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Biografisches Arbeiten und Lebensrückblick in der Psychotherapie

Ein Praxishandbuch

AutorBarbara Rabaioli-Fischer
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl257 Seiten
ISBN9783840926259
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Das Praxishandbuch liefert einen Überblick über bewährte Methoden zum biografischen Arbeiten in der Psychotherapie und stellt verschiedene Lebensrückblickinterventionen dar. Das Kernanliegen aller Verfahren ist die Bearbeitung der Biografie bzw. der lebensgeschichtlichen Zusammenhänge eines Patienten, die eine Störung mitverursachen, beeinflussen und aufrechterhalten. Während es beim biografischen Arbeiten eher um eine Analyse von einzelnen Aspekten geht, die eine auslösende Bedingung für das Problemverhalten darstellen, geht es bei Lebensrückblickverfahren darum, das Erlebte in einen Gesamtkontext zu stellen und eine Lebensbilanz zu ziehen, um einen versöhnlichen und heilenden Blick auf das Leben und die persönliche Entwicklung werfen zu können. Nach einer Einführung in die theoretischen Konzepte biografischen Arbeitens, die neben bewährten Ansätzen aus der kognitiven Verhaltenstherapie auch auf neue Interventionsformen, wie z. B. das expressive Schreiben nach Pennebaker, eingeht, werden kreative Methoden zur emotionalen Bearbeitung von lebensgeschichtlich problematischen Erfahrungen ausführlich dargestellt. Diese Methoden umfassen z. B. die Arbeit mit Tagebüchern, mit Fotos, mit Glücksmomenten in der Kindheit, mit Elterndialogen und imaginative Verfahren. Überblicksartig werden in weiteren Kapiteln verschiedene Lebensrückblickinterventionen dargestellt und Anwendungsgebiete aufgezeigt, z. B. die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen und von Persönlichkeitsstörungen, die Therapie älterer oder krebskranker Menschen. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen das Vorgehen und erleichtern die Umsetzung der Methoden in der klinischen Praxis.

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Kapitelübersicht
  1. Biografisches Arbeiten und Lebensrückblick in der Psychotherapie
  2. 1Einführung in das Thema
  3. 2Biografisches Arbeiten – Theoretische und praktische Entwicklungen
  4. 3Biografisches Arbeiten in der transaktionalen Verhaltenstherapie
  5. 4Lebensrückblickinterventionen
  6. 5Anwendungsfelder
  7. 6Diagnostische und anamnestische Instrumente für die biografische Arbeit
  8. 7Wirksamkeitsforschung
  9. Literatur
  10. Anhang
  11. Sachregister
Leseprobe
2 Biografisches Arbeiten – Theoretische und praktische Entwicklungen (S. 13-14)

2.1 Biografisches Arbeiten nach Fred Kanfer

Der Mitbegründer der kognitiven, verhaltenstherapeutischen Arbeit Frederic Kanfer ist derjenige, der das noch heute gültige Grundmodell biografischen Arbeitens entwickelt hat (Kanfer et al., 1991). Seine Mikro- (S- O-R- K-C- Modell) und Makroanalyse sind seit über 50 Jahren weltweit die Basisverfahren für die Planung und Zielerarbeitung in der kognitiv- emotionalen Verhaltenstherapie. Im Rahmen seiner Selbstmanagement- Therapie hat er Modelle entwickelt, welche ermöglichen, dass der Patient und der Therapeut gemeinsam die Zusammenhänge von Biografie, lebensgeschichtlicher Entwicklung und Problemverhalten transparent erarbeiten können. Damit erhält der Patient sozusagen „Hilfe zur Selbsthilfe“ und kann sich so aus pathologischen Verhaltensmustern lösen. Im Grundmodell der Verhaltensanalyse, nämlich der Mikro- und Makroanalyse, soll die lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese der Patienten so dargestellt werden, wie sie für die geplante Therapie relevant sind.

Dies erfolgt unter anderem unter dem Aspekt der klassischen Lerngesetze in der Makroanalyse. Hier wird auf frühere Verstärkungsbedingungen, Modelllernen, Bewältigungsfertigkeiten und spezifisch behindernde Entwicklungsbedingungen eingegangen, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Krankheit wesentlich sind. Schwarz (in Rabaioli- Fischer & Kraemer, 2002) führt dazu aus:

Die Makroanalyse bzw. Bedingungs- und Funktionsanalyse soll aus der Lebensgeschichte ableitbare Dispositionen für die aktuelle Störung enthalten (z. B. Modelllernen bei überängstlicher Mutter, mangelnde Entwicklung von Copingfertigkeiten durch fehlende Modelle der Eltern). Es soll deutlich werden, weshalb dieses Verhalten jetzt aktualisiert und durch welche Bedingungen (positive und negative Verstärkungsprozesse) es aufrechterhalten wird. (S. 22)

Somit wird deutlich, dass wir bereits in den Anamnesesitzungen die Planung der Psychotherapie stets aufgrund biografischer Informationen spezifisch im Hinblick auf Problemverhalten analysieren, vernetzen und für die Therapieplanung und für den Patienten transparent erklärbar machen wollen.

