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E-Book

Caritas Pirckheimer

Äbtissin und Humanistin

AutorAnne Bezzel
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2016
Reihekleine bayerische biografien 
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783791760773
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Von zahlreichen Gelehrten und Geistesgrößen ihrer Zeit wurde die hochgebildete Caritas Pirckheimer, Äbtissin des Nürnberger Klaraklosters, als Gesprächs-partnerin geschätzt. Vielen galt sie als weibliches Idealbild des humanistischen Menschen. Als die Reformation in Nürnberg Einzug hielt, geriet sie durch ihr unerschütterliches Festhalten an der klösterlichen Lebensform in ungewollte Gegnerschaft mit den Stadtvätern. Ihr unerschrockenes Eintreten für die eigene Position und ihre Gabe zum Dialog mit Andersdenkenden machen Caritas Pirckheimer zu einer bis heute faszinierenden Persönlichkeit. Die Biografie bietet interessante und spannende Einblicke in die Zeit des religiösen und gesellschaftlichen Umbruchs des 16. Jahrhunderts.

Anne Bezzel, Diplomtheologin, geb. 1976, promoviert in evangelischer Kirchengeschichte. Sie ist als Vikarin und freiberufliche Autorin tätig.

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Leseprobe

2   Aus Barbara wird Caritas: Der Eintritt ins Klarakloster


Ein Abschied für immer


Als Barbara in der Pfingstwoche 1479 im Alter von zwölf Jahren in den Konvent der heiligen Klara in Nürnberg eintritt, ist dies angesichts ihres Lerneifers und ihrer Begabung ein aus damaliger Perspektive folgerichtiger Schritt.

Was dem jungen Mädchen im Schutzraum ihrer Familie ermöglicht worden war – Zugang zu einem fundierten klassischen Bildungskanon –, kann allein im Rahmen einer klösterlichen Schulbildung fortgesetzt werden. Die vier Lateinschulen der Stadt stehen nur den Patriziersöhnen offen.

Wenn ihr das »falsche« Geschlecht die Möglichkeit einer städtischen Bildung versagt hatte, so wird ihr nun beinahe auch der Weg der klösterlichen Bildung versperrt. Ursache dafür ist Barbaras Geburtsort: Wenngleich sich die Pirckheimer als Nürnberger verstehen, wenngleich Barbara seit einigen Jahren beim Nürnberger Großvater am Hauptmarkt lebt – ihr Geburtsort ist Eichstätt. Von Rechts wegen, nach dem Willen des Rates und der von Papst Sixtus IV. 1476 erlassenen Bulle dürfen jedoch nur Nürnberger Bürgerinnen als Chorschwestern aufgenommen werden.

Was aber ist eine Nürnberger Bürgerin? Im Zuge einer Streitigkeit aus dem Jahr 1482 wird festgesetzt, dass dieser Status zwingend und ausschließlich an die Geburt (indigene) gekoppelt ist. Eine spätere Einbürgerung wird als Option ausgeschlossen. Noch im März des Jahres 1479, wenige Wochen vor Barbaras Aufnahme, wird der gesamte Konvent von einer Delegation des Rates an das Gesichtsfenster des Klosters beordert. Dort verliest man die päpstliche Bulle. Jede einzelne Schwester wird unter Anwesenheit eines Notars namentlich aufgerufen und muss durch Kopfnicken zu verstehen geben, dass sie die Weisung des Papstes zur Kenntnis genommen hat: Nicht-Nürnbergerinnen ist der Eintritt zu verwehren!

 

 

Abb. 3: Stadtansicht Nürnbergs nach Hartmann Schedels Weltchronik von 1493

 

Erst sieben Jahre später, im Jahr 1486, kann der Konvent bei Innozenz VIII. eine Aufhebung der Aufnahmebeschränkung erwirken – nicht nur in Nürnberg geborene, sondern auch in der Stadt ansässige Frauen dürfen nun aufgenommen werden. Was im Fall der »Eichstätterin« Barbara Pirckheimer geholfen haben mag, die strenge päpstliche Bestimmung zu umgehen, ist nicht bekannt. Ob die Nürnberger Wurzeln der Familie, ihr Ansehen oder der Einfluss des Großvaters eine Rolle gespielt haben?

