Straubhaar zu: Schluss mit dem Pessimismus! Fakt ist: Die ökonomische Lage der Menschen in Deutschland hat sich kontinuierlich verbessert, Lebenserwartung und -standard sind gestiegen - ein Ende dieses Trends ist nicht zu erwarten. Allerdings gilt auch: Digitalisierung, Globalisierung und demografischer Wandel verändern viele der bisher gültigen Annahmen und Prognosen. Eine neue Ökonomie bedarf einer neuen Ökonomik. Eine zeitgemäße Wirtschaftspolitik muss auf Resilienz setzen. Masterpläne und Gesamtkonzepte sind Instrumente der Vergangenheit. Wohlstand für den Einzelnen wie für die Gesellschaft lässt sich aber weiter generieren, wenn wir den Willen und die Fähigkeit entwickeln, uns das Neue als Vorteil zu eigen zu machen und uns Veränderungen konsequent anzupassen. Nach Jahren der Crashpropheten ist es so weit: Die Stunde der Optimisten hat geschlagen.

Thomas Straubhaar ist Professor für Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg. Nach Studium und akademischen Stationen u. a. in Bern, Berkeley, Konstanz, Basel, Freiburg i. Br. und an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg war Straubhaar von 1999 bis 2014 zunächst Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) und danach Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Darüber hinaus war er Fellow der Transatlantic Academy in Washington DC und Gastprofessor in Mexico City. In der Edition Körber erschienen 'Der Untergang ist abgesagt' (2016) und 'Radikal gerecht' (2017).

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Leseprobe

Warum Crashpropheten falschliegen

Im Übergang zu einem neuen Jahrzehnt prägt Zukunftspessimismus die Stimmung. Crashpropheten haben Zulauf.1 Nicht mehr ob, sondern nur noch wann eine Rezession ausbreche oder gar ein Absturz erfolge, interessiert viele Konjunkturexperten.2 Nach einer der längsten Phasen des ungebrochenen ökonomischen Aufschwungs verschlechtern sich für Deutschland die wirtschaftlichen Perspektiven. Jahrelang haben die Zentralbanken die Märkte mit Liquidität geflutet, nun beginnen sie mit einer Entziehungskur. Die amerikanische Notenbank hat die Leitzinsen bereits mehrfach erhöht, weitere Zinsschritte nach oben sind angekündigt. Auch in Europa dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) zu Beginn der nächsten Dekade einen Kurswechsel vollziehen und vom lange praktizierten Expansionspfad abrücken. Die mit billigem Geld finanzierte Party der 2010er Jahre ist dann vorbei. Was folgt danach?

Die Erwartungen kippen. Schlechte Nachrichten machen mehr und mehr Optimisten mürbe. Auf breiter Front werden die Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) teilweise massiv nach unten korrigiert. Vielen scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis erst der Euro, danach die Europäische Union (EU) auseinanderbrechen. Negative kurzfristige Aussichten werden durch langfristige Trends des Klimawandels, der Umweltbelastungen und drohender militärischer Konflikte vor der europäischen Haustür zusätzlich getrübt.

Im Kampf um die geopolitische Vorherrschaft zwischen »America first« und »China 2025« drohen europäische Interessen zerrieben zu werden. Das Machtstreben national(istisch)er Autokraten in Russland, der Türkei und im Nahen Osten erzeugt ein explosives Spannungsfeld. Religionskriege und Terror tun ein Weiteres. Zusammen befeuern die weltpolitischen Brennpunkte eine pessimistische Endzeitstimmung, wie sie vor hundert Jahren schon einmal Europa befiel, als Oswald Spengler den »Untergang des Abendlandes« beschrieb.3

