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E-Book

Assessment-Center

AutorMartin Kleinmann
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2013
ReihePraxis der Personalpsychologie 3
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783844424843
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Personalauswahl und Personalentwicklung sind zentrale Aufgaben des HR-Managements. Assessment-Center, die zunehmend Verbreitung im deutschen Sprachraum finden, leisten seit vielen Jahren wertvolle Hilfe bei der Bewältigung dieser Aufgaben. Dieser Band gibt einen Überblick über verschiedene Ansätze dieser Methode und stellt alle notwendigen Vorüberlegungen, Ablaufschritte und Folgeprozesse zur Durchführung und Implementierung von Assessment-Center-Verfahren vor. Aktuelle internationale Forschungsergebnisse werden praxisnah aufbereitet, Handlungsempfehlungen entwickelt sowie konkrete Lösungsoptionen für die Praxis vorgestellt. Im Einzelnen werden die Schritte der Anforderungsanalyse, der Erstellung und Auswahl von Beobachtungsdimensionen, der Konstruktion von Übungen, der Durchführung eines Beobachtertrainings, der Maßnahme selbst sowie der Beobachterkonferenz und der Feedbackphase dargestellt. Darüber hinaus werden mehrere Fallbeispiele für Gruppen- und Einzel-ACs ausführlich beschrieben und verschiedene AC-Übungsmaterialien zur Verfügung gestellt. Ziel des Bandes ist es, sowohl Einsteigern in diese Thematik ein leicht verständliches, aktuelles und fachlich fundiertes Werk an die Hand zu geben, als auch für Unternehmensberater und Personalspezialisten zusätzlich Anregungen bereitzustellen, was bei der fachgerechten Konstruktion von Assessment-Centern zu beachten ist.

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Leseprobe

2Modelle


Bevor die einzelnen Modelle zur Funktionsweise der Assessment-Center-Verfahren vorgestellt und diskutiert werden, werden einige zentrale Begriffe zum Validitätsbegriff der klassischen Testtheorie eingeführt, die das nachfolgende Verständnis erleichtern.

Unter Validität versteht man die Angemessenheit von Schlussfolgerungen aus Testwerten und anderen diagnostischen Instrumenten. Zusammenhänge zwischen Prädiktoren und Kriterien werden in der Regel korrelativ ermittelt. Geschieht dies zeitgleich, spricht man von konkurrenter Validität. Erfolgt die Ermittlung zeitversetzt, spricht man von prädiktiver oder prognostischer Validität. Beide Validitätsarten werden als kriterienbezogene Validität bezeichnet. Ihnen liegt die Fragestellung zugrunde, wie gut mit dem Prädiktor Verhalten vorhergesagt werden kann.

Überträgt man dies auf die prognostische Validität des Assessment-Centers, bedeutet dies Folgendes: Ein Assessment-Center ermöglicht prognostisch valide Schlüsse, wenn die Ergebnisse der Beurteilungen in empirisch nachweisbarer Beziehung zum späteren Berufserfolg stehen.

Antworten auf die Frage „Was wird mit diesem Test eigentlich gemessen?“ bietet die Konstruktvalidität eines Tests. Bei der Überprüfung des nomologischen Netzwerks eines Konstruktes wird zwischen konvergenter und diskriminanter Validität unterschieden. Unter konvergenter Validität versteht man einen hohen Zusammenhang von Messungen, die anhand von Methoden ermittelt werden, die beanspruchen, dieselbe latente Variable zu messen. Unter diskriminanter Validität versteht man einen (möglichst) geringen Zusammenhang von Messungen, die mithilfe von Methoden ermittelt werden, die beanspruchen, theoretisch verschiedene latente Variablen zu messen. Die Techniken, sie zu messen, sind vielseitig (vgl. Kapitel 4.3).

Für das Assessment-Center bedeutet dies: Es ist konstruktvalide, wenn bekannt ist, dass mit diesen Verhaltensaufgaben tatsächlich die Fähigkeiten erfasst werden, die man zu messen beabsichtigt.