Bald schon zeigt sich, dass die Äbtissin Margarete Grundherr mit Barbara eine Schülerin gewonnen hat, die in hervorragender Weise auf das vorbereitet ist, was das Leben im vom Geist des Frühhumanismus geprägten Klarakloster ausmacht: die Einübung in eine ernsthaft gelebte Frömmigkeit, der Unterricht in der Heiligen Schrift, den Schriften der Kirchenväter, der antiken Autoren und nicht zuletzt – als Voraussetzung und Handwerkszeug – das Erlernen der lateinischen Sprache.

Caritas als Novizin und junge Nonne


Der Lerneifer und die Wissbegierde der jungen Klosterschülerin müssen beeindruckend gewesen sein. Die in ihr seit Kindertagen geweckte Liebe zum Wissenserwerb und der fundierte Unterricht durch die gelehrte Großtante machen es ihr offenbar leicht, sich den Anforderungen der Klosterschule zu stellen. Vor allem auf dem Gebiet der lateinischen Sprache übertrifft sie ihre Altersgenossinnen weit. Wie aus einer kurzen Briefnotiz der Äbtissin Margarete Grundherr an Caritas’ Onkel, den Kartäuserprior Georg Pirckheimer, aus dem Jahr 1481 hervorgeht, verblüfft sie durch ihre Fähigkeiten sogar den Generalvikar der Observanten: »… vnd wie sie mit im vnd er mit ir in latein redet vnd in verstin küntt, das gefiel dem vatter so woll, das es wünder was zw horen.«

In welchem Jahr die junge Barbara Pirckheimer die Entscheidung für ein Leben nach den Gelübden der heiligen Klara getroffen hat, ist ungewiss. Manche vermuten, sie habe 1483, mit 16 Jahren, den Schleier genommen. Dies wäre nach klösterlichem Recht der frühstmögliche Zeitpunkt – denn die Entscheidung zur Profess durfte erst dann getroffen werden, wenn das heiratsfähige Alter, 16 Jahre, erreicht war. Andere halten das Jahr 1485 dennoch für den wahrscheinlicheren Zeitpunkt ihrer Profess, da sich etwa ab diesem Zeitraum die ersten Zeugnisse des neuen Namens finden, den die junge Klarissin sich als Ordensnamen erkoren hat.

 

Klara (Chiara) von Assisi

Um 1193/4 in Assisi als Tochter des Adeligen Favarone von Offreduccio und dessen Ehefrau Ortolana geboren, begegnete die knapp Zwanzigjährige Franz von Assisi. Fasziniert von seiner radikalen Nachfolge Christi floh sie in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1212 aus ihrem Elternhaus. Gegen den Willen ihrer Familie ließ sie sich in Portiunkula mit einem Bußgewand einkleiden und lebte schließlich in San Damiano in klösterlicher Klausur, bald schon umgeben von einer ständig wachsenden Gemeinschaft von Frauen, die wie Klara eine den Franziskanern ähnliche Ordensgemeinschaft anstrebten und die Ideale des Dienens und der Armut verwirklichen wollten. Ab 1215 übernahm Klara von Assisi das Amt einer Äbtissin für den kleinen Orden, der sich an einer von Franziskus verfassten formula vitae orientierte. In dieser nicht erhaltenen Regel trat Franz zu weit gehenden Askesepraktiken der Klara von Assisi entgegen. Diese formula vitae blieb für Klara die maßgebliche Richtschnur auch nach Erhalt päpstlicher Verfügungen und Zugeständnisse, wie etwa dem 1228 erteilten »Privileg der Armut«. Im Zentrum ihrer Theologie, die sich vor allem in ihren Briefen an Agnes von Prag ablesen lässt, stand die Verehrung Christi als Bräutigam, als Kind in der Krippe und als leidendem Gottessohn am Kreuz. 1247 entwarf Klara eine eigene Ordensregel in enger Anlehnung an die franziskanische Ordensregel. Für deren Bestätigung durch den Papst musste sie über viele Jahre kämpfen. Am 9. August 1253, zwei Tage vor ihrem Tod, erhielt sie schließlich die Regalapprobation durch Innozenz IV.