Kanfer et al. (1991) beschreiben die Entwicklung von „Verhaltensstörungen“ durch eine Fülle von zusammenwirkenden Einzelfaktoren und Zuständen, welche nur durch ein multifaktorielles Modell adäquat repräsentiert werden können. Problematisch werden diese Faktoren dadurch, dass ursprünglich funktionale Verhaltensmuster im Laufe der Zeit dysfunktional werden. Kanfer macht dies anhand des Beispiels deutlich, dass es Patienten z. B. nicht gelingt, ihre rigiden, stereotypen Gewohnheiten zu ändern. Und dies angesichts der Tatsache, dass ihre Lebenssituation zwischenzeitlich gravierend anders ist als früher und somit ihre alten Verhaltensmuster nicht mehr passen (Kanfer et al., 1991):

Wenn zum Beispiel ein Kleinkind bei Problemen die Mutter um Hilfe bittet, so kann dies durchaus als „kindgemäßes“ Verhalten gelten. Wenn aber dieses Kleinkind mittlerweile 50 Jahre alt geworden ist, sich aber immer noch bei persönlichen Entscheidungen von der Mutter lenken lässt, sind dysfunktionale Konsequenzen hochwahrscheinlich.

Ein fehlendes Anpassen eigener Schemata an neue Entwicklungsstufen im Leben ist ein potentieller Risikofaktor für spätere Störungen. (S. 77) Des Weiteren betonen die Autoren, dass persönliche Erlebnisse in der Kindheit mit traumatischem Charakter von vielen Therapieschulen als Entstehungsbedingung für bleibende Verhaltensstörungen anerkannt werden. Im Rahmen der Verhaltensanalyse und des funktionalen Bedingungsmodells werden somit die unmittelbar störungserhaltenden Variablen und die im Makromodell ermittelten, lebensgeschichtlichen Faktoren, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung eines Problemverhaltens führen, erfasst. Für die Analyse und Entwicklung des problematischen Verhaltens schlagen Kanfer et al. (1991, S. 257) folgende Fragen vor:

Fragen zur Analyse und Entwicklung problematischen Verhaltens nach Kanfer et al. (1991):
• Unter welchen Umständen hat sich das problematische Verhalten ursprünglich entwickelt?
• Lassen sich die zum Zeitpunkt der Problementstehung relevanten Bedingungen noch eruieren?
• Ist es im vorliegenden Fall notwendig, Informationen über die ursprüngliche Problementstehung zu kennen?
• Welche damaligen Umstände/Bedingungen sind heute noch vorhanden und funktional relevant/welche nicht?
• Gibt es im Verlauf über die Zeit deutlich kovariierende Bedingungen?
• Gibt es Hinweise auf ein „Lernen am Modell“?
• Ist das problematische Verhalten „V“ möglicherweise als missglückter, subjektiver Lösungsversuch für andere Probleme zu interpretieren?
• Wie erklärt sich der Patient die Entstehung seiner Schwierigkeiten?

Zur Erfassung lebensgeschichtlich relevanter Bedingungen für die Planung einer Verhaltenstherapie dienen die klassischen Lerngesetze sowie sozialpsychologischen Paradigmata, die die späteren Verhaltensweisen beeinflussen. Handlungsbestimmende Einstellungen werden im Rahmen der Sozialisation über den Prozess des klassischen und instrumentellen Konditionierens sowie über Prozesse des Modelllernens erworben. Das klassische Konditionieren ist z. B.: in Leistungs-/ Exponierungssituationen (CS) → CR– tritt Scham als Gefühl auf.
Inhaltsverzeichnis
Biografisches Arbeiten und Lebensrückblick in der Psychotherapie1
Inhaltsverzeichnis7
1Einführung in das Thema11
2Biografisches Arbeiten – Theoretische und praktische Entwicklungen15
2.1Biografisches Arbeiten nach Fred Kanfer15
2.2Biografisches Arbeiten bei Aaron Beck27
2.3Biografisches Arbeiten bei Judith Beck32
2.4Biografisches Arbeiten nach Albert Ellis34
2.5 Die biografisch-.systemische und biografisch-.szenische Verhaltenstherapie von Gerhard Zarbock37
2.6 Biografisches Arbeiten nach James W. Pennebaker – Expressives Schreiben41
2.7 Expressives Schreiben in der Therapie nach Andrea B. Horn und Matthias R. Mehl46
2.8 Biografisches Arbeiten in aktuellen Ansätzen der Verhaltenstherapie48
3Biografisches Arbeiten in der transaktionalen Verhaltenstherapie59
3.1Die Strukturanalyse59
3.2Die Spiele- und Spielanalyse62
3.3Die Skriptanalyse62
3.4 Biografisches Arbeiten in der transaktionalen Verhaltenstherapie – praktisches Vorgehen63
4Lebensrückblickinterventionen98
4.1 Einführung – Lebensrückblickverfahren nach Robert Butler99
4.2Verschiedene Lebensrückblickinterventionen im Überblick100
5Anwendungsfelder145
5.1Anpassungsstörungen146
5.2Posttraumatische Belastungsstörungen Typ I149
5.3 Posttraumatische Belastungsstörungen Typ II – Komplexe Traumafolgestörungen mit rezidivieren­den depressiven Episoden152
5.4Behandlung von Persönlichkeitsstörungen159
5.5Bipolare Störungen und Lebensrückblick (Life-.Chart)190
5.6Behandlung von Abhängigkeiten192
5.7Psychotherapie alter Menschen und Lebensrückblick196
5.8Verhaltensmedizinische Behandlungen208
5.9 Biografisches Arbeiten und Lebensrückblick in der Selbsterfahrung219
6Diagnostische und anamnestische Instrumente für die biografische Arbeit222
7Wirksamkeitsforschung224
Literatur228
Anhang235
Sachregister255

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