»Was können wir vernünftigerweise erwarten, auf welchem Niveau der Wohlstand in hundert Jahren liegen wird? Was sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten für unsere Enkelkinder?«, fragte 1930 in Zeiten großer ökonomischer wie politischer Not und grassierender Zukunftsängste kein Geringerer als John Maynard Keynes, einer der renommiertesten Ökonomen des letzten Jahrhunderts.4 In seinem Ausblick auf die wirtschaftlichen Chancen und Risiken für nachfolgende Generationen sah sich Keynes – angesichts der damaligen Krise nicht wirklich überraschend – einer skeptischen Perspektive seiner Zeitgenossen gegenüber: »Wir leiden gerade jetzt unter einer bösartigen Attacke des ökonomischen Pessimismus. Überall ist zu hören, dass die Epoche des enormen wirtschaftlichen Fortschritts, der das vergangene Jahrhundert kennzeichnete, vorbei sei; dass die rasche Verbesserung des Lebensstandards sich fortan verlangsamen werde; dass in dem vor uns liegenden Jahrzehnt ein Rückgang des Wohlstands wahrscheinlicher sei als eine Verbesserung.«5 Es ist, als hätte Keynes vor fast hundert Jahren nicht allein seine Gegenwart von damals, sondern bereits die Ängste der Gesellschaft von heute im Auge gehabt.

Wie damals in der Zeit nach einem verheerenden Weltkrieg und während einer dramatischen Weltwirtschaftskrise steht die Menschheit im 21. Jahrhundert erneut vor großen Umbrüchen. Erderwärmung und ein Anstieg des Meeresspiegels, eine Übernutzung natürlicher Ressourcen, Hitzewellen und Dürreperioden, Massenarmut und Hungersnöte, Gewalt und Terror, Flüchtlingswellen und ein Aufeinanderprallen der Kulturen werden vorausgesagt.

Dazu kommen demografische Entwicklungen, die in der nördlichen Hemisphäre komplett anders als andernorts verlaufen. Während in westlichen Gesellschaften die geringen Geburtenzahlen zu eher schrumpfenden und demografisch alternden Bevölkerungen führen, werden in Afrika, Asien und Lateinamerika die Bevölkerungsgrößen weiter zunehmen – teilweise beträchtlich.6 Was wird aus der Erde, wenn auf ihr in wenigen Jahrzehnten acht, neun oder gar zehn Milliarden Menschen leben werden?

Zwar wurden in Paris 2015 oder Ende 2018 in Kattowitz weitreichende Klimaziele vereinbart. Die Erderwärmung soll auf 1,5 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung beschränkt werden. Aber in der Praxis ist man meilenweit davon entfernt, umzusetzen, was im Prinzip beschlossen wurde. Ähnliche Gräben zwischen dem, was an sich zu tun wäre, und dem, was tatsächlich getan wird, klaffen bei vielen Themen, die weltweit gemeinsam anzugehen wären. Eher macht sich das Gegenteil breit, globales Vorgehen scheitert an nationalen Interessen. Grassierender Populismus und autoritäre Tendenzen provozieren das freiheitliche, offene und demokratische Gesellschaftsmodell Westeuropas. Protektionismus und Handelskonflikte verunsichern die Wirtschaft. Aus unterschiedlichen Gründen um Asyl Suchende verursachen vielfältige Spannungen – gerade auch innerhalb der Aufnahmegesellschaften in Europa und in Deutschland.

Künstliche Intelligenz und kluge Algorithmen eröffnen neue Perspektiven jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Werden Roboter Arbeitskräfte unterstützen, ergänzen oder verdrängen? Ein »Ende der Arbeit« ist für Teile der Gesellschaft eher Fluch denn Segen. Viele fürchten gar, dass selbst lernende digitale Systeme und virtuelle Netzwerke gerade dabei sind, komplett unabhängige und unkontrollierbare künstliche Wesen zu schaffen, die dereinst die Menschheit nicht nur besiegen, sondern zum Untergang verdammen werden.7

In rasendem Tempo stellen neue Technologien lange gültige Weisheiten und alte Glaubenssätze in Frage. Lebenswirklichkeit und Alltag verändern sich in fundamentaler Weise und mit enormer Dynamik. Die sich nur schemenhaft abzeichnenden Veränderungen bleiben diffus. Gerade die extreme Unsicherheit darüber, was sein wird, löst bei vielen Menschen starke Befürchtungen aus. Klar ist lediglich, dass wenig bleibt, wie es ist. Vertrautes und Bekanntes wird verloren gehen. Was jedoch als Neues folgen wird, ist kaum erkennbar und bleibt unbekannt.

