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Philosophie des Unbewußten

AutorEduard von Hartmann
VerlagHenricus - Edition Deutsche Klassik
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl540 Seiten
ISBN9783847809784
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Eduard Hartmann: Philosophie des Unbewussten. Zehnte erweiterte Auflage in drei Theilen, Leipzig: Wilhelm Friedrich, o. J. Erstdruck: Berlin 1869. Der Text folgt der zehnten erweiterten Auflage, Leipzig (Wilhelm Friedrich) 1890, die außer den beiden wiedergegebenen Teilen der »Philosophie des Unbewußten« noch einen Ergänzungsband mit Schriften umfaßte, die der Autor bereits an anderer Stelle veröffentlicht hatte. Hartmann hatte es sich zum Grundsatz gemacht, am Text seiner Veröffentlichungen keine Änderungen vorzunehmen, und teilte seine Korrekturen und Ergänzungen in einem Anhang mit. Diese von den Fußnoten zu unterscheidenden Nachträge sind hier durch ein A vor der Anmerkungsziffer gekennzeichnet.

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Leseprobe

2. Der Zusammenhang meiner Schriften

Meine bisher erschienenen Schriften gliedern sich in zwei Hauptgruppen. Die erste Gruppe umfasst unter der Bezeichnung »Ausgewählte Werke« die systematisch wichtigeren unter meinen Werken, während die zweite Gruppe populäre Schriften, Sammlungen von Essais und Aufsätzen, philosophische Monographien, kritische und apologetische Erläuterungsschriften u.s.w. enthält.

Die »Ausgewählten Werke« zerfallen selbst wieder in zwei Unterabtheilungen, welche kurz als »Philosophie des Bewusstseins« und »Philosophie des Unbewussten« zu bezeichnen sind. Die erste behandelt in sechs Bänden das erkenntnisstheoretische, sittliche, ästhetische und religiöse Bewusstsein, die zweite in drei Bänden die Phänomenologie und Metaphysik des Unbewussten und das Verhältniss des »Unbewussten« zur modernen Physiologie und Descendenztheorie. Die erste Unterabtheilung beschäftigt sich also mit Erkenntnisstheorie, Ethik, Aesthetik und Religionsphilosophie, die zweite mit Naturphilosophie und Metaphysik, während die Psychologie in beiden gleichmässige Berücksichtigung findet. Der Umstand, dass ich meine Veröffentlichungen mit der »Philosophie des Unbewussten« begonnen habe, hat bei vielen das Missverständniss hervorgerufen, als ob ich die »Philosophie des Bewusstseins« geringschätzig bei Seite schieben oder durch eine Philosophie des Unbewussten nicht sowohl ergänzen als vielmehr ersetzen wollte. Dass dies nicht der Fall war, geht zur Genüge daraus hervor, dass meine »Philosophie des Bewusstseins« schon jetzt die doppelte Zahl von Bänden umfasst wie die »Philosophie des Unbewussten«. Während die »Philosophie des Unbewussten« ähnlich der Hegel'schen »Phänomenologie des Geistes« ein noch ausserhalb des Systems stehendes Programmwerk ist, bilden meine Werke über Ethik, Aesthetik und Religionsphilosophie organische Glieder meines Systems, die selbst schon mehr oder weniger systematisch durchgearbeitet sind, und deshalb muss ich auch den Schwerpunkt meiner bisherigen Wirksamkeit in diesen drei Werken sehen, deren Werth und geschichtliche Bedeutung von der Anerkennung oder Verwerfung meiner Philosophie des Unbewussten in der Hauptsache unabhängig sein dürfte. Dabei verkenne ich nicht, dass ich erst durch den in der Philosophie des Unbewussten mir errungenen Standpunkt persönlich befähigt worden bin, der Philosophie des Bewusstseins eine derartige systematische Durcharbeitung zu geben, ähnlich wie Hegel erst durch den in der »Phänomenologie des Geistes« errungenen Standpunkt befähigt wurde, seine übrigen Werke als Glieder seines Systems auszuarbeiten.

