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E-Book

Auto Macht Geld

Die Geschichte der Familie Porsche Piëch

AutorGeorg Meck
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783644100039
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Von Hitlers «Volkswagen» zum Weltkonzern: wie eine Familie Europas größte Autofirma an den Abgrund führte Drei Dinge zählen im Leben, behauptet Ferdinand Piëch, Enkel des genialen Ferdinand Porsche: «Volkswagen, Familie, Geld - in dieser Reihenfolge.» Trickreich, ruppig und mit aller Härte hat die Familie Porsche Piëch den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg von Volkswagen vorangetrieben, seitdem Ferdinand Porsche im Auftrag Adolf Hitlers den «Volkswagen» konstruierte. Aber im Herbst 2015 erschütterte ein folgenreicher Skandal den Konzern, einmalig in der deutschen Geschichte den Konzern. Das war, so schreibt Georg Meck, kein unglücklicher Zufall: Der tiefe Sturz von VW hat viel mit der Geschichte des Konzerns zu tun - und mit der Familie. Seit über fünfzehn Jahren beobachtet er die Firma Volkswagen und die Familien Porsche und Piëch, er hat alle Konzernchefs getroffen, die maßgeblichen Protagonisten offen wie im Hintergrund gesprochen. So kann er ebenso spannend wie fachkundig die Geschichte des mächtigsten Industriellenclans Deutschlands erzählen, der Volkswagen erst an die Weltspitze und dann an den Abgrund geführt hat - eine Geschichte von Machtkämpfen, Familienstreitigkeiten und Wirtschaftspolitik, die noch lange nicht zu Ende ist.

Georg Meck, geboren 1967, war Korrespondent des «Focus» in Brüssel und berichtete von dort aus über wirtschafts- und finanzpolitische Themen. 2001 wechselte er zur «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», seit 2016 ist er Ressortleiter Wirtschaft der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Bei Rowohlt ·Berlin veröffentlichte er zuletzt «Auto Macht Geld».

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Leseprobe

Sag mir, wo die Oligarchen sind!


Ferdinand Porsche hat den Käfer konstruiert. Sohn Ferry Porsche die Testfahrten mit den Prototypen absolviert, Schwiegersohn Anton Piëch das erste Werk in Wolfsburg geleitet. Enkel Ferdinand Piëch gebärdete sich wie der Alleinherrscher im VW-Imperium. Dabei war er nur Angestellter in dem Konzern, die Vorfahren übrigens auch. Empfunden haben sie es stets anders.

Sichtbar wird dies einmal mehr nach dem Dieselskandal. Als Zweifel am Fortbestand von Volkswagen auftauchen, trachtet die Familie die Stimmung dadurch zu beruhigen, dass sie die unverbrüchliche Treue zu VW beschwört. Das klingt edel, ist vor allem aber verräterisch. Wenn die aktuellen Köpfe der beiden Familienstämme per «Bild»-Zeitung im Frühjahr 2016 proklamieren, sie würden auch künftig für den Konzern sorgen, wie sie es als Eigentümer all die Jahrzehnte zuvor getan hätten, offenbart das eine gewaltige Selbsttäuschung des Clans: VW gehört nicht von Natur aus zu Porsche. Auch wenn die Familie das so sehen mag, ist die Behauptung höchst anmaßend.

Ferdinand Porsche hat als Geschäftsführer den Grundstein für VW gelegt, richtig. Das Unternehmen hat ihm aber nie gehört, als Eigentümer des Konzerns sind seine Nachfahren ein junges Phänomen.

Erst seit dem Jahr 2005, mit dem von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking betriebenen Einstieg bei VW, hat der Clan nach und nach Anteile erworben. Sieben Achtel der VW-Historie vergingen also ohne Eigentümer aus dem Kreis der Familie.

Die angeblich naturgegebene Einheit von VW und Porsche-Clan ist ein Mythos, mehr nicht. Es existiert kein Naturrecht der Familie, über den Konzern zu bestimmen. Im strengen Sinn ist VW bis heute kein Familienunternehmen (dazu stellt der Clan zu wenig Kapital), auch wenn der Titel immer gut klingt. Familienunternehmer – das sind die Braven, die Bodenständigen, die Nachhaltigen, die Langfrist-Denker. Das Gegenteil von dem, was die Bösen sind, die Banker, Spekulanten, Halsabschneider. Kurz: Familien sind ein Glücksfall für die Wirtschaft.

