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E-Book

Verhaltenstherapie mit Paaren

Ein bewältigungsorientierter Ansatz

AutorGuy Bodenmann
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl294 Seiten
ISBN9783456751061
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
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Leseprobe

2 Formale Kriterien der Verhaltenstherapie mit Paaren


2.1  Ziele der verhaltenstherapeutischen Paartherapie


Die Erkenntnis, dass sich unzufriedene Paare bzw. Paare, die ein hohes Scheidungsrisiko haben, durch eine negative dyadische Interaktion und geringe Fertigkeiten in der Problemlösung auszeichnen, führt zur Formulierung therapeutischer Ziele wie: (a) die Förderung konstruktiver Kommunikations- und Problemlösekompetenzen, (b) die Verbesserung der Stressbewältigung des Paares, (c) die Entwicklung realistischer Erwartungen bezüglich Partnerschaft und Ehe, (d) die Förderung der Selbstöffnung, (e) die Entwicklung einer flexiblen Distanz-Nähe-Regulation zwischen der Partnerin und dem Partner, in der eigene Bedürfnisse eingebracht werden können, ohne dass Paarbedürfnisse zu kurz kommen; (f) die Akzeptanz gegenüber der Tatsache, dass der Partner oder die Partnerin nie allen Wünschen gerecht werden kann usw.

Um diese Ziele zu erreichen, wird in der Verhaltenstherapie mit Paaren nach dem Grundsatz der Verhaltensänderung (wie bei Individuen) vorgegangen, wonach die Modifikation von Verhaltensweisen einige Schritte voraussetzt, die beachtet werden müssen. Maccoby und Solomon (1981) haben diese Voraussetzungen in sechs Schritten beschrieben (s. Kasten 20).

Es ist evident, dass sämtliche sechs Schritte in der Therapie berücksichtigt werden sollten und eine zu schnell auf das Erlernen der zentralen Kompetenzen (Kommunikation, Problemlösung, Stressbewältigung) fokussierte Intervention häufig nicht erfolgreich sein kann, wenn nicht zuerst das Problembewusstsein und die Motivation geschaffen werden. Bedenkt man, dass insbesondere Paare mit langjähriger Beziehungsgeschichte (d. h. längerer Partnerschaftsdauer) in hohem Maße eingeschliffene Beziehungsmuster (vgl. «habits»; Hull, 1951) aufweisen, die nur sehr schwer und mit viel Aufwand und Disziplin verändert werden können, wird deutlich, wie sehr insbesondere die motivationalen Komponenten der Verhaltenstherapie mit Paaren berücksichtigt werden sollten. Das Erlernen neuer, funktionaler Verhaltensweisen (und damit einhergehend das Verlernen von dysfunktionalem Verhalten) ist umso schwieriger, je länger dieses Verhalten bereits gezeigt wurde – und dem ist in der Therapie Rechnung zu tragen.

Kasten 20: Schritte der Verhaltensänderung und ihre Relevanz

•  Sensibilisierung für das Problem (Schaffung des Problembewusstseins): Beide Partner sollen erkennen, wo die Schwierigkeiten liegen, was sie dazu beitragen und was sie dazu beitragen können, um sie zu überwinden.

•  Wissensvermittlung: Das Paar soll über den neusten empirischen Stand und die Möglichkeiten der Paartherapie sowie deren Wirksamkeit informiert werden und so erkennen können, dass es Möglichkeiten gibt, um die aktuellen Hindernisse und Schwierigkeiten erfolgreich zu überwinden.

•  Schaffung von Motivation: Die Erkenntnis, dass Paarstörungen erfolgreich bewältigt werden können und die Verhaltenstherapie mit Paaren hierzu geeignete Methoden bereitstellt, schafft die notwendige Motivation für die Therapie.

•  Aufbau von erforderlichen Kompetenzen: Diese werden durch gezielte Paarübungen in den Bereichen Kommunikation, Problemlösung und dyadische Stressbewältigung schrittweise aufgebaut.

•  Anleitung zum Training der Kompetenzen im Alltag: Mittels Hausaufgaben und Paarstunden müssen die während der Therapiesitzungen erlernten Kompetenzen im Alltag regelmäßig umgesetzt und trainiert werden.

•  Motivierung zur längerfristigen Aufrechterhaltung der erlernten Kompetenzen: Der Therapeut muss das Paar ermuntern, dass die nach der Therapie zur Verfügung stehenden Kompetenzen längerfristig das Wohlbefinden der Partnerschaft garantieren und dass diese Kompetenzen kontinuierlich trainiert und gepflegt werden müssen. Während der Therapeut zu Beginn stark mit Fremdverstärkung arbeitet (d. h. er lobt das Paar und gibt positives Feedback), muss darauf hingearbeitet werden, dass beide Partner möglichst rasch zur Selbstverstärkung (selber mit sich zufrieden sein) übergehen.

