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Autismus und der TEACCH-Ansatz

AutorDaniela Soto-Imhof
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl97 Seiten
ISBN9783640873388
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit vermittelt ein Grundlagenwissen zum Thema Autismus und dem TEACCH-Ansatz und ist für die Sozialpädagogik in der Arbeit mit Menschen mit Autismus von zentraler Bedeutung. Es wird der Frage nachgegangen, welche Zusammenhänge sich zwischen den Wahrneh-mungsschwierigkeiten von Menschen mit Autimsus und dem TEACCH-Ansatz beschreiben lassen. Dazu werden einerseits aktuelle Autismustheorien (Joint-Attention, Affekttheorie, die Theory of Mind, Theorie der exekutiven Funktionen und die Theorie der schwachen zentralen Kohärenz) vorgestellt und mit wissenschaftlichen Untersuchungen veranschaulicht und andererseits die einzelnen Leitprinzipien des TEACCH-Ansatzes vorgestellt. Anschliessend werden diese miteinander in Verbindung gebracht, indem jedes einzelne Leitprinzip des TEACCH-Ansatzes mit den Autismustheorien verknüpft wird. Dabei ist u. a. erkennbar, dass die Autismustheorien und der TEACCH-Ansatz sehr ineinander verwoben sind, was zu erkennen gibt, wie wichtig ein Wissen über Autismus ist, um diese Menschen verstehen und ihnen durch die Berücksichtigung von bestimmten Schwierigkeiten und Ressourcen adäquate Unterstützung bieten zu können.

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Leseprobe

1. Einleitung


 

1.1 Hinführung zum Thema


 

TEACCH bezeichnet ein Programm bzw. eine Einrichtung in North Carolina, welche die Unterstützung und Erziehung von Menschen mit Autismus oder von anderweitig kommunikationsbeeinträchtigten Menschen zum Ziel hat (vgl. Weiss 2002: 218), um somit eine soziale Integration in die Gesellschaft anzustreben. Dazu hat TEACCH einen Ansatz entwickelt, welcher verschiedene Prinzipien als Leitlinie vorgibt. Ein sehr weit verbreitetes Prinzip ist das Structured Teaching, welches Strukturierungs- und Visualisierungshilfen beschreibt und bei vielen Menschen mit TEACCH assoziiert wird (vgl. Häussler 2008a: 11).

 

Mit diesem TEACCH-Ansatz befasst sich seit etwa zwei Jahren das Wohn- und Beschäftigungsheim für erwachsene Menschen mit mittleren bis schweren kognitiven oder mehrfachen Beeinträchtigungen, darunter auch Menschen mit frühkindlichem Autismus, in dem die Verfasserin seit vier Jahren arbeitet.

 

Eingeführt wurde der TEACCH-Ansatz auf einer im Jahr 2008 gegründeten Aussenwohngruppe, auf welcher ein Mann mit Autismus und starken fremdverletzenden Verhaltensweisen aufgenommen wurde. Für ihn wurde, in Zusammenarbeit mit einer Fachfrau für Autismus und TEACCH, eine Wohnung eingerichtet, ein Team zusammengestellt und eine Tagesstruktur entwickelt, um ihm eine möglichst nachvollziehbare, verständliche und sicherheitsbietende Umgebung zu ermöglichen. Mittlerweilen lebt dieser Mann mit zwei weiteren anspruchsvollen Klienten zusammen. Die Anwendung des TEACCH-Ansatzes hat bisher sichtliche Erfolge gebracht. Es kann bereits jetzt ein Rückgang der fremdverletzenden Verhaltensweisen festgestellt werden und allgemein können krisenhafte Situationen durch die Anwendung von visualisierten Hilfen besser bewältigt werden. So kam es, dass auch einzelne Mitarbeitende aus den anderen Bereichen, zu denen auch die Verfasserin gehört, angefangen haben, sich mit dem TEACCH-Ansatz auseinanderzusetzen.

