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E-Book

Lean Management in der Pflege. Der Ausweg aus dem Pflegenotstand?

AutorAlexander Boche, Florian Regier
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783960956112
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Das zentrale Problem unseres Gesundheitswesens ist der Personalmangel. Sparmaßnahmen haben dazu geführt, dass Krankenhäuser weniger Pflegepersonal beschäftigen. Gleichzeitig steigt jedoch die Anzahl der Patienten, außerdem kommen neue administrative Aufgaben dazu. Alexander Boche und Florian Regier untersuchen deshalb in ihrer Publikation, ob das Lean Management die Mitarbeiterzufriedenheit verbessern kann. Dazu vergleichen sie die Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit in Lean Hospitals mit klassisch strukturierten Einrichtungen. Das Lean Management beginnt mit einer klaren Definition des Kundennutzens und setzt auf effiziente sowie effektive Prozesse. Boche und Regier erklären, wie das Lean Management in Krankenhäusern implementiert und evaluiert wird. Außerdem zeigen sie die Chancen, aber auch die Grenzen des Ansatzes auf. Aus dem Inhalt: - Lean Thinking; - Krankenhauspolitik; - Pflegeaufkommen; - Pflegemanagement; - Gesundheitsökonomie

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Leseprobe

5 Die Methoden des Lean Management im Krankenhaus “Lean Hospital”


 

5.1 Muda


 

Laut Taiichi Ohno werden unter Verschwendung (jap. Muda) allgemein die überflüssigen Aktivitäten verstanden, die nicht werthaltig bzw. wertschöpfend sind. Wird eine Aufgabe ausgeführt, die nicht zu den wertschöpfenden Kernaufgaben gehört, kommt es zu Verschwendung. Das bedeutet, die Verschwendung tritt immer dann auf, wenn man nicht-wertschöpfenden Beschäftigungen nachgeht (Schröder & Tomanek, 2015, S. 17). Eine Denkweise, die sich in Amerika und Europa schnell durchsetzte, war die Eliminierung dieser „sinnlosen“ Verschwendungen, welche direkt in einen Geldwert übersetzt werden kann. In der Klinik muss eine Tätigkeit wertschöpfend sein, dass bedeutet in dem Fall, die Tätigkeit muss dem Patienten zugutekommen, z. B. durch Behandlungen oder Diagnosestellungen. Zusätzlich gibt es nicht wertschöpfende Tätigkeiten, welche notwendig sind, jedoch auf ein Minimum reduziert werden müssen, z. B. administratives oder das Rechnungswesen. Als dritten Punkt gibt es die “sinnlosen Verschwendungen” welche dem Patienten nicht zugutekommen. Ein gutes Beispiel ist die Überdokumentation oder Wartezeiten. In der Industrie werden im Zusammenhang mit dem Begriff ‘Muda’ sieben Verschwendungen im Produktionsprozess ausgemacht, diese werden im Folgenden am Beispiel von Kliniken beschrieben:

 

Überproduktion (z.B. Überplanung des OPs oder zu hohe Besetzung bei mangelhafter Auslastung)

 

überflüssige Bewegung (Bewegungen von Hilfsmitteln oder Fehlenden Materialien zwischen den Stationen)

 

Wartezeiten (sowohl aus Patientensicht bei Untersuchungen, als auch aus Mitarbeitersicht beim Warten auf die Akte)

 

Transporte (teure Transporte die von Pflegepersonal durchgeführt werden oder unnötige Transporte)

 

Überbearbeitung (fehlerhafte Dokumentation, fehlende Prozesse, Unsicherheiten)

 

hohe Materialbestände (Überbestellung von Verbrauchsmaterialien)

 

Nacharbeit (Drehtür-Effekt bei Wiederaufnahmen durch vorzeitige Entlassung)

 