In der Personalarbeit ist für Personalauswahlzwecke die prognostische Validität des Prädiktors ein zentrales Gütemaß, da sie ein Garant dafür ist, dass die Ergebnisse des Assessment-Center-Verfahrens in empirisch nachweisbarer Beziehung zum späteren Berufserfolg stehen.

Für Personalentwicklungsaspekte ist hingegen die Konstruktvalidität das entscheidende Gütemaß bei Assessment-Center-Verfahren. Sie gibt an, ob die intendierten Konstrukte im Assessment-Center auch tatsächlich erfasst werden. Individuelle Stärken-/Schwächenanalysen für die einzelnen Teilnehmer im Assessment-Center und darauf aufbauende individuenbezogene Fördermaßnahmen machen natürlich nur dann Sinn, wenn die Ausprägung in den entsprechenden Anforderungsdimensionen für die Teilnehmer auch tatsächlich erfasst wird.

Ob und inwiefern diesen Aspekten Rechnung getragen wird, wird nun anhand bislang vorliegender Modelle referiert.

2.1Simulationsorientierter Ansatz


Assessment-Center simulieren erfolgskritische Situationen des beruflichen Alltags. Die situativen Übungen dienen dazu, typische – und nicht einfach zu lösende – Situationen des Alltags abzubilden. Sie sind im Gegensatz zu Arbeitsproben so konzipiert, dass fachliche Voraussetzungen nur eine geringe Rolle spielen. Die zugrunde liegenden Verhaltensanforderungen sollen beobachtet und protokolliert werden, um über verhaltensrelevante Bewältigungsfertigkeiten Aussagen zu bekommen.

Annahmen zur prädiktiven Validität von Assessment-Centern

Annahmen sind nun:

1.Das gezeigte Verhalten weist eine gewisse Stabilität auf, sodass Prognosen in die Zukunft möglich sind.

Diese Annahme ist allen eignungsdiagnostischen Verfahren zu eigen. Ohne eine Stabilität im Verhalten ist keine Prognose möglich. Stabilität im Verhalten bedeutet hier, dass sich die Rangreihe der Teilnehmer zueinander über die Zeit nur geringfügig verändert. Es ist allerdings durchaus möglich und erwünscht, dass sich individuelles Verhalten über die Zeit für alle Betroffenen verändert. Ansonsten wäre der Ansatz einer gezielten Personalentwicklung nicht möglich.

2.Die Teilnehmer verhalten sich in diesen Aufgaben ähnlich wie zukünftig im Beruf.

In den Übungen sind Beobachter zugegen, und es handelt sich um eine Prüfungssituation von hoher persönlicher Bedeutung für die Betroffenen. Dies hat Konsequenzen für das Verhalten im Assessment-Center. Angenommen wird nun, dass dieses durchaus veränderte Verhalten der Teilnehmer nicht systematisch mit ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit später im Beruf interagiert.

3.Die Verhaltensübungen entsprechen tatsächlich den relevanten Situationen im Beruf.

Die Übungen müssen so gestaltet sein, dass die beobachtbaren Verhaltensstichproben mit dem Verhalten und damit der Leistung im Beruf zusammenhängen.

4.Die Beobachter sind fähig und willens, zuverlässig die Verhaltensausprägungen zu erfassen.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Prognoseleistung eines diagnostischen Verfahrens ist, dass die Datenerhebung zuverlässige Messergebnisse liefert. Die Beobachter müssen demnach beobachtetes Verhalten eindeutig Dimensionen zuordnen können sowie die Ausprägung auf diesen Dimensionen bestimmen können. Dies setzt neben einem klaren Aufgabenverständnis auch eine ausreichende Informationsverarbeitungskapazität der Beobachter voraus, um ihre Eindrücke von mehreren Teilnehmern in mehreren Übungen auf mehreren relevanten Dimensionen fehlerfrei verarbeiten zu können.