 

1.2 Eigener Wissensstand


 

Innerhalb dieser zwei Jahre hat sich die Verfasserin intensiv mit dem TEACCH-Ansatz auseinander gesetzt. Sie hat, nebst dem Einlesen in verschiedene Literatur, ein von der Institution aus organisiertes einwöchiges Praktikum in Frankreich in der Institution Labri Montagnard absolviert, welche bekannt ist für die Anwendung von TEACCH. Zudem wurde auch in der Institution, in der sie arbeitet, eine eintägige Weiterbildung zum Thema Autismus und TEACCH veranstaltet.

 

Die Verfasserin selbst ist auf der oben genannten Aussenwohngruppe, wie auch im Wohnbereich tätig und hat somit bereits praktische Erfahrungen gesammelt.

 

Seit Anfang des Jahres leitet die Verfasserin ein Projekt, um ein bereichübergreifendes Konzept zum TEACCH-Ansatz für die Institution zu erarbeiten und schliesslich umzusetzen, da die Institution beschlossen hat, den TEACCH-Ansatz als Arbeitsgrundlage einzuführen.

 

1.3 Stand des wissenschaftlichen Diskurses


 

1.3.1 Autismus


 

Das Phänomen des Autismus wurde erstmals 1943 von Leo Kanner und 1944 von Hans Asperger unabhängig voneinander beschrieben. Da jedoch viele Symptome weder dem Kanner- noch dem Aspergersyndrom eindeutig zugewiesen werden konnten, sondern zahlreiche Menschen eine Mischform aufwiesen, wurde von Lorna Wing der Begriff der Autismus Spektrum Störungen eingeführt, um auf dieses Kontinuum von Störungen aufmerksam zu machen. Dies führte zu einer erheblichen Zunahme an diagnostizierten Fällen (vgl. Bernard-Opitz 2006: 15-17).

 

Was die Diskussion über die Ursache von Autismus angeht, hat sich bis heute auch einiges verändert. Vor gut 50 Jahren glaubte Kanner noch, dass Autismus durch zuwenig Zuneigung und durch eine kalte, empfindungslose, distanzierte und introvertierte Art der Mutter verursacht wird (vgl. Dalferth 1987: 70). Heute wird diskutiert, ob für eine autistische Störung genetische Ursachen (vgl. Nussbeck/Biermann/Adam 2008: 44) oder aber auch biochemische Faktoren verantwortlich sind (vgl. Trefzger 2009: 64). Es wurden auch Anomalien in den Hirnstrukturen und –funktionen festgestellt, welche möglicherweise die verschiedenen Autismus-Symptome hervorrufen (vgl. Dodd 2007: 11). In Zusammenhang mit den Anomalien der Hirnfunktionen haben Beate Hermelin und Neill O'Connor 1967 bei Experimenten in England herausgefunden, dass bei Menschen mit Autismus eine Störung der zentralen Kohärenz[1] vorliegen muss (vgl. Bernard-Opitz 2006:19). Diese wurde 2006 erstmals von Happe & Frith überarbeitet und wird seither durch eine grundsätzliche Alternativerklärung von Mottron[2] herausgefordert (vgl. Müller 2007: 69).

 

Weitere Erkenntnisse brachte die Theory of Mind[3], welche von Simon Baron-Cohen um 1985 verfasst wurde (vgl. Bernard-Opitz 2006: 21), was die Andersartigkeit der Kommunikation und Interaktion begründen könnte. Da sich die Theory of Mind bei normalen Kindern aber erst mit drei oder vier Jahren entwickelt, kann damit das Verhalten von Menschen mit Autismus von Geburt auf nicht erklärt werden (vgl. Nussbeck et al. 2008: 46). So wurde angenommen, dass die Joint Attention[4] gestört sein muss, was nun als wichtiges Merkmal in der Früherkennung angesehen wird (vgl. Bernard-Opitz 2006: 22). Einen etwas anderen Zugang gibt 1996 die Theorie der exekutiven Funktionen[5] von Pennington & Ozonoff , welche das oft stereotype, ritualisierte Verhalten von Menschen mit Autismus zu begründen versucht (vgl. Müller 2007: 31).