Durch die Beseitigung oder Minimierung dieser sieben Punkte der Verschwendung lassen sich Organisationen, die die Wirtschaftlichkeit an oberste Stelle setzen vom Lean Management überzeugen. Langfristig gesehen ist die ausschließliche Konzentration auf die sieben Verschwendungen nicht ausreichend für eine erfolgreiche Implementierung. Die sieben sinnlosen Verschwendungen sind dabei nicht unabhängig voneinander, sondern werden häufig ineinander umgewandelt. Aus diesem Grund muss bei der Eliminierung der ‘sinnlosen’ Verschwendung darauf geachtet werden, dass nicht eine Verschwendung in eine andere umgewandelt wird, sondern dass alle sieben Verschwendungen gleichzeitig bekämpft werden. Das Fließ- und Ziehprinzip im TPS (Toyota Production System), die Säule Just-in-Time, ist eine grundsätzliche Gestaltungsregel, die zur Bekämpfung von Verschwendung eingesetzt werden kann (Dohne & Müssig, 2013, S. 10-12).

 

5.2 Gemba Walk / Shopfloor


 

Der Großteil der wertschöpfenden Aktivitäten findet am Patienten statt. Das Dilemma: Die Ansprüche an die Qualität sind hoch, während gleichzeitig niedrige Durchlauf - und Wartezeiten erwartet und ein hohes Maß an Flexibilität vorausgesetzt werden. Umso verwunderlicher ist es, dass Entscheidungen zur Führung und Steuerung der Versorgung, sowie zur Realisierung von Verbesserungen im Versorgungsprozess und der Versorgungsumgebung häufig fernab der Wertschöpfung in Besprechungszimmern getroffen werden. Beim Gemba konzentriert sich das Steuern und Lenken von Aktivitäten auf den Shopfloor, also den Ort der Wertschöpfung. Es geht nicht um die Verlagerung von Besprechungen auf die Stationen einer Klinik oder darum mehr Verantwortung auf die Stationen zu verlagern (Meurer, 2015, S. 1-2).

 

“Go to gemba” heißt in der Klinik, die Manager gehen an das Bett. Der Gedanke von Gemba unterstreicht die Notwendigkeit, dass sich das Management mit der Produktionsebene (im Englischen ‘Shopfloor’, im Japanischen ‘gemba’) aktiv auseinandersetzen muss. Japaner kritisieren an westlichen Unternehmen, dass ihr Management in der Regel die niedrigeren Hierarchieebenen nicht kennen und damit nur auf theoretischer Basis führen würde. Das Gemba Prinzip verlangt Führungskräfte, die Management ‘by walking around’ betreiben. Dazu gehört auch, dass Manager zum Beispiel ihre Mitarbeiter nicht durch Dritte, also Berater, weiterbilden lassen, sondern diese selbst ausbilden. Das Management soll schließlich nicht mehr sagen was gemacht werden soll (push), sondern fragen die Mitarbeiter fragen, was gemacht werden soll (pull) (Rüd, 2010, S. 36-37).

 

Gemba vereinigt die notwendigen Kompetenzen, die zum Erreichen einer Leistungssteigerung notwendig sind. Doch das gelingt nur durch eine Zusammenarbeit von Management und Mitarbeitern – und das am Patienten. Die Führung ist dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiter qualifiziert werden, informiert und motiviert sind. Dadurch integrieren die Mitarbeiter in der Klinik das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung in ihren Alltag. Ziel ist die Erhöhung der Fähigkeit zu selbstgesteuerten Prozessverbesserungen. Hierbei werden sie durch ihre Führungskräfte begleitet und unterstützt. Folgende Fragen stehen während des Gemba Walk im Vordergrund: Wie ist der Zielzustand? Was passiert gerade wirklich? Wie kommen Abweichungen zustande?

 

Bereits durch das Huddle Board, eine standardisierte Schichtübergabe und den Gemba Walk werden deutliche Verbesserungen erreicht. Gleichzeitig werden alle Beteiligten für die Notwendigkeit von Veränderungen sensibilisiert. Für eine konsequente Steigerung der Leistungsfähigkeit reicht das aber nicht aus. Was fehlt ist eine systematische Vorgehensweise, Abweichungen und Probleme zu beseitigen und Verbesserungen als Routine zu begreifen. Ziel muss sein, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch die Einführung eines “Kaizen Boards” und “Kaizen Meetings” in der Organisation zu verankern (Meurer, 2015, S. 1-2).

