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E-Book

Borderline

Der Ratgeber für Patienten und Angehörige

AutorFrank Schneider
VerlagHerbig
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783776681840
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Innere Leere, emotionale Instabilität, unbeständige Beziehungen, panische Angst vor dem Verlassenwerden, schwere Krisen mit mangelnder Impulskontrolle, wiederholte Selbstverletzungen: Borderline ist durch eine starke Störung der Gefühle gekennzeichnet - sich selbst und anderen Menschen gegenüber. Prof. Dr. Schneider klärt über Ursachen der Krankheit auf und erläutert, wie sich Borderline symptomatisch äußert und vor allem, was man dagegen tun kann. Fachkundig stellt er verschiedene spezifische Formen der Psychotherapie vor und legt dar, welche Möglichkeiten der medikamentösen und psychosozialen Behandlung es gibt. Mit hilfreichen Checklisten und vielen anschaulichen Fallbeispielen.

Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider, war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und arbeitet als Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Aachen. Bei Herbig erschienen von ihm die Ratgeber 'Demenz', 'Depressionen im Alter' sowie in Kooperation mit der Robert-Enke-Stiftung 'Depressionen im Sport'. Zusammen mit Sigrid Falkenstein veröffentlichte er 'Annas Spuren. Ein Opfer der NS-?Euthanasie?.'

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Leseprobe

Borderline: Eine schwere Erkrankung

Fallbeispiel

»Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt, zunächst bei meinen Großeltern, weil meine Mutter kurz nach meiner Geburt verstarb und mein Vater ein Säufer war. Nach dem Tod meiner Großeltern kam ich in verschiedenen Heimen und Pflegefamilien unter. Meine Kindheit und Jugend waren sehr turbulent, geprägt von Weglaufen, Schule schwänzen, ziemlichen Erfahrungen mit Alkohol und Drogen. Eine Ausbildung zur Altenpflegerin habe ich bis heute nicht abgeschlossen. Ich galt wohl schon immer als sehr launisch und konnte von der einen auf die andere Sekunde heftigste Wutausbrüche bekommen, wegen »nichts«. Inzwischen ist es eher so, dass ich mich innerlich leer fühle, wie tot – toter als tot. Sogar meinen Körper spüre ich dann nicht mehr. Ich habe das Gefühl, als würde mein Körper gar nicht mehr existieren, sondern irgendwie mit der Umgebung verschmelzen. In solchen Situationen ritze ich mich, meistens mit einer Rasierklinge, an Armen und Beinen – bis das Blut kommt, erst dann habe ich das Gefühl, dass ich wieder ich selbst bin.

Dann wiederum überkommen mich Phasen, da fühle ich mich ganz unruhig, kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, könnte nur noch heulen und würde am liebsten mich und alles um mich herum einfach zerstören. Ich kann das Gefühl gar nicht benennen, es herrscht einfach Chaos in mir.

Mein Freund versucht in solchen Situationen, besonders lieb zu mir zu sein, mich in den Arm zu nehmen, mich zu trösten. Doch ich kann seine Nähe in solchen Augenblicken gar nicht ertragen. Ich habe ihn gar nicht verdient. Ich weiß nicht, wie er es mit mir aushält, wahrscheinlich ist da längst eine andere, mit der er mich betrügt. Vor vier Wochen habe ich ihm dies vorgehalten. Er wies meine Vorwürfe zurück, aber ich glaubte ihm nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich von einem Partner betrogen werde. Ich habe ihn dann aus unserer gemeinsamen Wohnung rausgeworfen und ihm seine Klamotten im Treppenhaus hinterhergeworfen.

Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu gekommen ist, aber ich habe anschließend eine halbe Flasche Wodka ausgetrunken und die Schlaftabletten und alles andere, was ich noch im Medikamentenschrank gefunden habe, eingenommen – wie viele Tabletten das waren, kann ich nicht sagen. Ich wollte einfach nicht mehr leben. Mein Freund, der noch einmal zurückkam, fand mich auf dem Wohnzimmerboden liegend und verständigte den Notarzt.

Seitdem befinde ich mich nun in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Keine Klapse, sondern ein echtes Krankenhaus, wo mir geholfen wird, mich selbst zu verstehen. Hier bekam mein Anderssein endlich einen Namen: Borderline. Jetzt bin ich seit acht Wochen hier. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich wirklich verstanden. Zum ersten Mal habe ich die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden kann. Ich weiß, dass ich nach der Entlassung ambulant weiterbehandelt werden muss, das ist o. k.«

Jette P., 21 Jahre

Die Borderline-Erkrankung ist keine seltene Erkrankung. Ungefähr 3 von 100 Erwachsenen leiden zumindest einmal in ihrem Leben daran. Dabei sind Frauen und Männer etwa gleich häufig betroffen. Allerdings sind Frauen in der medizinischen Versorgungslandschaft deutlich überrepräsentiert. So sind etwa 80 Prozent der Borderline-Patienten in psychiatrisch-psychotherapeutischen Kliniken weiblich. Dies hat damit zu tun, dass Frauen zum einen häufiger mit Selbstverletzungen reagieren, zum anderen nehmen sie grundsätzlich mehr psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe in Anspruch. Männer dagegen richten Aggressionen eher nach außen und geraten dadurch nicht selten mit dem Gesetz in Konflikt. Sie sind dann möglicherweise häufiger in Kliniken für psychisch kranke Straftäter oder in Justizvollzugsanstalten anzutreffen.