Keine Zweifel bestehen jedoch, dass die Menschheit in der Tat vor existenziellen Herausforderungen steht. Dabei verfügt sie über Mittel, alles mit Bravour und Erfolg zu bewältigen oder aber alles zu zerstören und die Apokalypse herbeizuführen. Und es ist nicht auszuschließen, dass morgen schon vieles schlechter wird – noch bevor das vorliegende Buch gedruckt, ausgeliefert und der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, kann manches schiefgehen. Vieles wäre dann Makulatur, aber – und das ist entscheidend – nicht alles. Denn selbst wenn das Bisherige zusammenbricht, ist das nicht der Weltuntergang. Es würde weitergehen, vielleicht völlig neu und komplett anders, möglicherweise zunächst schlechter. Aber selbst das wäre nicht das Ende, sondern böte Chancen für einen Neuanfang. So wie das nach früheren Krisen und Katastrophen, politischen Umstürzen, wirtschaftlichen Kollapsen und gesellschaftlichen Umbrüchen nicht anders war.

Die Stunde der Optimisten schlägt jetzt

In Zeiten größter Not, nach Volksaufständen, Revolutionen und Kriegen oder Weltwirtschaftskrisen hat immer schon die Stunde null geschlagen. Deshalb beginnt jetzt die Stunde der Optimisten. Gerade die Erinnerung daran, dass der Zukunftspessimismus nichts Neues ist, hilft weiter.

Seit der Vertreibung aus dem Paradies plagte die Menschen immer schon die Sorge, dass über ihnen der Himmel einstürzt, die Sintflut alles mitreißt und die Apokalypse all das zerstört, was über Jahrtausende aufgebaut worden war. Aber die Welt ist nicht untergegangen. Weder Naturkatastrophen noch Hungersnöte und Versorgungskrisen, weder Seuchen und Epidemien wie die Pest noch Weltkriege, weder das Waldsterben noch das Ozonloch haben die Menschheit auf ihrem langen Weg zu stetig verbesserten Lebensbedingungen wirklich aufhalten können.8

Allerdings sind einzelne Kulturen und Gesellschaften im Laufe der Weltgeschichte zusammengebrochen und verschwunden, wie es der US-amerikanische Physiologe und Evolutionsbiologe Jared Diamond in seinem Buch »Kollaps« eindrücklich beschreibt.9 Und der interdisziplinär forschende Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson hat in seinem »Aufstieg und Niedergang von Nationen« gezeigt, wie mikroökonomische Profitmaximierung Einzelner zu makroökonomischem Scheitern ganzer Volkswirtschaften führen kann – aber eben nur für einzelne Gesellschaften, nicht jedoch für die Welt insgesamt.10

Offenbar gab es für die Menschheit insgesamt bisher immer wieder Überlebensstrategien, die es Bevölkerungen ermöglichten, Existenzkrisen mit unglaublichem Erfolg zu bewältigen. Alles in allem jedoch ist die Geschichte der Menschheit eine Erfolgsgeschichte – zumindest wenn man sich bewusst macht, dass bei allem Auf und Ab im Laufe der Jahrtausende immer mehr Menschen immer länger, gesünder und materiell besser ausgestattet leben als ihre Vorfahren.11 Wieso sollte es ausgerechnet im 21. Jahrhundert der Menschheit erstmals in der Geschichte nicht gelingen, den Kindeskindern eine bessere Welt zu hinterlassen? So viel Pessimismus und die Hoffnungslosigkeit, dass die besten Jahre vorbei sind und nicht noch kommen werden, haben kommende Generationen nicht verdient.

Das Gespenst des Endes des Wohlstands ist immer wieder aus dem Sarg der Geschichte geholt worden. Bisher jedoch immer zu Unrecht. Wenn Zeiten schlechter wurden, wie in der Zwischenkriegszeit des letzten Jahrhunderts oder nach dem Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, sorgten Basisinnovationen wie Containerschiffe oder...

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