Unklare Ursachen der prädiktiven Validität von Assessment-Centern

Der simulationsorientierte Ansatz enthält die theoretischen Überlegungen, warum Assessment-Center funktionieren sollen. Forschungsergebnisse zeigen nun, dass zum einen die Prognosen für Assessment-Center vergleichsweise verlässlich sind (vgl. Becker et al., 2011; Gaugler, Rosenthal, Thornton & Bentson, 1987), was vordergründig eine Bestätigung obiger Annahmen bedeutet, dass zum anderen aber die messgenaue Erfassung der Ausprägung auf den Dimensionen nicht gelingt (vgl. Sackett & Dreher, 1982), was zur paradoxen Situation führt, dass Assessment-Center zwar prognostisch valide sind, sich die zugrunde liegenden Annahmen des simulationsorientierten Ansatzes jedoch nicht bestätigen lassen. Es ist bekannt, dass Assessment-Center prognostisch valide Aussagen treffen, aber teilweise ist noch offen, warum. Genauere Belege für dieses Ergebnis werden im Kapitel 4.3 dargestellt sowie im Kapitel 3 die Forschungsbemühungen der letzten 30 Jahre zur Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation. Aus Sicht der Praxis ist dieses Ergebnis ebenfalls relevant, weil zwar Aussagen im Personalauswahlbereich getroffen werden können, die Aussagen zur Personalentwicklung jedoch fraglich sind, da die genaue Erfassung der Dimensionsausprägungen (Konstruktvalidität) offensichtlich nicht gelingt.

Wissenschaftler haben sich aufgrund dieser Forschungslage Gedanken gemacht, welche anderen bzw. weiteren Modelle eine Rolle spielen könnten, um das Zustandekommen der Validität von Assessment-Center-Verfahren erklären zu können. Sechs Erklärungsmodelle sind in der Diskussion, indirekte Kriterienkontamination, direkte Kriterienkontamination, genereller Leistungsfaktor, verwendete Dimensionen, selbsterfüllende Prophezeiung und soziale Intelligenz. Die beiden ersten Thesen haben ihren Fokus stärker auf dem Verhalten der Beobachter und Organisationsmitglieder, während die beiden folgenden Thesen auf die Assessment-Center-Konstruktion fokussieren. Die zwei letzten Thesen betrachten das Teilnehmerverhalten.

2.2Indirekte Kriterienkontamination


Sind Assessment-Center valide, weil die Teilnehmer so wahrgenommen werden wie vermeintlich erfolgreiche Manager?

Die Annahme der indirekten Kriterienkontamination ist einfach zu erläutern. Die Manager, welche als Beobachter eingesetzt sind, haben genaue Kenntnis über die Kultur der Organisation. Sie wissen, welches Verhalten positiv bewertet wird und welches Verhalten weniger Erfolg versprechend ist. Annahme ist nun, dass die Beobachter weniger auf die Ausprägung in den einzelnen Dimensionen achten, sondern eher darauf, ob der Kandidat in seinem Verhalten dem „Stereotyp“ des erfolgreichen Managers entspricht. Die Ausprägung auf allen Dimensionen wird von diesem Bias stark beeinflusst. Der zweite Teil der Annahme besteht nun darin, dass zu einem späteren Zeitpunkt im Beruf die Entscheidungen ähnlich ablaufen. Weniger das tatsächliche Verhalten, sondern eher die Übereinstimmung zum Stereotyp eines erfolgreichen Managers wird bewertet. Inwiefern dann die gefundene Validität des Assessment-Centers Leistung abbildet oder nicht, bleibt offen, da der Zusammenhang zwischen dem Stereotyp eines erfolgreichen Managers und dessen Leistung ebenfalls nicht geklärt ist.

Für diese These spricht manches. So kann sie den Widerspruch zwischen der vorhandenen prognostischen Validität und dem Nicht-Erfassen der Dimensionen gut erklären. Assessment-Center sind prognostisch valide, weil sie ähnliche Urteile von Stereotypen miteinander korrelieren. Die Dimensionen werden nicht erfasst, weil die Beobachter jeweils in den Übungen nicht auf die Dimensionsausprägungen achten, sondern auf die Übereinstimmung mit dem Stereotyp eines erfolgreichen Managers. In einer Studie...

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