»Grenzgänger«

Der Begriff »Borderline« (Grenzlinie) wurde Ende des 19. Jahrhunderts von dem englischen Psychiater C. H. Hughes eingeführt. In seinem 1884 erschienenen Artikel »Borderland Psychiatric Records« führte er den Begriff »borderland patients« ein als Bezeichnung für Patienten, die ein Beschwerdebild mit unbändigen Stimmungsschwankungen, zeitweiligen Gefühlen der Unwirklichkeit oder mit Wahrnehmungsstörungen zeigten, das Hughes an der Grenze zu den schizophrenen Psychosen (siehe Glossar) ansiedelte. Inzwischen steht fest, dass die Borderline-Erkrankung und die Schizophrenie ganz unterschiedliche, voneinander unabhängige Erkrankungen sind. Aber damals wählte man den von »borderland« abgeleiteten Begriff »Borderline«, um Beschwerdebilder zu benennen, die schwer zu klassifizieren waren und von denen man annahm, dass sie irgendwo zwischen einer Neurose (siehe Glossar) und einer Psychose einzuordnen seien, da einige Symptome an eine Psychose, andere wiederum an eine Neurose erinnerten.

Der Begriff »Borderline« hat sich bis heute gehalten, allerdings ist die Einordnung inzwischen eine völlig andere (siehe nächsten Abschnitt).

Nicht wenigen Patienten gefällt die Bezeichnung »Borderline«, da der Begriff auch ausdrückt, was so viele von ihnen empfinden: sich zerrissen fühlen zwischen den Extremen, zwischen Liebe und Hass, Nähe und Distanz, Abwertung und Idealisierung, Euphorie und Niedergeschlagenheit und oft auch zwischen dem Wunsch zu leben und dem Wunsch zu sterben.

Persönlichkeitsstörungen

Nach heute gängigen Klassifikationssystemen, wie der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10; siehe Glossar) der Weltgesundheitsorganisation, wird die Borderline-Erkrankung den Persönlichkeitsstörungen zugeordnet.

Eine Persönlichkeitsstörung zeichnet sich aus durch tief verwurzelte und sehr starre Verhaltens- und Denkmuster, die deutlich von den kulturellen Erwartungen und Normen abweichen und die nicht auf bestimmte Situationen beschränkt sind, sondern sich in unterschiedlichen Lebensbereichen äußern, wie Beruf, Freizeitgestaltung und insbesondere in zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese problematischen Verhaltensmuster sind zeitlich überdauernd und zeigen sich in der Regel schon im Kindes- oder Jugendalter. Dies bedeutet aber keineswegs, dass sie nicht veränderbar wären!

Definition der Persönlichkeitsstörungen: Erkrankungen, die charakterisiert sind durch kulturell abweichende, starre Denk- und Verhaltensmuster, die zeit- und situationsübergreifend sind und sich bereits im Kindes- oder Jugendalter zeigen.

Wir neigen mitunter schnell dazu, Denk- und Verhaltensstile, die uns befremdlich erscheinen, als »unnormal« oder krankhaft zu werten, oder Menschen, die wir als schwierig im Umgang erleben, als »persönlichkeitsgestört« einzuordnen, obwohl ihr Denken und Verhalten vielleicht zur normalen Variationsbreite des menschlichen Erlebens gehört. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass eine Persönlichkeitsstörung wirklich nur dann vorliegt und auch entsprechend diagnostiziert werden kann, wenn die problematischen Denk- und Verhaltensmuster stabil und unflexibel sind und zu erheblichem subjektivem Leidensdruck bei den Betroffenen oder im sozialen Umfeld führen.

Spezifische Persönlichkeitsstörungen

Die ICD-10 nennt verschiedene Persönlichkeitsstörungen (siehe Tabelle), die Borderline-Persönlichkeitsstörung gilt als Unterform der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung und ist die am häufigsten diagnostizierte Persönlichkeitsstörung überhaupt.

Persönlichkeitsstörung

Charakteristika

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Misstrauen, Streitsucht, übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Kritik, situationsunangemessenes Beharren auf dem eigenen Recht

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Einzelgängerisches Verhalten, Verschlossenheit, scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Lob und Kritik, mangelhaftes Gespür für geltende Normen und Konventionen

Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Missachtung sozialer Regeln und Normen, ausgeprägte Tendenz zu aggressivem Verhalten, Mangel an Einfühlungsvermögen und Mitgefühl, geringe Frustrationstoleranz

Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (impulsiver Typus oder Borderline-Typus)

Hochgradige Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung ihrer Konsequenzen auszuagieren, Launenhaftigkeit; es werden zwei Formen voneinander abgegrenzt: der impulsive Typ sowie der Borderline-Typ

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Theatralisches, dramatisierendes Verhalten und übersteigerter Ausdruck von Gefühlen, Suche nach Aufmerksamkeit, oberflächliche und labile Affektivität

Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Übertriebene Gewissenhaftigkeit, Zweifel und Vorsicht, Perfektionismus, ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Ordnung, Plänen, hohe Leistungsbezogenheit, Starr- und Eigensinn, extreme Sparsamkeit bis hin zum...

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