Stadionverbot
rechtliche Betrachtung eines zivilrechtlichen Instruments
„Seit Jahren treten anlässlich von Sportveranstaltungen, insbesondere anlässlich von Veranstaltungen des bezahlten Fußballs, gewaltbereite oder gewalttätige Gruppierungen in Erscheinung.“[1]
Dieses Zitat stammt nicht etwa aus der heutigen Zeit, sondern es beschreibt die Ausgangslage, welche 1991 dazu geführt hat, dass die Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) ins Leben gerufen wurde.
Um das „Gewaltphänomen“ in den Griff zu bekommen, war ein Ergebnis dieser Arbeitsgruppe, das zivilrechtliche Instrument des Stadionverbotes zu modifizieren.[2] Aber was bedeutet überhaupt der Begriff zivilrechtliches Stadionverbot? Die Definition des zivilrechtlichen Stadionverbotes, welche in den Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten (StVerRl)[3] verankert wurde, lautet:
„Ein Stadionverbot ist, die auf der Basis des Hausrechts, gegen eine natürliche Person wegen sicherheitsbeeinträchtigenden Auftretens im Zusammenhang mit dem Fußballsport, insbesondere anlässlich einer Fußballveranstaltung, innerhalb oder außerhalb einer Platz- oder Hallenanlage, vor, während oder nach der Fußballveranstaltung festgesetzte Untersagung bei vergleichbaren zukünftigen Veranstaltungen eine Platz- oder Hallenanlage zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.“[4]
Neben dem auf dem Zivilrecht basierenden Stadionverbot gibt es in allen Bundesländern auf Grundlage des öffentlichen Rechts zusätzlich die Möglichkeit, bestimmten Personen das Betreten der Stadien oder eines Stadions zu verbieten.
Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen besteht diese Möglichkeit durch die Meldeauflage und das Aufenthaltsverbot, welche sich insbesondere aus der polizeirechtlichen Generalklausel gem. § 8 Abs. 1 PolG NRW ergeben.[5] Dazu besteht gem. § 34 Abs. 1 PolG NRW die Möglichkeit einen Platzverweis auszusprechen und in besonderen Fällen besteht die Handhabe der präventiven Gewahrsamnahme gem. § 35 Abs. 1 Nr. 2,3 PolG NRW.
Diese öffentlich-rechtlichen Maßnahmen sind aber von den, in dieser Arbeit zu behandelnden zivilrechtlichen Stadionverbote zu unterscheiden.
Trotz der Tatsache, dass bei jährlich ca. 18 Millionen Stadionbesuchen gegenwärtig „nur“ ca. 3.000 Bürger von einem Stadionverbot betroffen sind (Stand März 2011),[6] bekommt das Instrument Stadionverbot seit jeher eine enorme Aufmerksamkeit.[7] Dies liegt neben der umstrittenen rechtlichen Bewertung vor allem auch darin begründet, dass es im Zusammenhang mit dem Fußball, einem der größten Kulturgüter dieses Landes, steht.[8]
Durch die fokussierte Darstellung des Ereignisses Fußball, ist es zwangsläufig, dass auch die sicherheitsrelevanten Ereignisse, auch wenn sie im Verhältnis sehr selten vorkommen, ein vielbeachtetes Thema sind.[9] Nicht nur die Medien und die Gesellschaft, sondern auch die Justiz beschäftigt sich mit diesen sicherheitsrelevanten Ereignissen rund um Fußballveranstaltungen.[10]
Das Instrument des bundesweiten Stadionverbotes ist sehr umstritten.[11] Zum einen aufgrund der erheblichen Einschränkungen für den Betroffenen, zum anderen aber auch deswegen, weil das Instrument des bundesweiten Stadionverbotes in Deutschland einzigartig ist. In keinem anderen Bereich kann ein Hausverbot automatisch auch für andere Hausrechtsinhaber ausgesprochen werden. Es gilt somit an weiteren Orten, an denen der Aussprechende nicht Hausrechtsinhaber ist.[12]
Daher beschäftigt dieses Thema mittlerweile auch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Unmittelbar gegen das erste BGH-Urteil[13] zu dieser Thematik wurde bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt.[14]
Dies zeigt, dass dieses Instrument auch zwangsläufig ein Thema für Rechtsanwälte ist. Besonders dokumentiert wird dies auch durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Fananwälte“.[15]
Diese Arbeit soll das in der Gesellschaft und der juristischen Literatur kontrovers diskutierte zivilrechtliche Instrument besonders beleuchten. Sie legt neben den Informationen über das Instrument des Stadionverbotes und der Bewertung der Rechtmäßigkeit (insbesondere der StVerRl), einen weiteren Schwerpunkt auf die tatsächliche Anwendung und die sich daraus ergebenden Probleme sowie die individuellen Reaktionsmöglichkeiten des Betroffenen.