Nur, so einfach ist es nicht. Bei weitem nicht jeder Manager, der sich an der Börse rumtreibt, ist schlecht, und nicht jeder Familienunternehmer ist bis tief ins Innerste seines Herzen edel, hilfreich und gut.

Was der Porsche-Clan in den Jahren 2005 bis 2009 bei der VW-Übernahme an Finanzhokuspokus abgeliefert hat, war Spekulantentum erster Güte. Dem Ruf hat das nicht geholfen. Dieselskandal, hartnäckige interne Intrigen im Clan und die daraus resultierende Unfähigkeit zu einem wahren Neuanfang bei VW setzen ihm weiter zu. Das Jahr 2016 erreicht ein neues Skandalisierungsniveau: Auf den Hauptversammlungen von VW, Audi oder Porsche wettern Aktionäre gegen die «österreichischen Oligarchen», denen schnellstmöglich das Handwerk zu legen sei.

Gemeint ist die Familie Porsche-Piëch. Über Jahrzehnte war der Clan Österreichs Stolz; bescheiden im Auftritt, höchst erfolgreich im Tun. Der Ton ändert sich: gestern noch Vorbild-Unternehmer, heute «Oligarch». Das geht schnell.

Die Motorenmanipulierer von VW haben Millionen Autokäufer getäuscht und die Umwelt über Gebühr geschädigt, so heißt es nun. Dazu die unselige Boni-Debatte, als VW-Manager sich auch noch haben belohnen lassen für einen Rekordverlust 2015, der aus den kriminellen Machenschaften resultierte.

Dafür werden die VW-Vorstände heftig kritisiert, aber auch die Familie dahinter, die das alles duldet oder gar fördert. Die Sippe hat den Konzern als Beute genommen und an den Abgrund gewirtschaftet, schimpfen die meuternden VW-Aktionäre – «österreichische Oligarchen» halt. Der ehrabschneidende Titel setzt sich fest in den Reden der Kritiker, Privataktionäre wie polemisch aufgelegte Profiinvestoren reden so.

Oligarch? Das will nun wirklich niemand sein. Fabrikant, Spekulant, Kapitalist klingt in empfindlichen Ohren schlimm genug. Oligarch ist um Klassen gehässiger. Oligarchen sind finstere Gestalten. Unter ungeklärten Umständen zu sagenhaftem Reichtum gekommen, das eigene Volk ausbeutend, unter einer Decke steckend mit der korrupten Staatsmacht.

Idealtypisch verlangt der moderne Oligarch nach einer Verbindung mit «russisch». Die jüngere osteuropäische Zeitgeschichte hat Oligarchen in solcher Menge produziert, dass es notwendig wurde, sie durch erläuternde Zusätze zu unterscheiden: Es gibt Gasoligarchen, Stahloligarchen, ja sogar Schokoladenoligarchen und vieles andere Unerfreuliche mehr. Autooligarchen sind bisher nicht aufgefallen. Den Titel hätten die Porsches allein.

Ursprünglich stammt der Oligarch aus dem Griechischen. Ein Oligarch (vom griechischen oligoi = «wenige» und archon = «Herrscher, Führer») ist laut Wikipedia «ein Wirtschaftsmagnat oder Tycoon, der durch seinen Reichtum über ein Land oder eine Region weitgehende Macht zu seinem alleinigen Vorteil ausübt».

Im Deutschen existiert das Wort «Oligarchie» laut dem «Etymologischen Wörterbuch» von Wolfgang Pfeifer seit dem 16. Jahrhundert. Der erste Beleg ist bei dem einflussreichen politischen Theoretiker Samuel von Pufendorf zu finden, der ihn 1691 in seiner «Einleitung zur Sitten- und Staatslehre» folgendermaßen beschreibt:

«Oligarchen / das ist / solche Leute zu nennen / welche / ob sie schon in keinem Stücke besser sind / als andere / dennoch aus Hochmuth über ihres gleichen / oder auch wohl über noch geschicktere herrschen wollen.»

Bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts taucht der Oligarch fast nur in althistorischen Texten auf, gebraucht für Vertreter der Oligarchie im antiken Griechenland. Erst danach profilieren sich lateinamerikanische Machteliten als nichtsnutzige Vertreter der Zunft der Oligarchen, die jede Entwicklung blockieren: So lange Oligarchen ein Land im Griff haben, hilft die bestgemeinte Entwicklungshilfe nicht, diese Lektionen lernen auch die postkolonialen Staaten in Afrika und Asien.

In eine solche Reihe gestellt zu werden, schmerzt den Porsche-Clan natürlich, und es ist auch ungerecht. Mit dem Verdacht aber muss die Familie leben. Niemand wird behaupten, dass die Bundesregierung nach ihrer Pfeife tanzt. Aber Einfluss hat sie schon. Dazu ist Volkswagen schlicht zu wichtig – als größter Arbeitgeber im Land, Steuerzahler, Aushängeschild der deutschen Industrie. Ein VW-Chef muss nicht lange um Termine anstehen in der Hauptstadt. Sein Platz im Regierungsflieger ist reserviert, wenn Kanzler oder Minister zu ökonomisch bedeutsamen Staatsvisiten aufbrechen: Wer sonst sollte sie auch nach China begleiten? Allenfalls Siemens hat ähnliches Gewicht.

Wahr ist auch: Wenn im Reiche der Porsches oder Piëchs Unstimmigkeiten mit dem Finanzamt auftreten, gerät das schnell zum Politikum. Die Verschmelzung von VW und Porsche AG war so ein Fall, der steuerliche Aspekt war dafür wesentlich, da griff der Minister persönlich ein – in dem Fall zum Nutzen des Clans.

Die avisierte Heimkehr von Wolfgang Porsche, dem «schwäbischen Österreicher», nach Salzburg dagegen animierte den Bundestag 2014 zu einem Gesetz, der «Lex Porsche», was auf die Schnelle eigens für das Clan-Oberhaupt verfasst wurde, und zu seinem finanziellen Nachteil.

Grob gesprochen verhinderte die «Lex Porsche», dass Porsche sein Vermögen nach Österreich verlagern durfte, ohne vorher die hierzulande fälligen Steuern zu zahlen. Eine entsprechende Anfrage hatte der Automobilfabrikant gestellt, wieder kletterte der Fall schnell die Finanzbürokratie hoch bis zum Minister. Wäre sein Plan aufgegangen, hätte der deutsche Fiskus auf etwa 300 Millionen Euro verzichten müssen – dies verhinderte das taufrische Gesetz. Porsche zahlte, der Staatssäckel füllte sich. Einem richtigen Oligarchen wäre so etwas nicht passiert.

Darüber hinaus schädigte der Vorfall die gesamte Klasse der Vermögenden. Politiker – insbesondere in den Reihen der SPD – hatten sich gesorgt, dass Porsche andere Milliardäre und Millionäre erst auf die Idee bringen könnte, seinem Beispiel zu folgen. Die «Lex Porsche», so jubilierten Sozialdemokraten nach vollbrachtem Gesetz, «durchkreuzt die steuerfreie Verlagerung großer Vermögen ins Ausland». Der Beleg für die Allmacht der Porsches steht also noch aus.

Öko-Lobbyisten sehen das natürlich anders. In ihren Reihen findet sich immer jemand, der sich darüber echauffiert, dass die Regierung von der Autoindustrie «gekauft» ist: Hat nicht VW einen ehemaligen Regierungssprecher (Thomas Steg) als Lobbyisten unter Vertrag? Beschäftigt Daimler nicht einen ehemaligen Kanzleramtsminister (Eckhard von Klaeden)? Spendet nicht die BMW-Familie Quandt regelmäßig das meiste Geld für die Parteien? Und haben sich nicht deutsche Bundeskanzler, gleich welcher Couleur, in Brüssel stets für höhere CO2-Werte eingesetzt, um die heimische Autoindustrie zu schonen? Alles richtig.

Nur belegt das nichts, jedenfalls nicht die Käuflichkeit der Regierung durch Oligarchen. So unerträglich der Gedanke für manchen sein mag: Die Politik setzt sich aus freien Stücken ein für die Belange der Autoindustrie, von der sie meint, dass daran Wohlstand, Jobs – und ja, auch Wählerstimmen hängen. «Ich war immer stolz, Autokanzler zu sein», sagt Altkanzler Gerhard Schröder. Der «Genosse der Bosse» kennt sich aus mit Autos, Macht und Geld. Oligarchen trifft er...

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