Für die Erkenntnisstheorie habe ich mich bisher mit einer systematischen Erörterung des »Grundproblems« begnügt und bin der Bearbeitung der in neuerer Zeit so reichlich behandelten Logik aus dem Wege gegangen, während ich der Sprachphilosophie und Methodologie besondere Studien18 gewidmet habe, und die philosophische Verwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie durch alle meine Werke sich hindurchzieht. Da die Auseinandersetzung mit der Kant'schen Erkenntnisstheorie noch immer als maassgebend für die Stellungnahme gilt, so habe ich dem »Grundproblem der Erkenntnisstheorie« und seiner phänomenologischen Behandlung die »kritische Grundlegung des transcendentalen Realismus« vorangestellt, welche meinen erkenntnisstheoretischen Standpunkt aus der Kritik des Kant'schen zu entwickeln sucht. Ausserdem habe ich aber in einer Reihe von Monographien und kritischen Analysen mich auch mit modernen Denkern der verschiedensten Richtungen auseinander gesetzt.19 Wer meine erkenntnisstheoretische Stellungnahme gründlich beurtheilen will, wird nicht umhin können, alle diese Arbeiten in ihrem inneren Zusammenhange zu betrachten.

Der zweite Band der »Ausgewählten Werke« führt in der zweiten Auflage den Titel »Das sittliche Bewusstsein«, während derselbe in der ersten Auflage »Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins« gelautet hatte. Das Werk bildet den ersten, einleitenden Theil eines Systems der Ethik und beansprucht nicht mehr zu sein als eine psychologisch entwickelte und historisch illustrirte »ethische Principienlehre«. Den zweiten und dritten Theil würden Socialethik und Individualethik ausmachen. Für die Ausführung, welche die Socialethik bei mir erhalten würde, finden sich bereits Fingerzeige in den Abschnitten über die Moralprincipien des Gesammtwohls und des Culturfortschritts, sowie in meinen socialen, politischen und pädagogischen Schriften.20 Der Inhalt der Individualethik ist zum Theil in der »Religionsethik«, d.h. in dem dritten Abschnitt der »Religion des Geistes« vorweggenommen, auch habe ich einzelne Probleme derselben in gelegentlichen Aufsätzen behandelt, z.B. »Die Motivation des sittlichen Willens« in den »Krit. Wanderungen durch die Philosophie der Gegenwart«. In der »Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins« handelt es sich um eine möglichst vollständige Aufnahme und Sichtung des Gesammtgebietes der Sittlichkeit nach allen ihren Erscheinungsformen im menschlichen Bewusstsein, welche von den unvollkommenen Vorstufen beginnt und schrittweise von den niederen und einseitigeren zu den höheren, vollkommeneren und umfassenderen Erscheinungsformen des sittlichen Bewusstseins aufsteigt. Dabei ergeben sich dann beiläufig gewisse Postulate des sittlichen Bewusstseins, d.h. Erfordernisse seiner Selbstbehauptung, ohne welche dasselbe zu einer widerspruchsvollen Illusion herabsinken würde; es sind dies erstens die Existenz unbewusster objectiver Zwecke, welche das Individuum zu subjectiven Zwecken seines Bewusstseins machen kann, zweitens die Wahrheit des empirischen Pessimismus, ohne welche die sittliche Kraft zur Selbstverleugnung und Ueberwindung des Egoismus nicht ausreichen würde, und drittens der metaphysische Monismus oder die Lehre von der Wesenseinheit aller Individuen mit dem absoluten Weltwesen, ohne welche es an einem logisch zwingenden Grunde zur positiven Hingabe des Eigenwillens an den teleologischen Weltprocess mangeln würde.