 

Es gibt noch viele weitere Theorien wie beispielsweise die von Paul Innerhofer der logischen Formen, welche heute in einer überarbeiteten Form als Alinguismustheorie[6] vorliegt (vgl. Klicpera/Innerhofer 2002: 11), welche jedoch nach Einschätzung der Verfasserin in der unzähligen Literatur zu Autismus kaum Erwähnung findet.

 

Fest steht, dass der Stand der heutigen Forschung keine einheitliche Ursache autistischer Störungen nachweisen kann. Es wird vermutet, dass Autismus vielmehr durch ein Zusammenwirken von mehreren Faktoren ausgelöst wird (vgl. Trefzger 2009: 66).

 

Durch die vielen verschiedenen Annahmen über die Ursache von Autismus entstanden ebenso unzählige Interventionsmöglichkeiten für Menschen mit Autismus, welche von biochemischen Behandlungsansätzen, verhaltenstherapeutischen Verfahren, der Kommunikationsunterstützung bis hin zur Entwicklung von sozialen Fähigkeiten oder der auditiven und visuellen Wahrnehmung reichen.  Michaela Weiss hat 2002 ein Buch veröffentlicht, in dem diese verschiedenen Interventionsmöglichkeiten vorgestellt, verglichen und bewertet wurden. Auch der in dieser Arbeit vorgestellte TEACCH-Ansatz ist in diesem Buch aufgeführt und wird als ein gut geeigneter und ohne Vorbehalte empfehlenswerter kombinierter Ansatz beschrieben (vgl. Weiss 2002: 226f.).

 

1.3.2 TEACCH


 

TEACCH bezeichnet ein Programm, welches vor rund vierzig Jahren an der Universität von North Carolina in Chapel Hill entwickelt wurde und mittlerweile einer der erfolgreichsten Ansätze darstellt (vgl. Trefzger 2009: 425). Er zeichnet sich durch Offenheit und Flexibilität gegenüber aktuellen Entwicklungen in der Autismusforschung, durch die Integration von anderen Ansätzen und Therapiemethoden, sowie auch durch seine Wirksamkeit aus (vgl. Paul/Theunissen 2003: 34). Es ist jedoch nicht möglich, den TEACCH-Ansatz in all seinen Aspekten wissenschaftlich zu prüfen, weil der Ansatz so umfassend und an einer ganzheitlichen Unterstützung orientiert ist. So wurde die Wirksamkeit anhand von Befragungen von Eltern und Fachleuten, sowie anhand von Statistiken und Evaluationsstudien, welche sich auf einzelne Aspekte von TEACCH beziehen, wie auch von Studien zu einzelnen Strategien aus dem Structured Teaching, untersucht. Eltern und Fachleute berichteten beispielsweise von positiven Effekten, wie einem Zuwachs von Fähigkeiten, einer Verminderung von problematischem Verhalten und der Entwicklung grösserer Selbständigkeit bei Menschen mit Autismus. Durch den Einbezug der Eltern als Co-Therapeuten konnte auch eine positivere Interaktion zwischen Müttern und ihren Nachkommen beobachtet werden. Weiter belegt eine Studie, dass 90% der erwachsenen Menschen mit Autismus, welche das TEACCH Programm begleitet, erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Bei der Untersuchung vom Einsatz von visuellen Plänen, aus dem Prinzip des Structured Teaching, konnte u.a. eine unterstützende Wirkung in der Initiierung und Ausführung von Aktivitäten, sowie eine Erweiterung des Handlungsspielraumes und die Entwicklung von Flexibilität beobachtet werden. Auch eine Vergleichsstudie, in der eine nach dem TEACCH-Ansatz spezialisierte Wohngruppe für erwachsene Menschen mit Autismus mit anderen Wohneinrichtungen verglichen wurde, ergab, dass die nach TEACCH orientierte Wohngruppe sich durch eine angemessenere Kommunikation, einen stärkeren Einsatz von visuellen Strukturierungshilfen, eine gezielte im Alltag integrierte soziale Unterstützung und vorbeugende Verhaltensmassnahmen auszeichnete (vgl. Häussler 2008a: 20-23).

 

Das TEACCH-Programm geniesst hohes Ansehen in den USA und mittlerweile auch in Europa (vgl. Paul/Theunissen 2004: 34). Dass TEACCH auch in den...

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