Bereits zwei Jahre nach ihrem Tod wurde Klara durch Papst Alexander IV. heiliggesprochen. Im katholischen Heiligenkalender wird heute ihrer am 11. August gedacht. Ihre Gebeine wurden 1260 in die zu ihrem Andenken errichtete Kirche Santa Chiara zu Assisi überführt.

 

 

Klosteralltag in St. Klara


Die wirtschaftliche Basis des Nürnberger Klaraklosters stellten die durch Schenkungen erhaltenen Liegenschaften dar. Diese lieferten durch Naturalienabgaben die tägliche Lebensgrundlage für die im Kloster lebenden Schwestern und die durch sie versorgten Pfründner. Als weitere Lebensmittelquelle diente der direkt an den Konvent angrenzende Klostergarten. Die durch die Erbpacht erwirtschafteten finanziellen Einnahmen wurden als sogenanntes Ewiggeld angelegt oder in den Erwerb neuer Grundstücke investiert. All jene finanziellen Belange oblagen dem Klosterpfleger, der die Schwestern auch in rechtlichen Angelegenheiten nach außen hin vertrat.

 

 

Abb. 4: Klarakloster in Nürnberg von Westen. – Federzeichnung, nach 1618

 

Im Kloster lebten zwei Gruppierungen: die Chorschwestern oder Professen und die Laienschwestern oder Servitialen. Die Chorschwestern, die nach einjährigem Noviziat nach Erreichen des heiratsfähigen Alters die Profess ablegten, waren den Klostergelübden der Armut, Keuschheit und des Gehorsams sowie der strengen Klausur unterworfen. Einen großen Teil des Tages verbrachten sie in Schweigen, widmeten sich neben dem Beten und Singen der acht Horen auch der Handarbeit in der Spinnstube und am Webrahmen, dem Kopieren und Neuerstellen von Handschriften, dem Studium der Bibel und der Schriften der Kirchenväter. (Zahlreiche der im Skriptorium des Klosters erstellten Handschriften waren mit kolorierten Holzschnitten oder eigenhändigen Federzeichnungen geschmückt.)

Die andere Gruppe, die Laienschwestern, trat meist erst im Erwachsenenalter in den Konvent ein. Die strengen Klausurvorschriften galten für sie nicht, auch waren sie in der Regel nicht zum Singen der Tagzeitgebete verpflichtet. Sie verrichteten die schweren und groben Arbeiten in der Küche, im Brauhaus, in den Stallungen und Vorratsscheunen des Klosters sowie im klostereigenen Garten. Auf Grund ihrer körperlich anstrengenden Tätigkeit waren sie von strengen Fastenvorschriften befreit.

 

 

Abb. 5: Braunscher Prospekt von 1608, Ansicht des Klaraklosters

 

Die Chorschwestern von St. Klara führten ein äußert schlichtes und genügsames Leben: Man schlief gemeinsam in einem großen Schlafsaal. Eigene Nachtgewänder gab es nicht – die Nonnen legten sich »gegürtet und in ir gewande« auf Säcke, die mit Spreu gefüllt waren. Kranke Schwestern versorgte man im Siechenhaus des Klosters; ihnen standen ein angemessenes Krankenlager und kräftigende Speise, sogar der Genuss von Fleisch warmblütiger Tiere, zu.

Jenes Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam, dem sich die junge Caritas durch die Profess verschreibt, ist nicht allein durch eine strenge Frömmigkeitspraxis geprägt. Vielmehr steht es auch unter dem Vorzeichen einer freiheitlichen, aufgeschlossenen Grundhaltung zu den Wissenschaften, die auch von den Franziskanern, den Seelsorgern des Konvents, mitgetragen wird.

Caritas’ Hinwendung zum Humanismus wird also im Kloster nicht nur geduldet, sondern gefördert. Unter Anleitung eines Franziskaners – unklar ist, ob es sich dabei um den Ordenschronisten Nikolaus Glasberger oder den Amberger Guardian Ulrich Kremser handelt – fertigt sie mit anderen Schwestern zusammen...

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