Auch wenn dem Fußballsport eine gewisse Härte immanent ist,[16] gibt es prozentual auf die vielen Spiele und die riesigen Zuschauermassen gesehen, nicht besonders viele sicherheitsrelevante Vorkommnisse.[17] Danach besteht aus Sicht der Vereine ein Interesse daran, sicherheitsrelevante Vorkommnisse in den Stadien zu verhindern, um nicht von den Besuchern zivilrechtlich für erlittene Beeinträchtigungen durch sicherheitsrelevantes Verhalten anderer Stadionbesucher in Anspruch genommen zu werden.[18] Da ihnen gegenüber eine vertragliche Schutzpflicht in Form der Verkehrssicherungspflicht besteht.[19]
Zudem ist es durch die immer friedliebendere und elitärer werdende Gesellschaft so, dass auch die wenigen Fälle eine enorme Aufmerksamkeit bekommen und anders bewertet werden und so zu einem Imageverlust führen.[20]
Bereits vor der Einführung des bundesweiten Stadionverbotes durch die StVerRl, haben die einzelnen Vereine und Stadienbetreiber ihr sogenanntes Hausrecht ausgeübt und unliebsame Besucher, gerade solche, die gegen die Stadionordnungen verstoßen hatten oder im Stadion straffällig geworden waren, durch örtliche Stadionverbote von dem Besuch ihrer Stadien ausgeschlossen.[21] Allerdings war dies noch nicht ausreichend, um die zum Teil erheblichen Gewalttätigkeiten einzudämmen, welche in den 70er und 80er Jahren rund um den Fußball zu verzeichnen waren.[22]
Der Grund für die Ausweitung des bereits lokal angewandten Stadionverbotes lag also darin, dass Stadionverbote vermehrt dazu beitragen sollten, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden und so den Besuch einer Fußballveranstaltung für alle interessierten Zuschauer ohne Beeinträchtigung und in friedlich-sportlicher Atmosphäre zu ermöglichen.[23]
Dazu hatte die Innenministerkonferenz (IMK) festgestellt, dass das örtliche Stadionverbot ein grundsätzlich wirksames Mittel zur Bekämpfung von sicherheitsrelevanten Verhaltens ist, welches aber noch nicht ausreicht, um die Vorkommnisse komplett aus den Stadien zu verbannen.[24] Daher wurden Modifizierungsmöglichkeiten gesucht, um dem Problem der sicherheitsrelevanten Vorkommnisse effektiver begegnen zu können.
Dabei ist das in der StVerRl verankerte bundesweite Stadionverbot entstanden. Es sollte gem. § 1 Abs. 2 StVerRl als zivilrechtliche Präventivmaßnahme stärker dazu beitragen, dass zukünftiges sicherheitsbeeinträchtigendes Verhalten in den Stadien unterbunden wird.
Die zukünftige Verbannung bereits einmal sicherheitsrelevant Aufgetretener aus allen Stadien soll verhindern, dass diese Täter erneut auffällig werden. Zusätzlich soll es die Täter aus den Gruppen und vorhandenen Strukturen reißen.[25] Der Aufenthalt in solchen Gruppen soll „sanktioniert“, bzw. so unattraktiv wie möglich gemacht werden, um derartige Gruppen zu schwächen.[26] Denn allein die Zugehörigkeit zu einer gewaltbereiten Gruppe erhöht die Wahrscheinlichkeit gewalttätigen Verhaltens.[27]
Dazu soll die abschreckende Wirkung für noch nicht Betroffene zu nachhaltigen positiven Verhaltensänderungen der anderen gewaltbereiten Besucher führen, um die Anreise und den Stadionbesuch für alle möglichst sicher zu gestalten.[28]
Bei ihrer turnusgemäßen Sitzung im Mai 1991 hat die IMK beschlossen, dass zur Eindämmung der Gewalttaten im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen ein gemeinsames Handeln...