 

5.3 Wertstromanalyse


 

Um den Patientenversorgung und Informationsfluss im Unternehmen nachvollziehen zu können, ist die Anwendung der Wertstromanalyse von Vorteil. Benötigt wird Eigeninitiative, den Weg des Patienten rückwärts, von der Kundenauslieferung des Produktes bis zum Wareneingang des Rohmaterials abzulaufen. Erstellt wird mithilfe von Wertstromwerkzeugen eine Visualisierung jedes Vorganges in der Behandlung. Diese zustande kommende Abbildung wird IST – Zustand genannt. Anhand des IST – Zustandes können Fehler und Verschwendungen erkannt werden. Mit Hilfe der Erstellung einer Abbildung eines SOLL – Zustandes, können die einzelnen Prozesse optimiert werden, damit ein durchgehender Fluss von der Patientenversorgung und Informationen entsteht, sowie deren Zusammenhänge erkannt werden können. Gemäß Gram (2011, S. 41) ist die Wertstromanalyse eine hervorragende Methode um Verbesserungspotentiale ganzheitlich innerhalb der Produktion aufzudecken. Nach Hugelmann (2017, S. 6) ist das Ziel der Wertstromanalyse, einen Fluss zu erschaffen, der eine geringe Durchlaufzeit aufweist. Das Klinikum sollte einen Wertstrommanager einstellen, welcher rein für die Optimierung des Flusses zuständig ist. Der Wertstrommanager ist wichtig, damit die Produktion als Ganzes gesehen wird und nicht jeder Bereich für sich versucht zu optimieren. Ziel ist es später im Wertstromdesign, die Zykluszeit an den Kundentakt anzugleichen. Im gleichen Zug kann nach der Messung aller Zykluszeiten die Anzahl der Mitarbeiter berechnet werden, die für die jeweilige Schicht benötigt werden. Alle Zykluszeiten werden summiert und anschließend durch den Kundendurchlauf geteilt. Das Ergebnis dient als Vergleichsbasis zur aktuellen Mitarbeiterzahl und gibt an ob zu viele oder zu wenige Mitarbeiter angestellt sind. Durch die Betrachtung der Taktzeit entstehen erhebliche Vorteile für die Versorgung. Gemäß Rittiner & Haller (2011, S. 70) ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess in die Wertstromanalyse zu implementieren, um eine stetige Überprüfung zu gewährleisten. Nach Hugelmann, 2017, S. 6) werden die Prozesse in Balance gebracht, es entstehen zum einen keine unnötigen Wartezeiten und zum anderen wird die Durchlaufzeit verbessert. Das Erstellen eines SOLL–Zustandes gestaltet sich oft schwerer, als die Ermittlung des IST–Zustandes. Während hier nur das Gesehene skizziert wird, versucht man beim SOLL–Zustand die Zukunft darzustellen. Wichtig ist es, hierbei aus dem zuvor erstellten IST–Zustand, die Verschwendungen zu erkennen und deren Ursachen zu eliminieren, um einen durchgehenden Fluss zu erschaffen, der anschließend in der Produktion umgesetzt werden kann.

 

5.4 Kaizen


 

Kaizen lässt sich aus dem japanischen übersetzen als Ersatz (Kai) des Guten (Zen) durch das Bessere”. Das Kaizen Board ist elementar im Lean Hospital. Bei dem Verbesserungsprozess des Kaizens geht es nicht nur um eine Produktverbesserung, sondern um eine Verbesserung sämtlicher Vorgänge. An denen jeder Mitarbeiter mitwirken kann, so erfolgt eine aktive Einbindung und Partizipation der Mitarbeiter an das Unternehmen. Diese Methode wurde 1898 durch Eastman Kodak als Schritt des betrieblichen Vorschlagswesens eingeführt. Das Prinzip der...

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