Da aus dem Gesichtspunkt eines inductiven Systems jedes Gebiet der »Philosophie des Bewusstseins« selbstständig aus den Erfahrungsthatsachen bearbeitet werden muss, so ruht auf diesen Postulaten die Beziehung, in welche die Geistesphilosophie sich selbst zur Metaphysik, die Philosophie des Bewusstseins sich zur Philosophie des Unbewussten setzt, und die Bedeutung, welche sie für die inductive Begründung dieser Metaphysik gewinnen kann. Deshalb seien hier einige Bemerkungen über den Sinn und die Tragweite solcher Postulate eingeschaltet. Die genannten Forderungen des sittlichen Bewusstseins haben zunächst nur praktische Gewissheit für das sittliche Bewusstsein, und auch diese nur insoweit, als dasselbe sich seiner selbst als eines realen, wahrhaften, nicht bloss illusorischen Bewusstseins sicher fühlt; aus theoretischem Gesichtspunkt sind es nur einseitige, vorläufig unerwiesene Hypothesen, welche allerdings unter Voraussetzung ihrer Richtigkeit den Vorzug haben würden, die praktische Selbstgewissheit des sittlichen Bewusstseins verständlich zu machen. Aber nur dann, wenn diese Hypothesen auch anderweitig eine theoretische Begründung finden, können sie auf theoretische Wahrscheinlichkeit Anspruch machen; wenn dies der Fall ist, so erhält ihre theoretische Wahrscheinlichkeit allerdings einen Zuwachs dadurch, dass sie im Stande sind, auch die empirische Thatsache des sittlichen Bewusstseins erklärlich zu machen, welche schlechthin unerklärlich bliebe, wenn sie sammt seinen praktischen Postulaten als psychologische Illusion gelten müsste. Das Gleiche gilt für die analogen Postulate des ästhetischen und religiösen Bewusstseins; alle drei können für sich allein ihren Postulaten keine ausreichende Stütze als metaphysische Hypothesen geben, wohl aber können sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, welche diesen. Hypothesen, aus theoretischen Gründen ohnehin schon zukommt, und können dieselbe der Gewissheit sehr viel näher rücken, als dies aus rein metaphysischen Erwägungen möglich ist. Wer die metaphysische Begründung jener Hypothesen nicht anerkennt, der wird auch in dem Zusammentreffen derselben mit sittlichen, ästhetischen und religiösen Postulaten seine Ansichten über die illusorische Natur des sittlichen, ästhetischen und religiösen Bewusstseins nicht erschüttern lassen; er wird aber nichtsdestoweniger zugeben müssen, dass die gründliche Untersuchung dieses sittlichen, ästhetischen und religiösen Bewusstseins trotz seiner illusorischen Beschaffenheit eine der interessantesten Aufgaben der Psychologie sein und bleiben würde. Aus diesem Gesichtspunkt wird ein solcher Leser meinen Untersuchungen über diese drei Gegenstände einen unverminderten Grad von Aufmerksamkeit widmen dürfen, da die Frage nach der reellen oder illusorischen Natur des sittlichen, ästhetischen und religiösen Bewusstseins und nach der Wahrheit oder Unwahrheit ihrer Postulate in denselben gar nicht erörtert wird. Wer dagegen die theoretische Begründung der betreffenden Hypothesen gelten lässt, der wird zugeben müssen, dass durch die Uebereinstimmung der sittlichen, ästhetischen und religiösen Postulate mit denselben die phänomenologischen Untersuchungen über das sittliche, ästhetische und religiöse Bewusstsein noch ein weit über das psychologische hinausgehendes Interesse erlangen, indem sie zu ebenso vielen unabhängigen Inductionsreihen werden, welche meiner Metaphysik immer neue inductive Stützen zuführen.

Meine »Religionsphilosophie« ist ebenfalls in genauerer Bezeichnung eine »Phänomenologie des religiösen Bewusstseins«, dessen Entwickelung sich nach meiner Ansicht in vier Hauptphasen gliedert. Die erste ist der religiöse Naturalismus oder...

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