2.2  Indikation der verhaltenstherapeutischen Paartherapie


Die verhaltenstherapeutische Paartherapie ist in drei Fällen indiziert, die hier kurz erörtert werden sollen. Zum einen – und dies ist die Hauptindikation – eignet sich dieser Therapieansatz zur Behandlung von Partnerschaftsstörungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Paarbeziehung. In diesem Fall ist das Paar als System der «Patient», und der Therapeut arbeitet mit der Partnerin und dem Partner, die sich in symmetrischen Positionen befinden (die in diesem Buch dargestellten Methoden beziehen sich auf diese Indikation). Eine zweite Indikation liegt zur Behandlung von psychischen Störungen bei einem der beiden Partner vor (z. B. affektive Störung, Angststörung, sexuelle Funktionsstörung) (vgl. Halford & Bouma, 1997). In diesem Falle wird die Paartherapie dazu benutzt, um die Störung behandeln zu können, wobei sich insbesondere im Rahmen der Behandlung von Depressionen und Schizophrenien der Einbezug des Partners oder der Partnerin zur Senkung des Rückfallrisikos als relevant erwiesen hat (vgl. Hooley & Hahlweg, 1986; Hooley & Teasdale, 1989; Vaughn & Leff, 1976) (s. Abb. 15). Wird die Paartherapie zur Behandlung von individuellen Störungen herangezogen, müssen die Rollen vom «gesunden» Partner und dem Partner mit der Störung geklärt werden. Ein dritter Fall (oder eine dritte Indikation), der von den bisher genannten unterschieden werden sollte, besteht darin, dass ein Paar um eine Paartherapie zur Behandlung einer Beziehungsstörung nachsucht, sich jedoch im Verlauf der Paartherapie her ausstellt, dass einer der beiden Partner an einer psychischen Störung (z. B. Persönlichkeitsstörung) leidet. Hier kann es indiziert sein, neben der laufenden Paartherapie bei einem anderen Therapeuten (damit der Paartherapeut nicht in einen Loyalitätskonflikt kommt oder der nicht zu behandelnde Partner nicht ein Ungleichgewicht aus seiner Sicht perzipieren kann, da zwangsläufig die Arbeit mit dem Partner in Patientenrolle intensiver und damit das Wissen bezüglich diesem größer ist) eine Individualtherapie für diesen Partner zu stimulieren. Da der ursprüngliche Auftrag die Behandlung der Partnerschaftsstörung war, sollte weiter im Sinne dieses Auftrags gearbeitet werden.

Abbildung 15: Indikation der Verhaltenstherapie mit Paaren

2.3  Ablauf einer Verhaltenstherapie mit Paaren


Es kann nicht Ziel eines Buches zur Verhaltenstherapie mit Paaren sein, den behandelnden Therapeuten rezeptartige Hinweise und Handlungsanleitungen zu geben. Die nachfolgenden Ausführungen sollen entsprechend auch nicht in dieser Weise verstanden oder interpretiert werden. Vielmehr wird darzustellen versucht, welche Elemente in der Verhaltenstherapie mit Paaren eingesetzt werden, in welcher Reihenfolge dies theoretisch begründet geschieht und wie der Aufbau einer Therapie (idealtypischerweise) aussehen kann. Die nachfolgenden Überlegungen beruhen zum einen auf unseren eigenen Erfahrungen, zum anderen auf Vorschlägen anderer Verhaltenstherapeuten bei Paaren wie Kurt Hahlweg oder Neil Jacobson. Bei dem in Kasten 21 dargestellten Ablauf sind kognitive Interventionen oder Interventionen zur Förderung der Sexualität des Paares nicht integriert, da sie nicht in jeder Verhaltenstherapie mit Paaren standardmäßig zum Einsatz kommen, sondern je nach Bedarf appliziert werden. Sind jedoch solche Interventionen notwendig, werden sie in den Therapieverlauf eingebaut und entsprechend die Anzahl der Sitzungen um diese Elemente erhöht.

Im Folgenden wird versucht, die einzelnen Etappen der Verhaltenstherapie mit Paaren nachzuzeichnen und inhaltlich zu vertiefen.

Kasten 21: Schematischer Ablauf einer Verhaltenstherapie mit Paaren

SitzungInhalt
1. SitzungBegrüßung und Information über Verhaltenstherapie mit Paaren (Informationsblatt 1) Problembeschreibung Zusammenfassung des Therapeuten und erste Zielformulierung Oral History Interview Hausaufgabe zur Erstellung der Verstärkerliste (Was kann ich tun, damit mein Partner/meine Partnerin Freude hat?) (Informationsblatt 2 und Übungsblatt 1).
2. SitzungEinführung zur Bedeutung der Kommunikation bei Paaren (Informationsblatt 3) Videoaufnahme eines Konfliktgesprächs des Paares Bearbeitung der Videoaufnahme Hausaufgabe zum Erkennen, wenn der Partner einem etwas Gutes tut (Übungsblatt 2)
3. SitzungKommunikationstraining (Mitteilen von positiven Gefühlen und Bedürfnissen) Hausaufgabe zum Reziprozitätstraining und zum gemeinsamen hedonistischen Repertoire (Informationsblatt 4 und Übungsblatt 3)
4. SitzungKommunikationstraining (angemessener Ausdruck von negativen Gefühlen) Hausaufgabe zum hedonistischen Repertoire (Übungsblatt 4)
5. SitzungKommunikationstraining (Konfliktdiskussion mit...
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